Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen zum Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten für das Jahr 2020

Torsten Felstehausen
Torsten FelstehausenDaten- und VerbraucherschutzRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 61. Plenarsitzung am 9. Dezember 2020 nahm der hessische Landtag den Bericht des Datenschutzbeauftragen für das Jahr 2020 zur Kentniss. Aus der anschließenden Aussprache dazu die Rede unseres datenschutzpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen:

Ich mache es diesmal andersherum: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch, sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Heute haben Sie dem Hessischen Landtag den 48. Tätigkeitsbericht zum Thema Datenschutz und Informationsfreiheit vorgelegt, und dafür möchten wir Ihnen als Fraktion DIE LINKE ganz ausdrücklich danken. Sie haben in diesem Bericht wieder wichtige Hinweise für das gesetzgeberische Handeln gegeben, auf Sicherheitslücken in der Verarbeitung von personenbezogenen Daten hingewiesen und die Grenzen des staatlichen Handelns bei Videoüberwachung aufgezeigt. All das haben wir im Digitalisierungs- und Datenschutzausschuss ausführlich diskutiert. Deshalb will ich hier nicht auf so viele Aspekte eingehen, weil ich glaube: Heute ist ein besonderer Tag. Es ist der letzte Bericht, den Sie als Person heute vorlegen. Deshalb möchte ich mich darauf konzentrieren.

Seit dem 18. September 2003 waren Sie das Gesicht, die Stimme dieser so wichtigen Institution. 6.292 Tage standen Sie dem vor, und keiner Ihrer Vorgänger war so lange im Amt wie Sie. Um einmal deutlich zu machen, was in dieser Zeit passiert ist: Sie sind 2003 in dieses Amt gekommen, aber erst am 1. Januar 2007 hat Steven Jobs die Bühne betreten, hat von „One more thing“ gesprochen und holte das iPhone 1 aus der Tasche. Das ist heute nicht mehr wegzudenken, aber da waren Sie schon drei Jahre im Amt, Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch. Das zeigt, welch lange Zeitspanne Sie den Datenschutz begleitet haben.

Wir bedauern außerordentlich, dass wir Corona-bedingt nicht mit Ihnen den 50. Geburtstag des weltweit ersten Datenschutzgesetzes feiern konnten. Dieses Gesetz, aber natürlich auch Sie und Ihre Arbeit und die Arbeit Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten es sicherlich mehr als verdient gehabt. Ich hoffe darauf, dass wir eine Gelegenheit haben, den Geburtstag nachzufeiern. Im nächsten Jahr werden so viele Menschen ihren Geburtstag nachfeiern. Dann werden wir auch einen Platz für den Geburtstag des Gesetzes und die Würdigung Ihrer Arbeit finden.

(Beifall DIE LINKE)

1970 formulierte der Hessische Landtag die ersten gesetzlichen Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten überhaupt. Das Hessische Datenschutzgesetz stellte damit die Weichen für jede weitere Diskussion des Datenschutzes innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Letztlich ist dieses Gesetz, vor allem mit seiner Auffassung über die Persönlichkeitsrechte, der Grundstein für die Datenschutz-Grundverordnung, mit der wir uns in den letzten drei Jahren so intensiv beschäftigt haben. Die Idee dafür ist aber schon 50 Jahre vorher gelegt worden.

Um hier mit einem Vorurteil aufzuräumen: Sie, Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch, haben niemals Daten geschützt. Das war auch nie Ihr Antrieb. Was Sie geschützt haben, das waren die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Denn das ist der eigentliche Wesensgehalt des sogenannten Datenschutzes.

Um den Auftrag deutlich zu machen, habe ich geschaut, was das Bundesverfassungsgericht 1983 in seinem Volkszählungsurteil deutlich gemacht hat, als es den Schutz personenbezogener Daten zum Grundrecht erhoben hat und Ihr Amt und natürlich Sie in Person als Amtsinhaber zum Grundrechtswächter erhoben hat. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt:

Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen.

Dann führt das Bundesverfassungsgericht aus:

Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus.

Jetzt muss man überlegen: Das war 1983. Was hat sich in der Zeit getan? Wie hat sich Technik weiterentwickelt? Zu dem Zeitpunkt hat noch niemand davon gesprochen, dass es irgendwann künstliche Intelligenz, Big Data oder Silostrukturen in großen Datenbanken geben wird.

Sie haben es vorweggenommen, und Ihre Aufgabe war – Sie sind ihr immer nachgekommen –, dies zu beachten und Hinweise darauf zu geben, wo wir die persönlichen Freiheitsrechte möglicherweise einschränken. Diesem Leitgedanken waren Sie immer verpflichtet, und Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, diese Idee unter den sich rasant ändernden technischen Bedingungen weiterzuentwickeln, immer wieder anzupassen und – ja, das war auch ein Teil Ihrer Aufgabe – sie immer wieder neu zu interpretieren, weil die Zeit und die Technik nicht stehen bleiben. Dafür, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Ronellenfitsch, gebühren Ihnen unser Dank, unser Respekt und, auch wenn wir häufig in Detailfragen nicht einer Meinung waren, unsere Anerkennung für Ihre Arbeit.

(Beifall DIE LINKE)

Ich bin der letzte Redner der Fraktionen. Deshalb möchte ich auf eine Sache eingehen, die uns neben Ihrer fachlichen Expertise sicherlich hängen bleiben wird: die Art und Weise, wie Sie Ihre Berichte häufig vorgetragen haben. Ich hatte nur zweimal den Genuss, das live zu erleben, aber ich habe mir die früheren Reden durchgelesen.

Ich habe versucht, Songtexte zu googeln. Aber ich muss gestehen: Mein Musikwissen reicht nicht annähernd an das Ihre heran. So blieb ich dann bei Roger Whittaker hängen: „Abschied ist ein scharfes Schwert“. Aber das ist weder Ihre Musik noch Ihr Stil, und das ist gut so.

Präsident Boris Rhein:

Herr Kollege, hätte ich gewusst, dass Sie Roger Whittaker anführen, hätte ich die Redezeit schon früher angemahnt; denn die haben Sie mittlerweile locker erreicht.

(Heiterkeit und Beifall)

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Dann kommen wir zum Abschied. Wir wünschen Ihnen für den beginnenden Unruhestand, dass Sie mehr Zeit für Ihren Rock ’n’ Roll haben. In diesem Sinne unser Abschied mit dem Song der Spencer Davis Group: „Keep on Running“, Mr. Ronellenfitsch. – Vielen Dank für Ihre Arbeit.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Freie Demokraten)