Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Unter Schwarzgrün explodieren die Mieten, Armut nimmt zu und Infrastruktur zerfällt

Unter Schwarzgrün explodieren die Mieten, Armut nimmt zu und Infrastruktur zerfällt

Jan Schalauske
Jan SchalauskeHaushalt und FinanzenRegierung und Hessischer Landtag

Die Rede unseres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Jan Schalauske zur Generaldebatte im Hessischen Landtag am 28. Januar 2019

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Die heutige Debatte zum Landeshaushalt 2020 fällt zeitlich ziemlich genau mit einem Jahr Schwarz-Grün an der Regierung in Hessen zusammen – eigentlich müsste man sagen: mit sechs Jahren Schwarz-Grün an der Regierung in Hessen.

War es in der ersten Amtszeit noch so, dass sich einige Kommentatoren etwas wunderten ob dieser neuen Farbkombination, und wie überraschend geräuschlos diese regieren würde – so hieß es von außen –, so muss man heute feststellen, dass diese Überraschung mittlerweile einer gewissen Ernüchterung gewichen ist – einer Ernüchterung vor allem, wenn man sich die Rolle der GRÜNEN anschaut.

Herr Ministerpräsident, weil Sie es angesprochen haben: Schockiert sind wir als LINKE weniger über das tiefe Bedürfnis der CDU nach Stabilität – von Ihnen haben wir nichts anderes erwartet –,

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Immerhin!) schockiert sind wir vielmehr über die Bereitschaft der GRÜNEN, für ein Bündnis mit der hessischen CDU einen gewichtigen Teil ihrer Überzeugungen über Bord zu werfen. Das ist allerdings schockierend.

(Beifall DIE LINKE)

Im Übrigen, um noch einmal die Rede des Ministerpräsidenten aufzugreifen: Statt von der weltbesten künstlichen Intelligenz in der Zukunft zu träumen – obwohl wir als LINKE es mit Visionen und Utopien durchaus haben –, fänden wir es deutlich besser, sich einmal mehr damit zu beschäftigen, wie die Lage der Menschen in diesem Land ist. Dafür braucht es keine künstliche Intelligenz, sondern eine ordentliche, eine soziale, eine gerechte und eine ökologischere Politik.

(Beifall DIE LINKE)

Im Wahlkampf vor über einem Jahr hieß es von den GRÜNEN nach fünf Jahren Schwarz-Grün: „So grün war Hessen noch nie“. Zugegeben, die GRÜNEN haben ein respektables Wahlergebnis eingefahren, sie haben gleich zwei Ministerien mehr erhalten, und man sollte meinen, das würde man nun endlich auch an der Landespolitik merken. Leider müssen wir feststellen: Man merkt es nicht wirklich.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von der Bewältigung der drängenden sozialen und ökologischen Probleme in Hessen sind wir nach wie vor meilenweit entfernt. Und über die Lobgesänge, die hier im Hessischen Landtag von den Vertretern der Regierungskoalition immer und immer wieder angestimmt werden, können viele Menschen in Hessen nicht wirklich lachen.

Natürlich, es gibt einige Menschen in Hessen, denen es ganz schön gut geht – z. B. die wachsende Zahl der Einkommensmillionäre. 2016, die letzte Zahl, waren es 1.665 Menschen, die zusammen mehr als 2 Milliarden € im Jahr verdient haben. Dabei stehen diese statistisch noch vergleichsweise gut erfassten Einkommensmillionäre ja nur für einen klitzekleinen Teil des privaten Reichtums. Große Vermögen, wie sie in Hessen zweifelsohne auch zu finden sind, sind an dieser Stelle noch gar nicht erfasst. Das ist die eine Seite, das ist der Teil in Hessen, dem es gut geht.

Die andere Seite: Immer mehr Menschen sind vom Wohlstand abgehängt oder haben Sorge, vom Wohlstand abgehängt zu werden. Viele müssen immer mehr strampeln, um ihren Kopf über Wasser zu halten. Viele Menschen im Land sind arm trotz Arbeit, viele haben Zweitjobs neben Vollzeitjobs, wie letzte Woche auch auf Anfrage der LINKEN im Bundestag bekannt wurde.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat erst im Dezember 2019 festgestellt, dass die Armut in Hessen wächst und die Ungleichheit zunimmt. Hessen liegt bei der Armutsquote mittlerweile über dem Bundesdurchschnitt. Mittelhessen gehört zu den zwölf ärmsten Regionen Deutschlands. Bei der Einkommensreichtumsquote hingegen belegt Hessen im Bundesvergleich den zweiten Platz. Gleichzeitig wächst jeder fünfte unter 20-jährige im Land in Armut auf.

(Michael Boddenberg (CDU): Was soll denn das für eine Statistik sein?)

– Lesen Sie die Zahlen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands.

Lassen wir einmal die Zahlen: Es geht um jeden Einzelnen. Jeder Einzelne, der in Armut lebt, der weniger gesellschaftliche Teilhabe am sozialen und am kulturellen Leben hat, der weniger Chancen im Leben hat, ist einer zu viel. So droht, dass sich Armut vererbt und sich Ungleichheit verfestigt.

