Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula zu hochschulrechtlichen Vorschriften

Elisabeth KulaBildung

In seiner 83. Plenarsitzung am 29. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Gesetz zur Neuregelung und Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften. Dazu die Rede unserer bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir die Hochschulen als Teil der Gesellschaft statt als abstrakten Elfenbeinturm der Wissensvermittlung begreifen, können wir feststellen, dass Entwicklungen, die wir in anderen Lebens- und Arbeitsbereichen feststellen konnten, auch an den Hochschulen stattgefunden haben. Manchmal waren die Hochschulen sogar vorne.

Ich möchte an die beiden Redebeiträge vor mir anschließen und sagen, dass ich es total begrüßenswert und toll finde, dass die kritische Geschlechterforschung und die Gender Studies einen riesengroßen Anteil daran hatten, dass wir mehr Gleichstellung in diesem Lande als noch vor ein paar Jahren haben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir hatten in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft aber nicht nur positive Veränderungen. Ganz im Gegenteil, wir hatten auch Entwicklungen wie Verwertungslogik, Marktorientierung, Leistungsdruck, Verschulung und Kommerzialisierung. Auch das findet an unseren Hochschulen statt.

Diese Entwicklungen waren – das hat Herr Büger gerade noch einmal eindrucksvoll dargestellt – auch politisch gewollt. Studierende haben sich in der Vergangenheit immer wieder zusammengetan, um ihre Belange und auch die Interessen der Beschäftigten an den Hochschulen zu artikulieren. Da sind z. B. die Bündnisse für Zivilklauseln, die tariflichen Kämpfe um mehr Rechte für studentische Hilfskräfte oder die Proteste gegen Kürzungen an vor allem sozialwissenschaftlich-kritisch orientierten Fachbereichen und – Janine Wissler hat es vorhin schon gesagt – die erfolgreichen Proteste gegen die Studiengebühren zu nennen. Die Wissenschaftsministerin hat mit der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes die Chance, diese Stimmen weiter zu stärken, mehr Demokratie zu wagen und der Fehlentwicklung hin zur marktkonformen Hochschule etwas entgegenzusetzen. Ich sage es einmal so: In dem vorliegenden Entwurf ist das nur teilweise gelungen.

Eine der dringendsten Aufgaben an den Hochschulen ist es aktuell, die ausufernde Befristungspraxis einzudämmen. Fast 90 % der Beschäftigten sind befristet beschäftigt, und das bedeutet vor allem, dass das eigene Leben nicht mehr planbar ist und viele sich gegen eine wissenschaftliche Berufslaufbahn entscheiden. Unter dem Twitter-Hashtag #IchbinHanna teilen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Erfahrungen im Hochschulbetrieb. Sie sprechen von Kettenbefristungen, Angst vor Armut und Unsicherheit. Für uns LINKE ist glasklar: Für Daueraufgaben an den Hochschulen braucht es endlich auch Dauerstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Bereits jetzt ist es möglich, wissenschaftlichen Nachwuchs auf unbefristeten Stellen zu beschäftigen, aber diese Möglichkeit wird von den Hochschulleitungen einfach noch kaum genutzt. Deswegen ist es umso wichtiger, den Befristungen auch im Hochschulgesetz einen Riegel vorzuschieben. Es muss endlich klargestellt werden, dass Befristungen nur dann zulässig sind, wenn auch wirklich eine wissenschaftliche Qualifizierung stattfindet. Ich bin bei der Anhörung vor allem darauf gespannt, ob die neue Personalkategorie der Hochschuldozentin bzw. des Hochschuldozenten und das Tenure-Track-Verfahren, eigentlich eine verlängerte Probezeit für Postdocs, wirklich etwas gegen Kettenbefristungen bewirken können.

