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Rede

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend klares Zeichen gegen Atomwaffen setzen – friedenspolitisches Engagement und Aufklärung unterstützen

Jan Schalauske
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Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 31. August 2017

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Morgen am 1. September begehen Gewerkschaften, Friedensinitiativen, die politische Linke und viele mehr den Antikriegstag, den die DGB-Gewerkschaften in den 1950er Jahren unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ ins Leben gerufen haben, um an die Schrecken von Faschismus und Weltkrieg zu erinnern und ein Zeichen gegen Krieg und Aufrüstung zu setzen.

Die Fraktion DIE LINKE ist der festen Überzeugung, dass dieser wichtige Gedenktag, ein mehr als geeigneter Anlass für eine Debatte über Frieden und Abrüstung im Hessischen Landtag ist.

Ein anderes bedeutendes Datum ist der 7. Juli 2017. Am 7. Juli 2017 wurde in den Vereinten Nationen in New York über einen Atomwaffenverbotsvertrag abgestimmt. Über 120 Staaten haben für die Annahme dieses Vertrags gestimmt. Damit wurde ein Prozess eingeleitet, an dessen Ende im Laufe dieses Jahres eine völkerrechtlich verbindliche Ächtung von Atomwaffen stehen wird. Dieser Vertrag ist nicht weniger als ein großer Hoffnungsschimmer für die Menschheit!

Die Zeiger der Weltuntergangsuhr, einer symbolischen Uhr, welche US-amerikanische Atomwissenschaftler verwenden, um der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, wie groß – nach Meinung der Wissenschaftler – das derzeitige Risiko eines Atomkrieges ist, steht 2,5 Minuten vor Zwölf. Die Wissenschaftler warnen: „Die Möglichkeit einer globalen Katastrophe ist sehr hoch. Maßnahmen, um das Risiko einer Katastrophe zu minimieren, müssen schnell ergriffen werden.“

Im Übrigen: Das letzte Mal, dass die Gefahr eines Weltuntergangs so hoch eingeschätzt wurde, war 1984 – als die Beziehung zwischen den beiden Supermächten USA und Sowjetunion einen Tiefpunkt erreicht hatte.

Im Bereich der atomaren Waffen beunruhigen die Forscher zahlreiche Entwicklungen: der Ausbau und die Erneuerung des Atomwaffenarsenals in den USA, Russland sowie in Indien und Pakistan; darüber hinaus die Pläne Nordkoreas, Atomwaffen zu testen und die Sprengkraft ihrer Bomben auszubauen. Seit ihrer jüngsten Analyse hat sich der Konflikt zwischen Nordkorea und den USA noch weiter verschärft.
Der US-amerikanische Präsident Donald Trump prahlt, sein Atomwaffenarsenal sei stärker als jemals zuvor! Und droht Nordkorea mit "Feuer und Zorn, wie es die Welt noch nicht gesehen hat".

Mit wechselseitigen Drohgebärden, Raketentests und Militärübungen eskalieren Kim Jong-Un und Donald Trump den Konflikt.

Das atomare Säbelrasseln um Nordkorea und den Konflikt auf der koreanischen Halbinsel macht vielen Menschen Angst und scheint die Menschheit einer nuklearen Katastrophe so nahe zu bringen, wie seit Jahrzehnten, vielleicht seit der so genannten Kuba-Krise nicht mehr.

Diese Entwicklungen zeigen: Der Fortbestand von Atomwaffen ist eine der größten Gefahren für die Sicherheit der gesamten Menschheit.

Notwendig ist eine Politik, die sich für atomare Abrüstung einsetzt. Was aber müsste eine Bundesregierung tun, welche die atomare Abrüstung voranbringen möchte?

Erstens: Den "Vertrag über das Verbot von Kernwaffen" im Rahmen der Vereinten Nationen ratifizieren. Bisher hat die Bundesregierung sich nicht an den Verhandlungen beteiligt. Es ist völlig inakzeptabel, dass diese deutsche Regierung, die sonst so schnell dabei ist, mit dem Wunsch eine Führungsrolle in der Welt und militärische Verantwortung zu übernehmen, nicht in der Lage zu sein scheint, Verantwortung für das Verbot von Atomwaffen zu übernehmen.

Zweitens: Aus der NATO-Strategie der "nuklearen Teilhabe" aussteigen und zukünftig einen Einsatz von Atomwaffen durch Bundeswehrpersonal weder einüben zu lassen noch Trägersysteme dafür bereitzustellen und auch keine anderweitige Unterstützung für den Einsatz oder die Vorbereitung des Einsatzes leisten.