Wachsende Armut in einem reichen Bundesland wie Hessen ist nicht nur das bittere Ergebnis von 15 Jahren Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze, sondern auch von mittlerweile 20 Jahren hessischer CDU und sechs Jahren GRÜNEN an der Landesregierung. Armutsbekämpfung findet bei Schwarz-Grün einfach nicht statt, und das ist ein Armutszeugnis in einem reichen Land wie Hessen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie könnten als Landesregierung durchaus etwas tun. Eines der Werkzeuge wäre ein wirksames Vergabegesetz. Öffentliche Aufträge nur noch an diejenigen Unternehmen zu vergeben, die fair zahlen und nachhaltig handeln, das sollte doch eigentlich selbstverständlich sein.

(Beifall DIE LINKE und Bijan Kaffenberger (SPD))

Hier könnte die öffentliche Hand ihre Marktmacht einsetzen und das Leben vieler Menschen direkt und indirekt verbessern, Standards für Menschen und Umwelt nach oben setzen statt in einem Unterbietungswettbewerb immer weiter nach unten. Leider ist das schwarz-grüne Vergabeund Tariftreuegesetz aus der letzten Legislaturperiode ein zahnloser Tiger: zu weiche Regelungen, praktisch keine Kontrolle. Hier lohnt sich ein Blick nach Berlin: Dort wird der Landesmindestlohn für alle, die im öffentlichen Auftrag arbeiten, auf 12,50 € erhöht. Auch Bremen geht einen solchen Weg, dort profitieren Tausende studentische Hilfskräfte. Die SPD fordert jetzt einen tariflichen Landesmindestlohn von 13 € für Hessen – das freut uns. Vor einiger Zeit wurde ja unsere Forderung nach 12 € Landesmindestlohn noch abgelehnt.

(Torsten Warnecke (SPD): War ja auch zu wenig!)

– Ja, ich schaue noch einmal nach, ob das damals die Begründung gewesen ist. Ich glaube aber, nicht. – Das Problem: im Koalitionsvertrag kein Wort davon. Im Gegenteil, das Vergabegesetz soll mit dem Ziel der Vereinfachung und Beschleunigung von Vergabeverfahren modernisiert werden; das steht dort. Das lässt eben keine Verbesserungen erhoffen, im Gegenteil.

Was wir brauchen, ist ein Vergabegesetz, das richtige Regelungen wie den Mindestlohn enthält. Das können Sie in Hessen umsetzen; Sie brauchen uns nicht zu erzählen, das sei nicht möglich. Sie können sich hier in Hessen ganz konkret für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Umweltschutz einsetzen. Wir fordern Sie auf: Machen Sie das endlich.

(Beifall DIE LINKE und Nancy Faeser (SPD))

Die Themen Armut und Sorgen um die Zukunft hängen auch eng mit der ausgewachsenen Krise auf dem Wohnungsmarkt zusammen. Die Lage wird hier immer angespannter. Menschen machen sich Gedanken, ob sie ihre Wohnung noch halten können, auf wie viel sie dafür verzichten müssen; und wer eine größere Wohnung braucht – etwa bei einer Familiengründung –, der kommt in ernsthafte Probleme.

Eine Kleine Anfrage von uns hat vor Kurzem noch einmal die dramatischen Zahlen ans Licht gebracht: In Fulda z. B. sind die Angebotsmieten in den letzten zehn Jahren um 70 % nach oben geschossen, hessenweit noch fast um die Hälfte. Die Mietbelastungsquote, also das, was Haushalte von ihrem Nettoeinkommen für die Miete aufbringen müssen, liegt im Schnitt bei 28,2 %. Diese dramatische Durchschnittszahl lässt erahnen, dass sehr viele Menschen deutlich mehr als das Drittel bezahlen, das viele Experten für zumutbar halten. Haushalte mit Einkommen unter 900 € müssen im Schnitt sogar fast die Hälfte davon für die Miete ausgeben. Diese Ergebnisse der Kleinen Anfrage zeigen es noch einmal schwarz auf weiß: Die Entwicklungen am Wohnungsmarkt in Hessens Städten ist und bleibt katastrophal.

Der Mietenwahnsinn bedroht die Menschen direkt in ihrem Alltag, führt zur Einschränkung von Lebensqualität, gesellschaftlicher Teilhabe, führt letztlich zu Verdrängung und auch zur Segregation.

Was macht die Landesregierung? Sie steht hilflos an der Seitenlinie und sagt: Wir können ja nicht viel machen. – Dabei ließe sich doch so einiges tun. Nur müsste man Maßnahmen endlich entschlossen angehen, etwa einen echten Mietendeckel, eine Offensive im sozialen Wohnungsbau und ein Verbot von Wohnraumzweckentfremdung. Das wären wirksame Maßnahmen, um die Wohnungsnot in unserem Land zu bekämpfen.

(Beifall DIE LINKE)

Doch unter Schwarz-Grün kommt es bestenfalls zu zaghaften Korrekturen statt zu wirkungsvollen Maßnahmen. Kleine Veränderungen in Sachen Mietpreisbremse, Kappungsgrenze, Kündigungssperrfrist oder Umwandlungsverordnung, aber – gegen die Position vieler Kommunen, Mietervereine, Mieterinitiativen und Gewerkschaften – kein Gesetz gegen Leerstand und Wohnraumzweckentfremdung

(Beifall Nancy Faeser (SPD))

und vor allem keinerlei Initiative für einen Mietendeckel nach Berliner Vorbild, der als eine echte Verdrängungsbremse wirken könnte. Der Mieterschutz bleibt unter Schwarz-Grün eine riesige Baustelle.