Ein Schwerpunkt der Novelle liegt auf den Fragen der Gleichstellung und der Antidiskriminierung. Vorweg: Ich finde es wichtig, dass auch an den Hochschulen Frauen noch besser gefördert werden und dass es Anlaufstellen für Diskriminierungsfälle geben soll. Ich glaube aber, es wäre sehr wichtig, dass eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Antidiskriminierungsbeauftragte nicht ein und dieselbe Person sind. Beides sind sehr wichtige gesellschaftliche

Anliegen, die zwar miteinander zu tun haben können, aber doch unterschiedliche Schwerpunkte und Methoden der Beratung haben. Deswegen muss es da zwei verschiedene Anlaufstellen geben. Diese sollten auch nicht einfach mit einer Person aus dem Professoren- oder Hochschulleitungsapparat besetzt werden. Es braucht unabhängige, eigenständige und hauptamtliche Stellen, um den Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit und der Antidiskriminierung gerecht zu werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, Gleiches gilt für die oder den Beauftragten für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten. Daneben wäre aus unserer Perspektive auch noch eine Anlaufstelle für Studierende aus nicht akademischen Haushalten sinnvoll; denn die haben in der Regel ganz eigene Problemstellungen und Bedarfe, die in den Studienberatungen oft ein bisschen untergehen.

(Beifall DIE LINKE)

In dieser Hinsicht begrüßen wir die Möglichkeit für ein Teilzeitstudium. Wir begrüßen auch die Einführung von Tandem-Professuren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die eine Professur in Teilzeit ermöglichen, um Praxiserfahrungen zu sammeln. Leider ist eine solche Möglichkeit in dem Gesetzentwurf nicht für Universitäten vorgesehen. Auch da bin ich auf die Anhörung gespannt. Ich finde, das könnte auch an den Universitäten sinnvoll sein. Klar ist aber auch, dass bei den Tandem-Professuren die Lehrverpflichtungen gesenkt werden müssen, damit auch wirklich Zeit für die Berufspraxis bleibt.

Wirklich problematisch an dem Gesetzentwurf ist aber – das ist mir wichtig –, dass die Möglichkeit eingeräumt wird, in bestimmten Fällen auf Ausschreibungen zu verzichten. Die Formulierung in dem Entwurf ist nämlich so weit gefasst, dass das ein Einfallstor für undurchsichtige Verfahren und Vetternwirtschaft werden kann. Außerdem wissen wir, dass überall da, wo auf Ausschreibungen verzichtet wird, Frauen benachteiligt sind. Das steht aber in starkem Kontrast zu Ihrem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen. Diese Regelung muss also aus unserer Perspektive dringend gestrichen werden.

Für Studierende gibt der Entwurf leider auch nicht ganz so viel her, wie Sie es in Ihrer Rede vorhin versprochen haben. Weder gibt es eine Regelung zur Aufnahme studentischer Hilfskräfte in die Personalvertretung, noch sind tarifähnliche Bedingungen für sie vorgesehen. Dabei war das eine der zentralen Forderungen von Studierendenvertretungen in Hessen in den letzten Jahren. Aus unserer Perspektive muss das unbedingt im Hochschulgesetz geregelt werden.

Wir hätten uns auch deutlichere Schritte in Richtung Demokratisierung der Hochschulen gewünscht. Studierende sind in den Hochschulgremien immer noch unterrepräsentiert, obwohl sie die größte Statusgruppe an den Hochschulen darstellen. Als LINKE fordern wir eine paritätische Besetzung der Hochschulgremien mit Vertretern aller Statusgruppen; denn erst dann sind auch die Hochschulen endlich eine moderne demokratische Bildungsinstitution.

Man könnte jetzt noch viele Punkte nennen. Dazu haben wir die Anhörung und weitere Lesungen. Aus der heutigen Perspektive würde ich sagen: Diese Novelle ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dieser fällt aber leider sehr zögerlich aus, sodass bezweifelt werden kann, ob sich, wenn er so bleibt, an den Hochschulen wirklich substanziell etwas zugunsten der Studierenden und der Beschäftigten ändert. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)