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Rede

Torsten Felstehausen zum Open-Data-Gesetz

Torsten FelstehausenDaten- und VerbraucherschutzDigitalisierung

In seiner 86. Plenarsitzung am 9. November 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Open-Data-Gesetz. Dazu die Rede unseres Parlamentarischen Geschäftsführers und digitalpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident – vielen Dank für das Wort –, meine Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf der FDP weist auf ein weiteres Versäumnis der Landesregierung und der Koalition von Schwarz-Grün hin. Open Data ist und war kein Begriff, mit dem diese Landesregierung irgendetwas anfangen kann, geschweige denn, ihn mit Inhalten füllen könnte. (Beifall Freie Demokraten) Open Data steht eben für einen völlig anderen Denkansatz in der Digitalpolitik und vor allem für einen anderen Denkansatz im Staatsverständnis. (Zuruf Oliver Stirböck (Freie Demokraten)) – Ja, es geht weiter. – Denn dieser Ansatz bricht mit einem obrigkeitsstaatlichen Gedanken, nach dem der Bürger eben nicht wissen soll, was und zu welchem Anlass der Staat von ihm an Daten erhebt, verarbeitet oder speichert; und er fordert, öffentliche Daten auch in öffentliche Hände zu nehmen. Ich habe einmal nachgeschaut. In einem einzigen Satz im Koalitionsvertrag ist der Begriff Open Data zu finden. Dort heißt es – ich zitiere –: Wir wollen eine Darstellung der wichtigsten Daten des Haushaltsplans in Form eines interaktiven Haushalts mit aussagefähigen Grafiken für jeden zugänglich auf der Homepage des hessischen Finanzministeriums schaffen (Open Data). Meine Damen und Herren von den regierungstragenden Fraktionen, wenn Sie dies unter Open Data verstehen, dann kann ich nur sagen: Ihnen fehlt jegliches Grundverständnis von Datensouveränität, und Sie sind in der aktuellen netzpolitischen Diskussion nicht anschlussfähig.(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Freie Demokraten) Ich will auch ganz kurz begründen, warum ich zu diesem Schluss gekommen bin. Open Data heißt nämlich nicht, dass Sie festlegen, welche Daten des Haushalts maschinenlesbar veröffentlicht werden. Open Data heißt, alle Daten des Haushalts werden veröffentlicht. Open Data heißt eben nicht, dass Sie festlegen, welche Daten auf Ihrer Homepage interaktiv dargestellt werden, sondern dass diese Daten als Rohdaten allen Unternehmen, Verbänden, Bürgern und der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden und sie die so weiterverarbeiten können, wie es ihren Zielen und ihren Zwecken entspricht, an einem Ort, den sie festlegen. Das ist der große Unterschied zwischen dem Ansatz Open Data, der in dem Gesetzentwurf formuliert wird, und Ihrem Selbstverständnis. (Beifall DIE LINKE und Oliver Stirböck (Freie Demokraten)) Daher begrüßen wir als LINKE auch den Gesetzentwurf der FDP, auch wenn er auch uns an vielen Stellen noch nicht weit genug geht. Er fordert die Landesregierung dazu auf, Sorge zu tragen, dass die von ihr erhobenen Daten auch allen Bürgerinnen und Bürgern, der Wissenschaft, Wirtschaftsunternehmen und Verbänden frei zugänglich sein sollen. Dafür braucht es eine Strategie, die das Prinzip der Datensouveränität von Anfang an mitdenkt, sozusagen Open Data by Design, und das von Anfang an. Dieses Prinzip, Open Data by Design, bedeutet, das Prinzip der Transparenz so von Anfang an mitzudenken und so in Datenbanken anzulegen, dass die Daten über standardisierte Schnittstellen abgerufen werden können. Deshalb ist Open Data kein technisches Problem, sondern ein Problem des Selbstverständnisses dieser Landesregierung. (Beifall DIE LINKE, Stephan