(Beifall DIE LINKE)

Sie verteilen zwar vermeintlich hohe Fördermittel, aber in der Realität kann man die Effekte kaum sehen. Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt Jahr für Jahr. 2018 waren es kaum mehr als 80.000 Wohnungen. Das ist kein Wunder, wenn jedes Jahr Tausende Wohnungen aus der Sozialbindung fallen und nicht einmal 1.000 neu gebaut werden.

Auch die Zahl der Studierendenwohnungen hält bestenfalls mit dem Wachstum der Studierendenzahlen mit. Die Versorgungsquote in Hessen liegt weit unter dem Bundesdurchschnitt. Es fehlen über 6.000 Wohnheimplätze. Auch hier wird die Landesregierung ihrer Verantwortung überhaupt nicht gerecht.

(Beifall DIE LINKE)

Dann sagen Sie, es gäbe gar keinen relevanten Leerstand. Die Menschen in Hessen wissen es besser. Fragen Sie einmal die Wohnungsämter in Frankfurt und Wiesbaden, Mieterinitiativen oder Ortsbeiräte. Weil Sie nicht gegen den Leerstand vorgehen, nehmen die Menschen es selbst in die Hand, erfassen den Leerstand und engagieren sich in dieser Frage. Bei dem so existenziellen Thema Wohnen kommen von der Landesregierung nur viel heiße Luft, tolle Programme, gewichtige Ankündigungen, faktisch aber bleibt es eine wohnungspolitische Realitätsverweigerung. Sie lassen die Mieterinnen und Mieter im Regen stehen.

(Beifall DIE LINKE – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Das ist bei allen anderen Themen genauso!)

„So grün war Hessen noch nie“, hieß es am Wahlabend. Aber schauen wir uns doch einmal die Haushaltspolitik an. Die Haushaltspolitik von Schwarz-Grün ist vor allem eines, nämlich schwarz. Denn was die GRÜNEN der SPD im Bund zu Recht vorwerfen – sie würde dem Fetisch der schwarzen Null hinterherlaufen –, das machen sie in Hessen selbst.

(Torsten Warnecke (SPD): So was sagen die da?)

Das Land hat gegenwärtig eine enorme Einnahmeentwicklung. Die Steuereinnahmen sprudeln, und trotzdem schaffen Sie es nicht, die finanziellen Möglichkeiten zu nutzen, um drängende Probleme anzugehen.

Die Investitionsbremse wird nicht gelöst. Es werden noch immer nicht genug Mittel für bezahlbaren Wohnraum bereitgestellt. Bildung zu einem Recht für alle zu machen – auch da sehen wir keine maßgeblichen Initiativen. Stattdessen sparen Sie dieses Land weiter kaputt. Investitionen in die Energie- und Verkehrswende sind noch deutlich ausbaufähig.

Damit fällt Schwarz-Grün sogar hinter den Bundesverband der Deutschen Industrie, den BDI, zurück, der angesichts der Eintrübung der Konjunktur eine Überprüfung der schwarzen Null einfordert.

Eine Finanzpolitik, die symbolischen Schuldenabbau betreibt, ist – anders, als der Herr Ministerpräsident es vorhin dargestellt hat – weder zukunftssicher noch generationengerecht. Es ist auch wirklich nur symbolisch. Mit Ihren Vorgaben würde es ja lediglich schlappe 400 Jahre dauern, die Schulden des Landes abzutragen. Das Problem ist nur: Heute fehlen die Mittel für notwendige Ausgaben. Das ist alles, aber nicht generationengerecht.

(Manfred Pentz (CDU): Dann lieber noch mehr Schulden machen, wie ihr es fordert!)

Hören Sie doch auf, das den Menschen zu erzählen, Herr Pentz.

(Beifall DIE LINKE – Manfred Pentz (CDU): Ja, was fordert ihr denn? Einfach nur mehr Schulden!)

Dazu komme ich noch, keine Sorge. Wir haben immerwieder innovative Vorschläge zur Finanzierung.

(Zuruf Manfred Pentz (CDU))

Die werde ich Ihnen noch sehr ausführlich darstellen.

(Zuruf: Vermögensteuer!)

Die Politik der schwarzen Null und mangelnde Investitionen verfestigen auch die soziale Ungleichheit in unserem Land. Gerade ein Land mit so enormen sozialen Unterschieden wie Deutschland bräuchte ein sehr gut ausgestattetes Bildungssystem, welches allen Kindern die gleichen Chancen und Möglichkeiten eröffnet.

Aber wie ist es um das Schulwesen in Hessen bestellt? Wir haben einen eklatanten Lehrermangel. Immer wieder wurde beim Ministerium zum Unterrichtsausfall nachgefragt. Die Antwort war: Es gibt keinen Ausfall. Es werden gar keine Zahlen erhoben. – Das ist nicht nur widersprüchlich, sondern das ist dem Thema Unterrichtsversorgung überhaupt nicht angemessen.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt immer wieder Überlastungsanzeigen von Lehrkräften. Gleichzeitig wurde gerade vor einigen Tagen bekannt, dass jede zehnte Lehrkraft in Hessen befristet arbeitet. Überlastung hier, Befristung da – das passt einfach nicht zusammen. Oder passt es doch zusammen, und es ist ein gewollter Zustand? So geht es nicht weiter.

