Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen zur Gründung der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit

Torsten FelstehausenDigitalisierung

In seiner 82. Plenarsitzung am 28. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag zur Gründung der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit. Dazu die Rede unseres digitalpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung ist in aller Kürze zu sagen:

Erstens. Der Gesetzentwurf hat bereits im Vorfeld enorme Kritik hervorgerufen, insbesondere an den Hochschulen, aber nicht nur dort.

Zweitens. Diese Kritik wurde in aller Breite von diversen Sachverständigen vorgetragen, nämlich in der Anhörung, die der Innenausschuss gemeinsam mit dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst durchgeführt hat.

Drittens. Der Änderungsantrag, den Schwarz-Grün daraufhin vorgelegt hat, greift zwar einige der Kritikpunkte auf – das ist gut –, aber es reicht eben nicht, um einen schlechten Gesetzentwurf zu retten. Auch in der jetzigen Form können wir als LINKE daher diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall DIE LINKE)

Warum das so ist, werde ich kurz darstellen. Als LINKE haben wir den Gesetzentwurf schon in der ersten Lesung deutlich kritisiert. Ich kann nur sagen, die Anhörung, die wir durchgeführt haben, hat mich darin vollumfänglich bestätigt. Aber nicht nur mich: Der Senat und die Vollversammlung der Hochschulen lehnen das Ansinnen ab, ebenso wie der Fachbereich Verwaltung, die überhaupt nicht Teil dieses Konstruktes werden möchten. Die Gewerkschaft der Polizei droht mit Klage. Die Hochschullehrer haben eine Resolution verfasst. Es muss doch die Frage erlaubt sein, ob Ihr angebliches Ziel, nämlich im Kern eine bessere Ausbildung der Polizeianwärterinnen und -anwärter, damit überhaupt erreicht werden kann.

Von den Zielen der Verwaltungsreform einmal ganz abgesehen: Nicht nur dort fiel das Wort „verfassungswidrig“ in diesem Zusammenhang.

Meine Damen und Herren, wie groß die Not sein muss, zeigt auch Ihr Verhalten im Innenausschuss. Sie propagieren die Freiheit von Forschung und Lehre, damit passt aber Ihr Gesetzentwurf überhaupt nicht zusammen. Dann übergehen Sie per Mehrheitsvotum den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst. Sie können natürlich per Mehrheit in diesem Parlament einfach alles durchstimmen. Aber das ist dann nur noch ein reines Feigenblatt, mit dem Sie sich umgeben. Wenn Sie den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst mitberaten lassen, aber das Votum und das Ergebnis vorher schon festlegen, dann können Sie eigentlich gleich auf diese Beratung verzichten.

(Beifall DIE LINKE und Günter Rudolph (SPD))

Das ist auch nur sinnbildlich dafür, wie wichtig Ihnen die Freiheit von Forschung und Lehre tatsächlich ist, nämlich null. Ich erinnere nur an die Regelung der Möglichkeiten der Zwangsversetzung von Hochschullehrenden. Wer auf eine solche Idee kam und zugleich von der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre spricht, der hat die originären Hochschulstrukturen schlicht und ergreifend nicht verstanden. Das ganze Konstrukt ergibt überhaupt keinen Sinn: die Polizeiakademie in die Hochschule zu verschieben, ohne sie aber wissenschaftlich einzubinden, und das Ganze dann wieder an das Landespolizeipräsidium anzubinden.

Zudem haben originäre Polizeiaufgaben unserer Meinung nach an einer Hochschule gar nichts zu suchen. Daran ändert auch Ihr Änderungsantrag im Kern nichts. Hier wächst nicht zusammen, was zusammengehört, sondern Sie verfahren nach dem Motto: „Was nicht passt, wird passend gemacht“, und das hat dann mit Hochschule nicht mehr viel zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und Günter Rudolph (SPD))

Die Frage, ob Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit mit den starren Strukturen des Polizeiwesens überhaupt vereinbar ist, ist nicht umsonst mehrfach gestellt worden. Sie, meine Damen und Herren, machen mir nicht den Eindruck, als hätten Sie die praktische Umsetzung dieses Konstruktes tatsächlich durchdacht. Begründet wird dies mit dem angeblichen Synergieeffekt, der zu erzielen sei. Ja, es ist ein tolles Wort: Synergieeffekt – wo hören wir das nicht überall. Aber außer diesem Wort steht nicht viel dahinter; denn schon jetzt sind vor allem die personellen Ressourcen in allen Bereichen nicht ausreichend. 50 % der Lehre werden von nicht Hauptamtlichen gestemmt. Das sind schlicht und ergreifend erschreckende Zustände, und daran werden Sie mit Ihrem Vorhaben, Herr Beuth, auch kein Stück ändern.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wahlrecht für Anwärterinnen und Anwärter zum örtlichen Personalrat haben Sie geändert. Das ist gut, da sind Sie auf einen Kritikpunkt eingegangen. Aber dieser versuchte Eingriff in die Mitbestimmung zeigt doch deutlich, wessen Geistes Kind der gesamte Gesetzentwurf ist. Ich frage mich tatsächlich: Wer kommt eigentlich auf eine solche Idee? Und vor allem: Warum kommt er auf eine solche Idee?

Ebenso haben Sie die rudimentäre Freiheit von Forschung und Lehre ein kleines Stück nachgebessert. Aber ob das in der Praxis tatsächlich so funktioniert, müssen wir erst einmal abwarten. Die Zielsetzung, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf verfolgt haben, war eine ganz andere.

Sie legen hier, wenn auch mit kleinen Veränderungen, ein Gesetz vor, vor dem Praktiker warnen, von dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler abraten und gegen das die Personalräte protestieren. Ich frage mich: Was muss eigentlich noch passieren, um Ihre Beratungsresistenz an dieser Stelle zu durchbrechen?

Meine Damen und Herren, der Prozess der Neustrukturierung der bisherigen vier Verwaltungsfachhochschulen in Hessen dauert nun schon über 20 Jahre. Man wird das Gefühl nicht los, dass Sie trotz unzähliger interner Sitzungen, trotz Projektgruppen und externer Beratung nicht vorankommen.

Meine Damen und Herren, von der Neu- oder Umstrukturierung haben Sie nichts verstanden. Das muss man einmal so konstatieren, wenn man sich das Votum aus der Anhörung anhört. Nichts davon ist bei Ihnen tatsächlich auf offene Ohren gestoßen. Dieses Gesetz wird von allen, die anzuhören waren, einhellig abgelehnt.

Deshalb: Die Nachbesserungen an dem Gesetzentwurf reichen aus Sicht der LINKEN schlicht und eingreifend nicht aus. Es ist eine Gesamtkonstruktion, die nicht nur uns skeptisch macht. Wenn alle unmittelbar Beteiligten ihren Unmut ausdrücken, dann sind Schönheitsreparaturen schlicht und ergreifend nicht mehr ausreichend, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)