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Rede

Janine Wissler - Anständige Arbeitsbedingungen für Busfahrer schaffen

"Anständige Arbeitsbedingungen für Busfahrer schaffen"

Janine Wissler
Janine WisslerVerkehrWirtschaft und Arbeit

In seiner 27. Plenarsitzung am 11.12.2019 diskutierte der Hessische Landtag über gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne im öffentlichen Nahverkehr. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und verkehrspolitischen Sprecherin Janine Wissler

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Fast zwei Wochen lang haben die Beschäftigten des privaten Busgewerbes für höhere Löhne, für angemessene Pausenzeiten und für mehr Wertschätzung für ihren anspruchsvollen Beruf gestreikt. Das war eine schwere Zeit für viele Menschen, die auf die Busse angewiesen sind. Trotzdem hatten viele Fahrgäste Verständnis für die Streikenden.

Ich freue mich, dass heute die Betriebsräte der Busunternehmen, die Busfahrerinnen und Busfahrer und der ver.diStreikleiter auf der Besuchertribüne zu Gast sind. Ich will herzlichen Glückwunsch zu dem erfolgreichen Streik und zu der hohen Beteiligung sagen. Das Schlichtungsergebnis sieht deutliche Lohnsteigerungen vor. Das haben die Busfahrer erkämpft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das haben sie mehr als verdient.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Denn Busfahren ist ein fordernder Beruf. Sie müssen Fahrgäste befördern, Auskünfte geben und Fahrkarten verkaufen. Sie haben ihre Arbeit im Schichtdienst und auch an Wochenenden und an Feiertagen. Heute möchte ich einen Dank an all die richten, die diesen Beruf in Hessen ausüben.

(Beifall DIE LINKE und Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten))

Der Streik kam nicht aus dem Nichts. Er hat eine Vorgeschichte. Genau da liegt die Verantwortung des Landes und der Politik.

Seit etwa 20 Jahren wird in Hessen Busverkehr in großem Stil an private Unternehmen ausgeschrieben. Viele Stadtwerke mit Busbetrieben und Unternehmen, die anständig bezahlten, konnten diesem Kostendruck durch die Ausschreibungen nicht standhalten. Der Wettbewerb um den billigsten Preis fand auf dem Rücken der Beschäftigten statt. Kommunale Billigtöchter wurden gegründet, und europäische Konzerne drängten in den Markt. Von Ausschreibungsrunde zu Ausschreibungsrunde wurden die Angebote knapper kalkuliert. Die Umläufe wurden optimiert.

Das klingt gut, bedeutet aber z. B., dass kaum noch Busse an den Endstationen stehen. Die Fahrer müssen ihre gesetzlichen Pausenzeiten irgendwo am Waldrand ohne Toilette und unbezahlt machen. Das ist die Praxis in vielen Betrieben. Es gibt geteilte Schichten, wie es der Fahrplan gerade erfordert. Geld gibt es nur, wenn der Bus rollt.

Ich war während des Streiks in einigen Unternehmen. Einige Fahrer haben mir erzählt, wie ihr Alltag aussieht. Morgens haben sie eine Schicht, abends haben sie eine Schicht. Dazwischen fahren sie Taxi, um irgendwie über die Runden zu kommen. Viele Busfahrerinnen und Busfahrer gehen nach Dienstende einem zweiten Job nach. Sie haben 14-Stunden-Tage und mehr. Vielen Busfahrern droht trotzdem die Altersarmut, weil ihre Rentenansprüche gering sind. Ich finde, das sind unhaltbare Zustände.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist auch sicherheitsrelevant. Das wird der hohen Verantwortung nicht gerecht. Es geht um die Sicherheit der Fahrgäste und die Sicherheit der Schulkinder. Wir brauchen gut qualifizierte, ausgeruhte und angemessen bezahlte Busfahrer.

Es ist doch kein Zufall, dass Busfahrer verzweifelt gesucht werden. Das liegt doch nicht am Fachkräftemangel. Nein, das liegt an den unattraktiven Bedingungen in Hessen. Bisher lag der Stundenlohn in Hessen bei 13,50 €. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg sind es 16,60 €.

Dass die Abwärtsspirale in diesem Unterbietungswettbewerb ausgereizt ist, merkt man immer wieder, wenn in Hessen ein Anbieterwechsel stattfindet. Oft war das für die Fahrgäste eine Katastrophe. Von Personal- und Fahrzeugmangel war in der Presse zu lesen. Es wurde über Busfahrer geschrieben, die ihren Weg nicht finden und die Fahrgäste nach dem Weg fragen müssen. Es wird von Bussen berichtet, die morgens nicht mehr kommen, weil das Unternehmen plötzlich pleite ist. Denn es wurde zu knapp kalkuliert, um im Wettbewerb das billigste Angebot abgeben zu können.

Exemplarisch war doch das Chaos um die Verkehrsgesellschaft Mittelhessen, die von hessischen Mittelständlern gegründet, zwischenzeitlich von der Niederländischen Staatsbahn aufgekauft, 2013 dann von einem Schweizer Finanzinvestor übernommen und bald darauf in die Pleite geschickt wurde. Allein diese Vorgänge zeigen doch den Irrsinn in diesem Sektor, und wohin diese verheerende Privatisierungslogik führt, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Noch einmal: Diese Zustände sind Folge politischer Entscheidungen. Warum etwa ist die Bezahlung der Straßenbahnfahrer in Hessen selbstverständlich an den öffentlichen Dienst angelehnt, während das für die Busfahrer nicht gelten soll? Ich sage: Busfahrer müssten eigentlich städtische Beschäftigte sein, und zwar zu den Bedingungen des öffentlichen Dienstes.

(Beifall DIE LINKE)

Der Weg der Ausschreibungen im ÖPNV hat nur Verschlechterungen gebracht: Er hat zu deutlichen Lohnsenkungen geführt. Er hat zu einem Massensterben mittelständischer Verkehrsunternehmen geführt – bei wachsendem Einfluss internationaler Konzerne. Derweil stagniert das ÖPNV-Angebot, die Fahrpreise befinden sich im bundesweiten Vergleich auf Spitzenniveau.

Wir wollen die Verkehrswende – und dafür brauchen wir einen Qualitätsbusverkehr als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in der öffentlichen Hand.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zum Schluss. Wir freuen uns mit den Busfahrerinnen und Busfahrern über ein Schlichtungsergebnis, das einige der krassesten Schäden lindert. Aber viele Missstände bleiben. Langfristig werden sich die Arbeitsbedingungen nur dann grundlegend verbessern, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern, wenn der ÖPNV-Betrieb als öffentliche Aufgabe endlich wieder in der öffentlichen Hand liegt. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)