Immer wieder beklagen Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schüler den baulichen Zustand unserer Schulen: Fenster undicht, Deckenplatten runtergefallen, Heizung defekt, Schimmel, hier und da regnet es durchs Dach, und vieles mehr. Vor nicht allzu langer Zeit mussten auch in Hessen sogar Schulen geschlossen werden. Der Investitionsstau bei maroden Schulgebäuden im Land beläuft sich mittlerweile auf mindestens einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Wir sagen: Hier muss das Land die Kommunen unterstützen und endlich ein wirkliches Investitionsprogramm auflegen.

(Beifall DIE LINKE und Nancy Faeser (SPD))

Sie werden einwenden, Schulsanierung sei ja Sache der Kommunen. Das Interessante ist,

(Zuruf Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg,

(Michael Boddenberg (CDU): Wir helfen ein bisschen!)

das Thema „kommunale Selbstverwaltung“ fällt Ihnen immer dann ein, wenn das Land selbst keine oder nur ungenügende Mittel zur Verfügung stellen will. Gerade beim Thema Schulsanierung helfen eben Kleckerprogramme, die überwiegend mit Mitteln des Bundes finanziert wurden, nicht weiter. Der Sanierungsstau in den Schulen, in unseren Kommunen ist auch das Ergebnis einer Politik des Landes, die die Kommunen finanziell kurzhält und sie jahrelang unterfinanziert hat.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Das sind die gestiegenen Steuereinnahmen, das wissen Sie genauso gut wie ich.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Um Milliarden gestiegen!))

Ansonsten verteilen Sie die Gelder ja auch lieber nach Gutsherrenart, so wie Sie es bei der „Starken Heimat“ gemacht haben.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Auf 6 Milliarden € gestiegen!)

Ein partnerschaftlicher Umgang mit Kommunen sieht anders aus, Herr Frömmrich, und eine am Bedarf der Kommunen orientierte Finanzierung auch. Aber das werden Ihnen die Kommunalen Spitzenverbände immer wieder sagen, bis Sie es hoffentlich endlich verstanden haben.

(Beifall DIE LINKE)

Dabei ist die kommunale Infrastruktur doch das, was uns alle täglich umgibt: Straßen, Kitas, Kultur-, Sporteinrichtungen. Wenn Kommunen verarmen, dann verarmt auch die Lebensqualität. Das merken die Menschen in ihrem Alltag sofort. Sie interessieren sich nicht für die weltbeste künstliche Intelligenz oder den Fintech-Hub der Landesregierung. Sie wollen ein funktionierendes Schwimmbad oder eine funktionierende Internetverbindung in ihrem Ort, und sie wollen, dass ihnen nicht durch unsoziale Straßenausbaubeiträge in die Tasche gegriffen wird. Das kann ich gut verstehen.

(Beifall DIE LINKE)

Nehmen wir das Beispiel Krankenhäuser: Investitionszuschüsse für hessische Krankenhäuser wachsen langsam und nur auf Kosten der Kommunen. Die Landesregierung ist nicht in der Lage, eine Krankenhausplanung vorzulegen. Kleine und kommunale Krankenhäuser – ich erinnere an die Diskussion um Wolfhagen –, Geburtskliniken, Arztpraxen – meist auf dem Land – werden geschlossen und nicht ersetzt. Was ist die Konsequenz dieser Politik? Personalnotstand in der Pflege, unhaltbare Belastungen ausgerechnet für die Menschen, die sich um uns alle kümmern, und eine schlechte Gesundheitsversorgung auf dem Land. Da bleibt nur ein Fazit: Vorsicht, der schwarz-grüne Investitionsstau gefährdet auch Ihre, unser aller Gesundheit.

(Beifall DIE LINKE)

Die systematische Unterfinanzierung der Kommunen zeigt sich aber leider auch in noch drastischeren Fällen. Der gravierendste ist natürlich das Versagen der Lebensmittelkontrolle im Fall der Wilke-Wurst. Das Land Hessen muss den Kommunen die erforderlichen Mittel bereitstellen, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten. Die Landesregierung und die kommunalen Veterinärbehörden müssen gemeinsam sicherstellen, dass die Bereiche der Lebensmittelkontrollen personell und fachlich so aufgestockt werden, dass sie ihre Aufgaben auch vollumfänglich erledigen können. Hier geht es um ureigene staatliche Kontrollaufgaben, hier geht es um die Gesundheit, hier geht es letztlich um Menschenleben. Hier muss mehr getan werden.

(Beifall DIE LINKE und Nancy Faeser (SPD))

Bei allem Streit sind die Hochschulen unzweifelhaft keine kommunale, sondern eine Landesaufgabe. Aber auch im Bereich der Hochschulen liegt weiterhin so einiges im Argen. In Ermangelung einer ausreichenden Grundfinanzierung hangeln sich viele Institute von Projektmitteln zu Projektmitteln. Das hat drastische Folgen für die Lehre und die Forschung: Es gibt keine Planbarkeit, insbesondere gibt es prekäre Beschäftigungsverhältnisse im Mittelbau. Sie sind nicht nur eine Randerscheinung, sondern sie sind traurige Realität – auch an hessischen Hochschulen.

