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Rede

Torsten Felstehausen - Sicherheitsbedenken für K+S Giftmülldeponie konnten nicht ausgeräumt werden

Torsten Felstehausen
Torsten FelstehausenUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 63. Plenarsitzung am 11. Dezember 2020 diskutierte der Hessische landtag über die Änderung des Staatsvertrags zur Kaliförderung zwischen Hessen und Thüringen. Dazu die Rede unseres umweltpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Ja, wir stehen vor einem großen Problem bei der Entsorgung der Produktionsabwässer und anderer Produktionsrückstände bei Kali + Salz. Dieses Problem ist seit Jahrzehnten bekannt. Seit Jahrzehnten wird es hier diskutiert. Seit Jahrzehnten sucht K+S nach Lösungen, und wir streiten über die Fragen: Was ist eigentlich der richtige Weg? Welche Alternativen gibt es?

Eben ist es schon aufgezeigt worden: Das Einleiten der Produktionsabwässer in die Werra – ich glaube, dass wir uns darin alle einig sind – ist nicht zukunftsfähig und muss so schnell wie möglich zu Ende gebracht werden, um einen guten ökologischen Zustand der Werra herzustellen.

Der zweite Weg der Entsorgung, das Verpressen der Produktionsrückstände in den Untergrund, hat sich als fatal erwiesen. Das Grundwasser wird gefährdet; die ganze Region wird gefährdet. Auch das muss schnellstmöglich beendet werden. Leider – aus unserer Sicht – wird das noch bis Ende 2021 weitergehen.

Auch der dritte bisher gewählte Entsorgungsweg, nämlich das Aufhalden, haldet nicht nur das Salz, sondern haldet auch große Probleme in der Zukunft auf. Niemand weiß bisher, wie diese Halden irgendwann abgebaut werden sollen.

Wir brauchen also eine Lösung. DIE LINKE hat sich immer dafür starkgemacht und hat das Verfahren, das jetzt im Raum steht, mit ins Spiel gebracht, nämlich die Einstapelung von Produktionsresten in die offengelassenen Bergwerke unter Tage. Dafür sind verschiedene Verfahren möglich: die flüssige Einstapelung, die jetzt Gegenstand des Genehmigungsverfahren ist, und die feste Einstapelung. Die Firma K-UTEC hat dort sehr viel geforscht und verschiedene Vorschläge gemacht, wie so etwas aussehen kann. K+S hat sich jetzt für den Weg entschieden, flüssig im flachen Bergbau einzustapeln. Dazu soll dieser Staatsvertrag geändert und die Markscheide durchörtert werden.

Dazu haben wir eine Anhörung durchgesetzt und durchgeführt. Das Ergebnis dieser Anhörung ist, dass es erhebliche Bedenken gibt, den Entsorgungsweg der flüssigen Einstapelung, wie jetzt geplant, tatsächlich zu gehen. Im schriftlichen Anhörungsverfahren sind schwerwiegende Argumente gegen die Verfüllung der Grube in Springen mit Salzlauge aus der Kaliproduktion genannt worden. Die Lösungsprozesse, die möglicherweise auftreten, können die Standsicherheit der Grube so herabsetzen – so sagen zumindest die Experten, die angehört worden sind –, dass ein Bergsturz nicht auszuschließen sei. Ich glaube, alle meine Vorrednerinnen und Vorredner haben das eben erwähnt.

Darüber hinaus würde die Lauge am Ende direkt an der Markscheide anliegen und damit langfristig die Standsicherheit dieser Markscheide, die so wichtig ist, in Gefahr bringen. Warum diese Markscheide so wichtig ist, ist uns auch allen klar. Sie trennt die beiden Grubenreviere und sichert in Hessen die Untertagedeponie Herfa-Neurode und damit die größte Giftmülldeponie, die wir in Europa haben.

Ich möchte die Ergebnisse der Anhörung zusammenfassen. Es wurde gesagt, die flüssige Einlagerung der Produktionsabwässer erhöhe die Standsicherheit der Grube Springen nicht. Die flüssige Einlagerung könne nicht die Grundwasserzutritte stoppen. Dies erhöhe das Gefahrenpotenzial für einen Bergsturz, und die flüssigkeitsgefüllten Stollen könnten das damit verbundene Gefahrenpotenzial bei einem Bergsturz deutlich erhöhen.

Im Thüringer Teil dieses Bergwerkes gab es schon Bergstöße. Was passiert mit einer flüssig eingestapelten Salzlauge, wenn der Druck von 800 bar auf diese Salzlauge drückt? Das ist logisch: Aus allen Löchern und in alle Richtungen wird sich diese Salzlauge verbreiten. Sie wird gegen den Markscheidepfeiler drücken. Wenn nicht sichergestellt ist, dass das Rollloch, das jetzt gebohrt werden soll, das langzeitsicher verschließen kann, ist tatsächlich die Untertagedeponie Herfa-Neurode in Gefahr.

