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Rede

Marjana Schott zum Antrag der FDP „Erzieherinnen und Erzieher verdienen jederzeit Wertschätzung und Anerkennung“

Marjana Schott
Marjana SchottGesundheit

Rede Marjana Schott am 24. Mai 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

Drei Jahre ist es bereits her, dass die Erzieherinnen und Erzieher und andere Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst gestreikt haben. Wir wissen, es gab kleinere Verbesserungen im Lohngefüge, aber keine tatsächlich neue Bewertung der pädagogischen Tätigkeiten.

Wenn jetzt die FDP von Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit von Erzieher*innen spricht, dann frage ich mich, weshalb sie nicht bereits beim Kifög und seitdem immer wieder auf eine bessere Finanzierung der Kindertagesbetreuung durch die Landesregierung gedrungen hat. Von Wertschätzung und Anerkennung kann man sich nicht viel kaufen, wenn der Lohn nicht für eine Wohnung im Rhein-Main-Gebiet reicht und wenn die Arbeitssituation eine Teilzeitbeschäftigung notwendig macht und damit Altersarmut droht. Davon kann man nicht mehr sprechen.

Auch Tarifverhandlungen können nur so gut ausgehen, wie die Kommunen in der Lage sind, höhere Tarife zu zahlen. Schließlich wird kein Mehrwert in der frühkindlichen Bildung produziert, um den sich Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen streiten können. Nein, der kommunale Arbeitgeberverband kann nur so viel zugestehen, wie die Mitglieder akzeptieren. Auch wenn wir mit dem Abschluss nicht glücklich waren, wissen wir um die begrenzten Möglichkeiten. Wenn die Kommunen allerdings mehr finanzielle Mittel zur Verfügung hätten, wäre eine Erhöhung der Tarife wie eine bessere Ausgestaltung der Personaldecke eher einzufordern.

Wir werden bei der Fachkräftegewinnung nicht erfolgreich sein, wenn der Arbeitsdruck in den Kindertagesstätten nicht gesenkt wird. Die Probleme liegen auf dem Tisch. Mehr als ein Fünftel der in den Bereichen Kinderbetreuung und Kindererziehung Beschäftigten geben an, an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu arbeiten. Kein Wunder, dass sich immer mehr aus dem Beruf verabschieden. Übereinstimmend sagen sie, dass sie ihren Beruf gerne weiter ausüben wollen, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen und die Arbeit nicht krank machen würden. Kein Wunder, dass gerade die Kolleginnen, die schon längere Zeit im Beruf sind, ihre Arbeitszeit verkürzen. Innerhalb von 15 Jahren hat sich die Teilzeitquote laut einer Untersuchung des iab um 45 Prozent erhöht.

Wir brauchen mehr Personal in den Kitas, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wir brauchen einen besseren Personalschlüssel, um es den Kolleginnen und Kollegen zu erleichtern, in ihrem Beruf zu bleiben und wieder Stunden aufzustocken. Der bessere Personalschlüssel setzt sich aus einem Anteil für die mittelbare pädagogische Arbeit und die Leitungsarbeit zusammen sowie den Ersatz für Ausfallzeiten.

All das ist mit der aktuellen Gesetzesänderung nicht passiert, so wird es weiterhin nicht genügend Personal geben. Das bedeutet aber auch, dass das noch vorhandene Personal krank wird, ausfällt, die verbleibenden noch mehr arbeiten müssen und die Kinder lediglich aufbewahrt werden. Nicht wenige Erzieher*innen sprechen offen darüber, dass sie keine andere Handhabe mehr haben. Dann brauchen wir aber auch nicht mehr von frühkindlicher Bildung und vom Bildungs- und Erziehungsplan sprechen. Das ist dann Makulatur.

Es reicht nicht auf Bundesebene einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung zu beschließen und dann mal zu schauen, was daraus wird. Auch wenn die bisherigen Vorschläge von der Bundesregierung unzureichend sind, ist ein Kitaqualitätsgesetz dringend erforderlich. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Hessische Landesregierung hier ausscheren will.

Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz, das Mindestqualitätsstandards für öffentliche Kindertagesbetreuung definiert und darüber hinaus sicherstellt, dass über diese Definitionen hinausgehende Qualität nicht abgesenkt wird. Die öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe brauchen Gestaltungsspielraum, der den regionalen Besonderheiten und Anforderungen Rechnung trägt.

Insbesondere für folgende Bereiche sind Qualitätskriterien zu entwickeln und festzuschreiben:

  • Fachkraft-Kind-Relation
  • Kompetenzprofile, Ausbildung, Qualifizierung und Weiterbildung der Fachkräfte
  • Zeit für Führungsaufgaben, Zeit für Vor- und Nachbereitung
  • wohnort- bzw. sozialraumnahe sowie inklusive Betreuung und Förderung
  • Raumgrößen, Ausstattung und Freiflächen
  • Anspruch auf Ganztagesbetreuung und Förderung unabhängig von der Situation der Eltern
  • Qualität der Essensversorgung
  • Attraktivität des Berufsfeldes, Arbeitsbedingungen und Prävention;

Außerdem muss es mit diesem Gesetz zu einer Neuregelung der Lastenverteilung bezüglich der Kinderbetreuungskosten zwischen dem Bund auf der einen Seite und den Ländern auf der anderen Seite kommen, die eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten der Kinderbetreuung und eine Entlastung der Kommunen zur Folge hat.

Die Bertelsmann-Stiftung hat der Landesregierung gerade in der Ü3-Betreuung schon mehrmals eine schlechte Erzieher-Kind-Relation attestiert. Wahrscheinlich der Grund, weshalb das Land aus der Ministerriege ausscherte, die das Kitaqualitätsentwicklungsgesetz forderte und die dauerhafte Finanzierung durch den Bund einforderte. Statt diesem zuzustimmen, scheint Hessen eher auf das Geld des Bundes verzichten zu wollen.