Es ist ein Fortschritt, dass Sie dieses Problem im Koalitionsvertrag erkannt haben. Einen Lösungsansatz dafür erkennen wir aber auch in diesem Haushalt nicht.

Tja, dabei könnten wir eigentlich eine starke Forschung und fitten wissenschaftlichen Nachwuchs dringend gebrauchen, etwa im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Mitte Dezember 2019 – es ging stark auf Weihnachten zu – bemerkte die Landesregierung: Huch, die Klimaziele 2020 werden verfehlt. Bis dahin konnte man – so kurz vor Weihnachten – ja vielleicht noch auf ein spontanes Wunder hoffen.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten): Ja, vom Weihnachtsmann!)

Oder man hätte einmal etwas im Vorfeld machen können. – Das Ziel wurde krachend verfehlt: Nicht einmal 20 % Reduktion des Treibhausgasausstoßes seit 1990 wurden erreicht. Angestrebt waren einmal 30 %. Ob im Land, im Bund oder egal, wie man sich die Bälle zuspielt: Man fragt sich, warum diese Ziele eigentlich gesetzt werden, wenn sie dann schulterzuckend wieder eingezogen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Die Zahl ist hier in der Debatte schon genannt worden: Ganze vier neue Windräder sind im ersten Jahr von „Schwarz-Grün 2.0“ in Hessen ans Netz gegangen. Von Schwarz-Gelb hätte man das erwarten können, aber von Schwarz-Grün? Das ist ja praktisch ein Ausbaustopp, und es ist die zweitschlechteste Bilanz aller Flächenländer – nach dem Saarland. Na ja, das kann man nicht allein mit bundespolitischen Rahmenbedingungen begründen. Wie gesagt, unter einer CDU-Regierung wäre das zu erwarten gewesen, aber als Bilanz einer grünen Regierungsbeteiligung ist das doch ziemlich dürftig.

(Beifall DIE LINKE)

Energiepolitisch ist von den einstmals ambitionierten Zielen der GRÜNEN kaum etwas übrig geblieben. Da hilft es nicht, vorwurfsvoll auf den Bund zu zeigen. Hessen schöpft seine Möglichkeiten weiterhin nicht aus, z. B. die pachtfreie Überlassung landeseigener Flächen an die Kommunen, um dort Windkraftanlagen zu betreiben. Auch die Hürden in der Landesplanung sind weiterhin zu hoch.

Dann gibt es auch noch CDU-Politiker, bei denen die Beteiligung an einer Demonstration nicht gleich ganz oben auf der Liste der politischen Aktionsformen steht. Diese Politiker finden sich bei diesem Thema aber weiterhin häufig in der ersten Reihe, wenn es darum geht, Windkraftanlagen vor Ort zu verhindern. – Das ist Ihr Koalitionspartner, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN.

(Beifall DIE LINKE)

Wie steht es um den hessischen Klimaschutzplan? Wo stehen wir da? – Seit der hessische Klimaschutzplan 2025 beschlossen wurde, gibt es keine Auskunft darüber, ob und wie diese Maßnahmen überhaupt geeignet sind, die Klimaschutzziele von Paris einzuhalten. Die Umweltministerin kann oder will die Frage nicht beantworten, wie viele Tonnen CO2 durch die Maßnahmen in Hessen eingespart wurden, und die Landesregierung behauptet weiter, dass die hessischen Reduktionsziele im Einklang mit den internationalen stünden. Aber es gibt keinerlei Zahlen, auf die sich das stützen könnte. Hier steht uns vermutlich das nächste kleinlaute Reißen einer Latte bevor.

Der Klimaschutzplan war von Anfang an auf das 2-GradZiel ausgelegt; die Maßnahmen wurden nie auf das für viele Menschen überlebensnotwendige 1,5-Grad-Ziel angepasst. Dass es noch immer keine Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen gibt, um gegebenenfalls nachsteuern zu können, ist mit Blick auf die Klimakatastrophe grob fahrlässig.

(Beifall DIE LINKE)

Mit jedem Jahr, das vergeht, braucht es drastischere Maßnahmen, um die Klimaziele noch erreichen zu können. Für jedes hier verlorene Jahr werden wir uns vor kommenden Generationen rechtfertigen müssen, aber nicht für Kreditaufnahmen für Investitionen und für überschuldete Haushalte.

Wirksamer Klimaschutz gelingt nicht ohne eine echte Verkehrswende. Gerade hier in Hessen trägt der Verkehrssektor besonders viel zum CO2-Ausstoß bei. Mit etwa 38 % ist der Verkehrssektor der größte CO2-Emittent in Hessen. Klimaschutz wird zwar immer gern mit Windkrafträdern bebildert, und es wird auch darüber diskutiert, aber die Stromerzeugung liegt mit rund 22 % weit hinter dem Verkehrssektor. Der Verkehrssektor ist auch die offene Flanke in all diesen Klimaschutzbemühungen. Während sich beispielsweise im Gebäudebereich oder in der Stromerzeugung vielleicht sogar ein kleiner Trend in die richtige Richtung beobachten lässt, sind die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich seit 1990 nicht gesunken.