Grüger (SPD) und Oliver Stirböck (Freie Demokraten)) Aber leider werden in diesem Gesetzentwurf die gleichen Fehler gemacht, wie sie schon im Hessischen Datenschutzund Informationsfreiheitsgesetz zu finden sind. Diese Norm adressiert eben nur an die Landesbehörden und klammert die Kommunen leider völlig aus. Aber genau dort liegt der eigentliche Datenschatz. Über 80 % der relevanten Daten liegen auf den Servern der Gemeinden und der Städte. Das sind Daten zu Verkehrsaufkommen und Parkplätzen, das sind Daten zu Flächen und Bauplätzen, das sind Daten zu meteorologischen Ereignissen, die die Landwirtschaft nutzen könnte, und vieles mehr. Wenn diese Datenschätze zugänglich gemacht werden sollen, dann muss das Recht auf Datenfreiheit eben auch für Kommunen gelten. Sicherlich, das werden insbesondere die kleineren Kommunen nicht selbst stemmen können. Hier ist die Hilfe des Landes ebenso sinnvoll wie erforderlich. Schauen Sie doch einmal, wie viele hessische Kommunen der Aufforderung der Landesregierung nachgekommen sind, sich eine eigene Satzung für Informationsfreiheit zu geben. Das können Sie an einer Hand abzählen. Sie adressieren zwar, das sollen die Kommunen tun; aber es wird letztendlich nicht umgesetzt. Das darf aus der Sicht der LINKEN bei dem Prinzip von Open Data nicht auch passieren. (Beifall DIE LINKE) Deshalb fordern wir als LINKE, dass für alle Daten ohne Personenbezug, die von den Behörden erhoben werden, im 6954 Hessischer Landtag · 20. Wahlperiode · 86. Sitzung · 9. November 2021 gleichen Schritt festgelegt werden muss, wie diese Daten zur Verfügung gestellt werden können, welche Schnittstellen erforderlich sind und mit welchen Methoden eine Deanonymisierung verhindert werden kann. Wir haben noch zwei Rednerinnen oder mit der Ministerin drei Rednerinnen vor uns. Wenn sich jetzt gleich die schwarz-grüne Landesregierung für ihre zaghaften Schritte in Richtung E-Government loben wird, dann kann ich einfach nur sagen: Es ist ein schweres Versäumnis, wenn Sie nicht gleich an dieser Stelle, wenn wir über E-Government und über die Einführung neuer Prozesse reden, die Prinzipien von Open Data mitdenken. Denn nichts ist aufwendiger, als eine gerade fertiggestellte Software umprogrammieren zu müssen, um eventuell neuen Anforderungen gerecht zu werden. Deshalb muss dieses Prinzip ab sofort in jegliche Form von Programmierung mit aufgenommen und dort auch entsprechend verankert werden. Meine Damen und Herren, eines noch zum Schluss. Diesen Gesetzentwurf abzulehnen, nur weil er nicht aus Ihrer eigenen Feder kommt, das zeugt meiner Meinung nach von einem gerüttelten Maß an Borniertheit und nicht von einer Zukunftsfähigkeit dieser Landesregierung. In Richtung der GRÜNEN adressiert: Ich glaube, da gibt es viele Expertinnen und Experten. Einen großen Teil der DSGVO haben wir Mitgliedern der GRÜNEN zu verdanken, die im Europäischen Parlament beharrlich dafür gesorgt haben, dass dieses Gesetz tatsächlich in dieser Form gekommen ist. Fragen Sie doch bitte einmal Konstantin von Notz, fragen Sie doch bitte einmal Jan Philipp Albrecht, was sie zu Open Data sagen. Ich glaube, dann könnten Sie Ihre ablehnende Haltung hier in Hessen nicht mehr begründen. Deshalb finde ich es gut, dass Sie von der FDP das Angebot bekommen haben, noch eine Runde nachzudenken, dass wir noch eine dritte Lesung durchführen. Ich hoffe, dass die GRÜNEN die Zeit dafür nutzen, sich tatsächlich noch einmal mit ihren netzpolitischen Expertinnen und Experten auseinanderzusetzen. – Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.(Beifall DIE LINKE, Freie Demokraten und Bijan Kaffenberger (SPD))