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Rede

Saadet Sönmez zum Haushalt 2021 - Bereich Migration

Saadet Sönmez
Saadet SönmezHaushalt und FinanzenMigration und Integration

In der 61. Plenarsitzung am 9. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Haushalt des Landes Hessen für das Jahr 2021. Für den migrationspolitischen Bereich sprach unsere migrationspolitische Sprecherin Saadet Sönmez.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Das auslaufende Jahr war für uns alle, aber insbesondere für die Migranten-Community in Hessen, ein besonders schweres Jahr. Am 19. Februar kam es zu dem schrecklichen rassistischen Terroranschlag in Hanau. Die Zunahme der Gefahr von rechts war das ganze Jahr zu spüren. Der strukturelle und alltägliche Rassismus macht den Hessinnen und Hessen mit Migrationshintergrund das Leben in diesem Lande immer schwerer. Die Landesregierung muss in diesem Bereich mehr tun, um die Betroffenen vor Rassismus und rechter Gewalt zu schützen und die Betroffenen zu unterstützen.

(Beifall DIE LINKE)

Zwar hat die Landesregierung kurz nach dem Anschlag in Hanau ein Soforthilfeprogramm für die Hinterbliebenen und die Opfer bereitgestellt; das war mit Sicherheit richtig, gut und wichtig. Allerdings muss man heute sagen, dass die Summe nicht ausgereicht hat. Neben der Trauer, dem Schmerz und dem Verlust, den diese Menschen weiterhin erleiden müssen, sind viele von ihnen jetzt auch noch von Existenzängsten geplagt. Das darf so nicht bleiben, meine Damen und Herren.

Die 600.000 €, die im „Förderprogramm Hanau“ 2020 bereitgestellt wurden, dienen – anders, als teilweise der Anschein erweckt wurde – nicht der unmittelbaren Hilfe für die Opfer und die Angehörigen. Wir brauchen eine direktere und vor allem eine schnelle finanzielle Unterstützung für die Angehörigen, aber auch einen Fonds für die Opfer rassistischer Gewalt insgesamt. Das ist das Mindeste, was wir tun können, damit sich diese Menschen in ihrer Not nicht alleingelassen fühlen und sich nicht wie Bittsteller fühlen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Auch für den Umgang mit rassistischer Diskriminierung braucht es mehr Unterstützung vor Ort. Zwar gibt es die hessenweite Beratungsstelle Response und die Beratungsstelle ADiBe, die Menschen unterstützt, die Opfer von rassistischer Diskriminierung durch die Polizei, durch Vermieter, durch Arbeitgeber, durch Nachbarn, in den Schulen usw. werden. Für eine effektive und bürgernahe Beratung und Begleitung braucht es in jedem Landkreis kommunale Antidiskriminierungsstellen, die sich mit den bestehenden Strukturen gegebenenfalls vernetzen können.

Auch in Hessen werden morgen, am Tag der Menschenrechte, zahlreiche Kundgebungen stattfinden. Die meisten davon befassen sich mit der Situation der Flüchtlinge und mit den menschenverachtenden Lebensumständen, denen diese Menschen ausgesetzt sind: den Todesgefahren auf der Flucht, der verheerenden Situation in den Lagern, z. B. in Moria, der menschenunwürdigen Situation in den Sammellagern weltweit, aber auch hierzulande.

Hessen könnte da eigentlich helfen. Darauf will ich mit Blick auf den Koalitionsvertrag aufmerksam machen. Ein gelegentlicher Blick in diesen Vertrag täte gut, z. B. im Hinblick auf das Landesaufnahmeprogramm, das die Koalitionspartner in ihrem Vertrag eigentlich vereinbart haben. Darauf warten wir immer noch.

Generell muss man festhalten: Die Mittel für die Flüchtlingsunterbringung und die Integration werden gekürzt, während die Ausgaben für Abschiebungen und sogenannte freiwillige Ausreisen steigen. Das kann man sehr schön aus der tabellarischen Übersicht im Einzelplan 08 erkennen. Dort sind die Ausgaben für Flüchtlinge und Asylsuchende für die Jahre 2021 und 2022 gegenübergestellt und aufgelistet.

In dem Zusammenhang fällt mir eine Bemerkung zum Einzelplan 03 ein. Da werden unter „Ausgaben für Flüchtlinge“ subsummiert: Stärkung des Polizeivollzugsdienstes, Verstärkung der Wachpolizei, Verstärkung des Verfassungsschutzes. – Meine Damen und Herren, der Ausbau der Sicherheitsbehörden als flüchtlingspolitische Maßnahmen darzustellen, lässt wirklich tief blicken.

(Beifall DIE LINKE)

Sie sehen Flüchtlinge in erster Linie als ein Sicherheitsrisiko und nicht als Schutz suchende Menschen. Wir hingegen wollen diesen Menschen ein wirkliches Ankommen ermöglichen – das wollen nicht alle Menschen in diesem Parlament –, sodass sie Teil der Gesellschaft werden und sich in diese Gesellschaft einbringen, statt dass wir Millionenbeträge dafür ausgeben, sie zur Ausreise in Länder wie Syrien und Afghanistan zu drängen und einen Abschiebeknast zu unterhalten.

(Zurufe CDU)

– Darüber lässt sich streiten, aber das ist in diesem Rahmen jetzt nicht möglich.

Ich komme zum Schluss. Eine Gruppe von Migrantinnen und Migranten liegt der Landesregierung sehr am Herzen: die Heimatvertriebenen. Unter dem Titel „Integrationsmaßnahmen für Spätaussiedler“ werden für gerade einmal 50 Personen 800.000 € für einen Deutschunterricht ausgegeben. Davon können andere Menschen nur träumen. Aber auch die finanzielle Unterstützung von Vertriebenenverbänden müsste einmal unter die Lupe genommen werden, weil die sogenannten Vertreterinnen und Vertreter von Spätaussiedlerinnen, Spätaussiedlern und Vertriebenen in den letzten Jahren mit völkischen Aussagen und verharmlosenden Aussagen über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust aufgefallen sind. Daher sollte man prüfen, ob diese Unterstützung und Förderung wirklich gut platziert sind.

(Beifall DIE LINKE)