Die durch die Verkehrsinfrastruktur versiegelte Fläche steigt von Jahr zu Jahr. 70 % des Energieverbrauchs im Verkehr entfallen auf den Personenverkehr, so sagt es das Umweltbundesamt. Dieser Verbrauch stieg in den letzten 20 Jahren sogar noch an. Das liegt aber nicht am Eisenbahnverkehr, dessen Energieverbrauch sank. Auch der Straßenverkehr blieb in etwa konstant. Aber der Energieverbrauch des Luftverkehrs stieg seit 1995 um 70 %.

Den Konflikt um den Frankfurter Flughafen sitzen die GRÜNEN in der Regierung mittlerweile tatsächlich ziemlich geräuschlos aus – das muss man ihnen ja zugestehen. In der ersten Amtszeit von Schwarz-Grün haben sie mit Placebos nur so um sich geworfen: Lärmverschiebungen – die gerne einmal über Monate hinweg ausgefallen sind –, eine Lärmobergrenze, die ein Limit setzt, das höher liegt als die heutige Belastung und ungefähr so nutzlos ist wie ein Tempolimit von 300 km/h auf der Autobahn. Außerdem haben sie ein löchriges Nachtflugverbot auf den Weg gebracht, das de facto gerade einmal für fünf Stunden halbwegs zuverlässiger Ruhe in der Nacht sorgt.

Derweil hören wir aber immer weniger von den guten Arbeitsplätzen am Flughafen, wegen deren Erhalt man den Flughafen ja unbedingt ausbauen muss. Sie geraten immer weiter unter Druck. Billigflieger wie Ryanair werden von Fraport gezielt angelockt, mitsamt ihren Dumpingmethoden und ihrem schlechten Umgang mit dem Personal. Die Lufthansa verkauft ihr Cateringgeschäft. Bei den Bodenverkehrsdiensten haben es die Beschäftigten hinzunehmen, dass sie mehr oder weniger zur bloßen Verfügungsmasse von Ausschreibungen geworden sind. Was früher einmal die hier so gefeierte „Jobmaschine Flughafen“ genannt wurde, steht heute nur allzu oft für prekäre Beschäftigung und schlechter gewordene Arbeitsbedingungen.

(Beifall DIE LINKE)

Das wird sich nicht ändern, indem immer mehr und noch mehr Flieger landen, auch wenn manche das hier gerne immer wieder erzählen. Nein, Fraport ist immer noch mehrheitlich im öffentlichen Besitz und als öffentliche Verkehrsinfrastruktur vom Land Hessen reguliert. Das heißt, es ist eine Frage des politischen Willens, für gute Arbeitsbedingungen am Frankfurter Flughafen und für die Nachtruhe der lärmgeplagten Menschen zu sorgen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber wenn wir über die Verkehrswende reden, brauchen wir eine klare Prioritätensetzung: Bus, Bahn, Fahrrad und Fußverkehr müssen gestärkt werden. Dafür müssen Autound Flugverkehr im Gegenzug Stück für Stück Platz machen und ihre Privilegien abgeben.

Ein Ansatz der Verkehrswende ist ziemlich banal. Die Fahrpreise für die öffentlichen Verkehrsmittel müssen deutlich runter, und zwar aus ökologischen Gründen, um Menschen zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu bewegen, vor allem aber aus sozialer Motivation. Mobilität ist nicht weniger als die Voraussetzung für soziale Teilhabe. Mobilität muss für alle Menschen in unserer Gesellschaft gewährleistet werden.

(Beifall DIE LINKE)

In diesem Zusammenhang ist es besser als gar nichts – das richte ich jetzt an die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN –, dass Sie immer mehr Bevölkerungsgruppen privilegieren und in den Genuss vergünstigter oder sogar kostenloser Fahrkarten kommen lassen. Zu den Schülern, Studierenden, Landesbeschäftigten und -beamten, Jobticket-Inhabern und -Inhaberinnen kamen jetzt zum Jahresbeginn 2020 auch noch die Seniorinnen und Senioren.

Das ist gut für diese Gruppen und ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings entstehen durch diese Tickets neue Ungerechtigkeiten. Die Preise für die Otto Normalfahrkartenkäufer, die zum Automaten gehen, weil sie eine Fahrkarte brauchen, stiegen zum Jahreswechsel erneut um 1,5 % – wieder etwas über der allgemeinen Inflationsrate. Diese Ungerechtigkeiten sind nicht mehr lange tragbar.

Deswegen begrüßen wir es grundsätzlich, dass sich Schwarz-Grün im Koalitionsvertrag zu einem „Bürgerticket“ für alle bekannt hat, auch wenn nach wie vor unklar bleibt, was genau das eigentlich sein soll und ob auch das unter Finanzierungsvorbehalt steht, so wie Sie es mit all Ihren Projekten gemacht haben.

Aber ob Bürgerticket, 365-€-Ticket, Unternehmensabgabe, Nulltarif, Flatrateticket – uns ist wichtig, dass diese Sachen sozial ausgestaltet sind und dass sich auch eingefleischte SUV-Fahrerinnen und SUV-Fahrer an der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs beteiligen müssen. Über die Details können wir gerne streiten, der Weg geht in die richtige Richtung, aber nur, wenn er nicht nur angestrebt, sondern wirklich beschritten wird. Auch das zeichnet sich im vorliegenden Haushalt nicht völlig ab.