Drittens: Sich für einen Abzug der US-Amerikanischen Atomwaffen aus Büchel in der Eifel einzusetzen und keine Stationierung neuer US-Amerikanischer Atomwaffen in Deutschland zuzulassen. In Büchel in der Eifel lagern nach Recherchen der IPPNW ca. 20 Atombomben.

In dieser Situation begrüße ich es ausdrücklich, dass der SPD-Vorsitzende Martin Schultz den Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland fordert. Aber bloße Lippenbekenntnisse reichen nicht aus. Auch die ehem. Außenminister Guido Westerwelle und Frank Walter Steinmeier hatten den Abzug gefordert. Gefolgt ist diesen Ankündigungen leider nichts. Im Gegenteil: In der Vergangenheit haben die Regierungen aller Couleur nicht ab, sondern aufgerüstet. Allein unter der großen Koalition (CDU und SPD) ist der Militärhaushalt von 32,8 Mrd. auf 37 Milliarden gestiegen.

An die Kolleg/innen der SPD: Wer den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland wirklich erreichen will, der darf sich nicht hinter „europäischen Lösungen“ verstecken, wie die SPD in ihrem Wahlprogramm, sondern der muss offensiv gegenüber den USA auf einen Abzug der US-Atomwaffen drängen.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung jedenfalls hätte man auf seiner Seite. Die große Mehrheit der Menschen in unserem Land ist für ein Verbot und eine Verschrottung von Atomwaffen.
Nun werden Sie behaupten, das Thema habe im Landtag nichts zu suchen. Von wegen!

Erstens: Die Gefahr eines Einsatzes von Atomwaffen, die Gefahr einer nuklearen Katastrophe macht keinen Halt vor der Landesgrenze Hessens. In diesem Wissen haben sich im Zusammenhang mit der Friedensbewegung der 1980er Jahre gegen den NATO-Doppelbeschluss beispielsweise viele Kommunen zu atomwaffenfreie Zonen erklärt, darunter auch viele in Hessen.

Ein anderes Beispiel: Jedes Jahr am 8. Juli wird am Rathaus meiner Heimatstadt Marburg die Mayors for Peace-Flagge gehisst. Marburg ist, wie In Hessen über 40 Städte und Gemeinden, Mitglied im Bündnis „Bürgermeister für den Frieden“.

Die „Bürgermeister für den Frieden“ sind eine Organisation, die als Mayors for Peace 1982 durch den Bürgermeister von Hiroshima gegründet worden ist und sich für Frieden und atomare Abrüstung einsetzt. Ich finde, der Hessische Landtag könnte sich an diesem Engagement ein Beispiel nehmen und es entsprechend würdigen.

Zweitens: In der Hessischen Verfassung, unserem Staatsgrundsatz, wurden die Lehren aus Faschismus und Weltkrieg gezogen. In Artikel 69 HV heißt es: "Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet. Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig." Unsere Verfassung verpflichtet uns gerade dazu, in
diesem Landtag ein deutliches Zeichen für Frieden und Abrüstung zu setzen.

Drittens: Bereits in den 1950er Jahren wurde hier im Hessischen Landtag über Wiederbewaffnung und Aufrüstung debattiert. Es war u.a. der SPD-Ministerpräsident Georg-August Zinn, der die Militarisierungspläne von Adenauer und den USA ablehnte.

Abschließend: Kriege, Krisen und Konflikte in der Welt nehmen zu. Rüstungsproduktion und Waffenexporte steigen. Millionen Menschen werden in die Flucht getrieben. Noch immer ist eine militärische Konfrontation zwischen NATO/USA und Russland nicht aus der Welt, die Atomwaffen nicht verschrottet. In Deutschland wird diskutiert den Rüstungshaushalt um 30 Milliarden zu erhöhen. Diese Mittel fehlen dann, um hessische Schulen zu sanieren oder die KiTa-Betreuung wirklich kostenfrei zu gestalten.

Sie sehen: Es gibt Gründe genug, am Antikriegstag an vielen Orten in Hessen gemeinsam mit Gewerkschaftern, Friedensinitiativen und der politischen Linken auf die Straße zu gehen und ein deutliches Zeichen für Frieden und Abrüstung zu setzen. Dazu sind alle eingeladen, die etwas zu friedlichen Konfliktlösungen beitragen wollen.