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Rede

Rede Marjana Schott zum Gesetzentwurf der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein „Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Altenpflegegesetzes“ | Zweite Lesung

Marjana Schott
Marjana SchottGesundheit

Rede Marjana Schott am 19. Juni 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist eine kleine Änderung im Altenpflegegesetz. Es geht nur darum, dass man nicht unbedingt den Hauptschulabschluss braucht, um sich für die Altenpflegehelferausbildung zu bewerben, sondern ihn während einer modellhaften Ausbildung nachmachen kann. Warum allerdings dabei auch die gesundheitliche Eignung für die Modellprojekte gestrichen wurde, erschließt sich mir mit.

Der erste Aufschrei, dass die Landesregierung die Voraussetzungen für die Altenpflegeausbildung herabsetzen will, ist verklungen. Der Hauptschulabschluss bleibt erforderlich für jeden und jede, die sich Altenpflegehelfer*in nennen will.

Wobei ich mich natürlich schon frage, was mit den InteA-Klassen ist, warum gehen so viele ohne Hauptschulabschluss von der Schule ab? Es gibt ja Maßnahmen, die die Jugendlichen durchaus erfolgreich zum Abschluss bringen. Wenn allerdings die Klassenfrequenzen hoch und die Stundenanzahl heruntergesetzt werden und nicht genügend Lehrkräfte vorhanden sind, wundert es mich nicht. Man sollte doch eher daran denken, das InteA-Programm auszuweiten – zum Beispiel auf drei Jahre, wie von Anzuhörenden gefordert wurde.

Alles andere an dem Gesetz ist unproblematisch? Auf den ersten Blick. Allerdings zeigte die Anhörung, dass die Bedingungen für die Modellprojekte nicht stimmen. Die Maßnahmen, die die Landesregierung bisher ergriffen hat, sind nicht ausreichend sind, um Menschen den Quereinstieg in die Ausbildung zu ermöglichen. Dabei wäre es so einfach gewesen von Anfang an, die mit zu bedenken. Ich habe mich schon gefragt, mit wem Sie Ihre Projekte planen. Alle Argumente von den Altenpflegeschulen, den Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, den Organisationen, die mit Quereinsteiger*innen zu tun haben, die haben Sie entweder im Vorfeld nicht einbezogen oder geflissentlich überhört. Nicht umsonst gibt es ein vorgeschriebenes Verfahren mit einer Regierungsanhörung. Sie umgehen dies aber ständig, indem die Regierung Schwarzgrün die Gesetzesanträge schreibt. Aber auch ohne diese Anhörung wären es Selbstverständlichkeiten gewesen, die man bei der Etablierung eines Modellprojektes bedenken sollte. Ich bin mal gespannt, ob Sie jetzt für alle diese Probleme Lösungen gefunden haben.


  1. 1. Hindernis
    Es ist nicht möglich ist, dass Auszubildende Leistungen nach dem SGB XII bekommen. Da es sich aber um eine Teilzeitausbildung handelt, verdienen die Altenpflegeschüler*innen nur die Hälfte der Ausbildungsvergütung. Von einem Einkommen in Höhe von etwa 500 Euro pro Monat kann niemand leben. Wenn jetzt die Ausbildungsvergütung erhöht wird, ist die Frage, wer diese zahlt, die Einrichtung und damit die Pflegebedürftigen, die Kommunen oder das Land? Da es im Interesse des ganzen Landes sein muss, da es im Interesse des ganzen Landes ist, genügend gut qualifizierte Altenpflegekräfte zu haben, ist die Landesregierung gefordert, die Vergütung aufzustocken. Und nicht nur auf 700 Euro, wie es in der Anhörung genannt wurde, sondern auf einen Betrag, von dem man leben kann.

In anderen Bundesländern gibt es einen Erlass der Landesregierung, die den Leistungsausschluss aus dem SGB XII verhindert.