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich braucht es auch einen massiven Ausbau von Bahnstrecken. Diese hat die Politik jahrzehntelang vernachlässigt. Gerade das rasant wachsende Rhein-Main-Gebiet braucht dringend eine erhebliche Kapazitätserweiterung des ÖPNV. Sein Zustand stagniert seit dem Ende der Achtzigerjahre. Die Menschen auf dem Land brauchen erst einmal ein Angebot für den öffentlichen Nahverkehr, das in irgendeiner Form für ihre Mobilitätsbedürfnisse konkurrenzfähig zum Auto ist. Da stehen wir noch am Anfang von allen notwendigen Anstrengungen, um den öffentlichen Nahverkehr auszubauen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zu einem anderen Thema, das eben für eine gewisse Aufregung gesorgt hat. Wenn man sich das Kabinett und die Minister anschaut, die die Politik dieser schwarzgrünen Landesregierung verantworten, sieht man: Es gibt eine größte Fehlbesetzung. Das ist – jetzt habe ich so viel über die GRÜNEN geschimpft – zweifelsohne ein CDUMinister. Denn die hessische Innenpolitik kommt unter Innenminister Peter Beuth nicht aus den Negativschlagzeilen:

(Alexander Bauer (CDU): Nie war Hessen sicherer!) rechte Polizistinnen und Polizisten, NSU und NSU 2.0, der schreckliche Mord am damaligen Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch behördenbekannte Neonazis sowie anhaltende massenhafte Mord- und Bombendrohungen

(Zuruf CDU: Ei, ei, ei!) durch die extreme Rechte – und ein Innenminister, der die Gefahr und Gewalt von rechts jahrelang heruntergespielt oder sogar verschwiegen hat.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf CDU: Das ist nicht wahr!)

Die Drohbriefe des NSU 2.0 hat er verschwiegen; das wurde wieder nur aus der Presse bekannt, weil Polizisten involviert waren.

(Zuruf: Unfassbar!)

Nichts wurde gelernt aus dem NSU-Komplex – zumindest nicht von diesem Minister.

(Zuruf J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU))

Durch den schrecklichen Mord an Walter Lübcke, mutmaßlich verübt von zwei dem Geheimdienst bekannten Neonazis, fiel ein ganz neues Schlaglicht auf die Neonaziszene und eine Menge offener Fragen aus dem NSU-Komplex. Etwa die Frage, warum die entsprechende Akte von Stephan Ernst nicht an den NSU-Untersuchungsausschuss geliefert wurde, obwohl unsere Fraktion ausdrücklich nach ihr gefragt hatte, ist immer noch offen – und drängender als selten zuvor.

(Holger Bellino (CDU): Das ist falsch! – Zuruf CDU: Gewaltenteilung!)

Mittlerweile ist völlig klar, dass wir einen neuen Untersuchungsausschuss brauchen – da können Sie sich ärgern, wie Sie wollen –, um all diese Fragen aufzuklären.

(Michael Boddenberg (CDU): Dann werden wir sie stellen! – Weitere Zurufe)

  • Da können Sie zeigen, ob Sie auf der Seite der Aufklä-rung stehen, Herr Boddenberg.

(Beifall DIE LINKE – Michael Boddenberg (CDU): Verfassungsschutzbericht!)

Ich komme zu einem anderen Dauerproblem, das Sie gern ins Feld führen, nämlich zum Inlandsgeheimdienst.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie wollen ihn abschaffen! Sie wollen gar nichts wissen!)

  • Hören Sie mir zu, und beantworten Sie mir die Frage:Warum bekommt der Geheimdienst jedes Jahr mehr Geld, neue Mitarbeiter und Kompetenzen, fällt aber immer nur durch Versagen im Kampf gegen rechts auf? Das würde mich einmal interessieren, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und GRÜNEN.

(Beifall DIE LINKE – Michael Boddenberg (CDU): Was maßen Sie sich an, über Versagen zu reden? Was wissen Sie denn schon davon?)

Der Geheimdienst ist nicht Teil der Lösung, sondern er ist Teil des Problems.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen wäre es besser, diese Mittel zu kürzen und sie in gute Polizeiarbeit sowie zivile Präventionsarbeit zu stecken.

Aber da haben Sie anderes zu tun, allen voran dieser Innenminister. Er hat die Präventionsarbeit alles andere als gefördert, sondern er hat Präventionsorganisationen unter Generalverdacht gestellt. Was macht das Innenministerium denn aktuell? In dieser schrecklichen gesellschaftlichen Situation, in der wir alle von rechter Hetze und rechter Gewalt bedroht sind, macht das hessische Innenministerium eine hessenweite Kampagne gegen Linksextremismus – an allen Schulen in einer Situation, in der es reale und massenhaften Bedrohungen durch Antisemitismus und Neonazis gibt.

(Michael Boddenberg (CDU): Scheint ja notwendig zu sein!)