Das alles – da haben Sie völlig recht, Frau Gronemann, denn auch ich bin kein Bergbauexperte – sind aber Szenarien, die dargestellt worden sind. Wir haben die Verantwortung, dies sehr genau zu prüfen und – an dieser Stelle unterscheidet sich unser Vorgehen – uns erst davon überzeugen zu lassen, dass dieses Verfahren tatsächlich langzeitsicher ist, um dann erst einen Staatsvertrag zu unterschreiben, der das Ganze ermöglicht.

Frau Gronemann hat gerade ausgeführt – die Frau Ministerin hat das eigentlich auch im ersten Teil der Anhörung bis zu meiner konkreten Nachfrage gesagt –, der Staatsvertrag sei aber doch die Voraussetzung, um in das Genehmigungsverfahren einzutreten.

(Ministerin Priska Hinz: Die Prüfung, ja!)

Jetzt habe ich noch einmal nachgefragt: Das Genehmigungsverfahren läuft bereits.

(Widerspruch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe – Glockenzeichen)

Die Prüfunterlagen liegen dem Ministerium bereits vor.

(Ministerin Priska Hinz: Uns nicht, um Gottes willen!)

– Sie sind bereits eingereicht. – Das heißt, der kausale Zusammenhang, nach dem wir erst einen Staatsvertrag brauchen, um dann erst in die Prüfung eintreten zu können, ist nicht richtig.

Das ist der entscheidende Punkt, weshalb wir an dieser Stelle als LINKE sagen: Wenn wir Verantwortung übernehmen wollen, dann, bitte schön, für eine Lösung, bei der auch dokumentiert ist, bei der auch geprüft ist, dass sie funktioniert. Dann können Sie auch unsere Zustimmung erwarten, aber doch nicht andersherum.

Sie stellen das Verfahren tatsächlich auf den Kopf. Sie sagen: Wir sprechen jetzt eine Genehmigung aus. Wir ändern jetzt einen Staatsvertrag, der aus gutem Grund einmal so beschlossen worden ist. Wir geben das jetzt frei, sodass etwas geändert werden kann. Erst anschließend prüfen wir.

Wir sind der Meinung, wir müssen es genau andersherum machen. Wir brauchen eine intensive Prüfung. Dafür gibt es Fachleute. Die sitzen tatsächlich im Bergamt. Die sollten diese Prüfung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vornehmen. Dann entscheiden wir darüber, ob der Staatsvertrag geändert wird oder nicht geändert wird. So gehen wir genau in die verkehrte Richtung.

Aus unserer Sicht muss ergebnisoffen geprüft werden. Ergebnisoffen heißt für uns – –

(Hans-Jürgen Müller (Witzenhausen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann brauchen wir das nächste Mal auch keine Ausschusssitzung und keine Anhörung mehr!)

– Das sind doch genau die Ergebnisse der Ausschusssitzung und der Anhörung, die ich hier vortrage. Genau damit müssen wir uns beschäftigen. Genau das ist doch unsere Verantwortung. Wir können doch nicht einfach sagen: Wir haben da ein Bergamt, das regelt das für uns. – Nein, wir haben im Rahmen des Staatsvertrages die Verantwortung dafür, ob wir es letztlich freigeben oder nicht. Deshalb müssen wir von den Experten überzeugt werden. Das ist die richtige Reihenfolge.

(Beifall DIE LINKE)

Noch einmal etwas zur ergebnisoffenen Prüfung. Die Firma K-UTEC hat verschiedene Varianten vorgeschlagen und verschiedene Prozesse ins Spiel gebracht, wie so etwas gemacht werden kann. Unter anderem hat die Firma KUTEC vorgeschlagen, die Einstapelung mit Zuschlagsstoffen so vorzunehmen, dass die eingestapelte Lauge nach Ablauf von drei bis fünf Jahren tatsächlich aushärtet und langfristig vom flüssigen in den festen Zustand übergeht.

Ja, meine Damen und Herren, dieses Verfahren kostet mehr Geld. Das ist richtig. Wir sind aber der Meinung, dieses Geld muss aufgewandt werden für eine langfristige Standsicherheit der Grubengebäude. Damit sichern wir die Arbeitsplätze: nicht dadurch, dass wir ein zusätzliches Risiko eingehen, sondern dadurch, dass eine Einstapelung in der Form passiert, dass das Grubengebäude tatsächlich gesichert wird, dass langfristige Schäden ausgeschlossen werden.

Wenn wir von langfristig reden, reden wir nicht nur über die nächsten 60 Jahre, in denen K+S den Abbau dort noch betreiben will. Die Verantwortung, die wir haben, geht weit darüber hinaus. Die Standsicherheit muss für Jahrhunderte und Jahrtausende gegeben sein. Das muss in den Prüfverfahren nachgewiesen werden.

Meine Damen und Herren, dann sind wir durchaus bereit, einem solchen Staatsvertrag zuzustimmen. Das darf aber nicht in der umgekehrten Reihenfolge gemacht werden, sodass erst eine pauschale Freigabe gegeben wird und nachher geprüft wird. Damit würden wir die Möglichkeiten, die wir als Parlament haben, aus der Hand geben. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)