  1. 2. Hindernis
    Die Ausbildungsduldung gilt nicht für Helferberufe. Ich will jetzt nicht allgemein über Duldungen sprechen, das ist und bleibt ein unwürdiger Zustand für Menschen, wenn die Abschiebung lediglich ausgesetzt ist. Warum diese Duldung für Helferberufe nicht gilt, verstehe ich allerdings nicht. Schließlich will die Wirtschaft doch günstige Arbeitskräfte. Im Vorgriff einer bundesweiten Regelung – wobei ich dies hier mit Vorsicht anmerke in der aktuellen Situation der Bundesregierung – kann die Landesregierung ebenfalls einen Erlass an die Ausländerbehörden herausgeben, dass diese eine Ermessensduldung erteilen sollen.
  1. 3. Hindernis bzw. Problem für die Schulen

Das Schulgeld wird zwar für die die Vollzeitausbildung gezahlt, aber nur für die Altenpflegehilfskräfte. Dies ist aufgrund der Anforderungen für die Ausbildungseinrichtungen nicht sachgerecht. Hier muss nachgesteuert werden. Immerhin geht es um Menschen, die als Quereinsteiger*innen kommen, da ist es egal, ob es Schüler*innen mit oder ohne Fluchthintergrund sind. Dies ist auf jeden Fall Mehraufwand.

Was ich allerdings überhaupt nicht verstehe ist, warum man bei einem solchen Modellprojekt keine sozialpädagogische Begleitung vorsieht. Das ist fahrlässig. Es wird sicher Probleme geben, die die Schüler*innen aus ihrer persönlichen Situation mitbringen, die während der Maßnahme entstehen, weil Lebensverhältnisse nicht geklärt sind, die im praktischen Einsatz in der Altenpflegeeinrichtung entstehen, das ist von den Lehrkräften nicht zu leisten. Die Träger waren ja sehr zurückhaltend in ihrer Forderung von einer halben Stelle für eine Sozialpädagogin pro Schule. Ich würde dies eher pro Klasse ansetzen. Aber das wäre doch das Mindeste, was das Land an finanzieller Unterstützung für die Schulen leisten müsste. Zusätzlich sollte die Fachkraft bereits in die Vorbereitung und Auswahl der Auszubildenden einbezogen und somit mehrere Monate vor dem Schuljahr eingestellt werden.

Die Schüler*innen müssen wissen, was auf sie zukommt, dafür ist ein gutes Auswahlverfahren notwendig. Es darf keinerlei Druck ausgeübt werden, nicht von den Jobcentern, aber auch nicht davon, dass man ansonsten Angst haben muss, abgeschoben zu werden. Das ist für eine solche Berufswahl nicht hilfreich. 

Ganz wichtig ist, dass in den Altenpflegeeinrichtungen darauf geachtet wird, dass die Schüler*innen gut angeleitet werden. Wir wissen, dass bei der prekären Personalsituation in den Pflegeeinrichtungen oft keine Zeit bleibt. Dies wäre aber im Hinblick auf die Zielgruppe der Quereinsteiger*innen fatal.

Die eigentliche gesetzliche Änderung ist nicht das Problem, weil ich durchaus möchte, dass ein Quereinstieg in Berufe möglich ist, allerdings ist die gesamte Modellmaßnahme so unausgegoren, dass wir ihr nicht unsere freudige Zustimmung geben können. Da bleibt uns nur die Enthaltung.

Die Altenpflege braucht Entlastung, sie braucht mehr gut ausgebildetes Personal, sie braucht mehr Anerkennung und Wertschätzung, höherer Vergütungen und mehr Aufmerksamkeit. Das ist mit dieser Maßnahme nicht annähernd möglich. Wenn wir Glück haben, werden einige von den 480 Schüler*innen in der Altenpflege bleiben, die Ausbildung tatsächlich absolvieren und ihre berufliche Zukunft darin finden.

Eine kleine Maßnahme auf einen sehr heißen Stein.

Immer weniger Pflegekräfte müssen immer mehr multimorbide Bewohner*innen versorgen. Da wundert doch der Personalmangel nicht. Das wird sich auch nicht ändern, solange sich nicht die Arbeitsbedingungen geändert haben. Bessere Bezahlung, bessere Personalschlüssel, mehr gesellschaftliche Anerkennung. Das muss schon drin sein. Dann gibt es auch wieder mehr Menschen, die den Beruf ergreifen wollen oder bereit sind weiter in dem Beruf zu arbeiten oder ihre Arbeitszeit aufzustocken. Das sind die Initiativen, die wir von der Landesregierung erwarten.