Dass die Prioritäten so gesetzt werden, ist auch Teil des Versagens beim Kampf gegen rechts. Das darf nicht kommentarlos hingenommen werden. Dass sie eine solche Politik mittragen, ist ein völliges Armutszeugnis für die

GRÜNEN.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

In diesem Komplex Inneres geht es immer auch um echte

Menschen und echte Schicksale, genauso wie im Bereich der Abschiebungen. Abschiebungen ins Bürgerkriegsland Afghanistan finden statt, und auch Kurdinnen und Kurden, die bei uns Schutz gesucht haben, sehen sich von Abschiebungen bedroht. Das ist ein Armutszeugnis in Hessen.

(Zuruf Michael Boddenberg (CDU))

Der aktuelle Gesetzentwurf, die Ausländerbeiräte teilweise abzuschaffen, kommt auch aus dem Innenministerium und ist nur ein weiterer Ausweis der dramatischen Inkompetenz in diesem Bereich. Der Gesetzesentwurf ist nichts weniger – so sagen es die vielen Ausländerbeiräte in unserem Land – als eine Entmündigung der in Hessen lebenden Migranten.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Er ist ein Tiefpunkt der Migrationspolitik von SchwarzGrün und ein weiterer Beleg, wie schwarz die GRÜNEN in Hessen geworden sind.

(Alexander Bauer (CDU): Welche Horrorgeschichten lesen Sie denn?)

Ich komme zum Thema Sport. Da pflegt der Innenminister eine intensive Feindschaft mit einem eigentlich in Hessen sehr beliebten Fußballverein, mit Eintracht Frankfurt.

(Beifall Elisabeth Kula (DIE LINKE) und Nancy Faeser (SPD))

Die Klage eines Fußballfans, der von der Polizei über eine Spielfeldbande gestürzt wurde – das haben wir auch hier diskutiert – und dem dabei gesundheitlich nichts Gutes widerfahren ist, hatte übrigens Erfolg. Das sei im Nachgang der sonstigen Debatte gesagt. Das ist schlimm und peinlich. Ich finde, man muss kein Eintracht-Fan sein – meine Sympathien gelten dem FC St. Pauli –,

(Zurufe: Ui! – Buh! – Weitere Zurufe)

aber man muss sich wünschen, dass die Konfrontation des Innenministers mit dem Verein Eintracht Frankfurt endlich aufhört.

(Beifall DIE LINKE)

Ich bleibe dabei: Ich finde die falschen Prioritätensetzungen im Innenbereich besonders fahrlässig. Wenn man sich die gesellschaftliche Stimmung anschaut, wenn man sich anschaut, wie Neonazis und wie rechte Hetze unser Land und demokratische Verhältnisse bedrohen, sollte man wirklich zu einer anderen Politik kommen.

Meine Damen und Herren, zurück zum Landeshaushalt: Ausbleibender sozialer Wohnungsbau, überfüllte Bahnen, kaputte Straßen – der rote Faden durch fast alle dieser Themen ist der enorme Investitionsstau im Land Hessen und in den Kommunen. Vielerorts ist das ärgerlich, wie bei maroden Schulen, manchmal lebensgefährlich, bei schlechten Radwegen oder einer unzureichenden Lebensmittelüberwachung.

Statt die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen, hält sich in Hessen das überkommene Dogma von der schwarzen Null; die Debatte hat das auch heute wieder gezeigt. Wir finden, angesichts der Klimakatastrophe, angesichts sanierungsbedürftiger Schulen und angesichts zerbröckelnder Infrastruktur ist das Gerede, das auch hier heute unter anderem vom Ministerpräsidenten vorgebracht wurde, wir sollten unseren Kindern keine Schulden hinterlassen, eine hohle Phrase. Nein.

(Beifall DIE LINKE)

Diese „Geiz ist geil“-Politik, wenn man eigentlich Investitionen brauchte, werden uns unsere Kinder zukünftig vorwerfen.

Wir werden unsere Änderungsvorschläge zum Entwurf des hessischen Landeshaushalts zur dritten Lesung einbringen. Wir werden eine Offensive des Landes für ein sozialeres, ökologischeres und gerechteres Hessen einfordern: mehr Mittel für Investitionen in bezahlbaren Wohnraum, öffentlichen Nahverkehr, Krankenhäuser und Schulen. Nach unseren Vorschlägen soll es soll mehr Geld für die Kinderbetreuung geben und z. B. für ein kostenloses Schulmittagessen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach? – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Mehr für alle!)

Finanziert – auch darüber wurde heute gestritten – werden sollen die Mehrausgaben über eine gerechtere Steuerpolitik in Form der Wiedereinführung der Vermögensteuer und einer substanzielleren Erbschaftsteuer.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Da sind wir gar nicht zuständig!)

Wie Sie alle wissen, kämen die Erträge aus der Vermögensteuer den Ländern zugute.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Da ist das Land gar nicht zuständig!)

Mit einer moderaten Besteuerung von Vermögen könnten wir so locker über 2 Milliarden € Mehreinnahmen für den Landeshaushalt ermöglichen – eine große Summe, mit der sich viele unserer Vorschläge finanzieren ließen.

(Beifall DIE LINKE – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür ist der Bund zuständig!)

Das ist eine große Summe, mit der man vieles machen könnte.

(Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Frömmrich, es gab eine Zeit in Deutschland, da waren sich alle außer der LINKEN einig, dass es bloß keine höheren Steuern für Vermögen geben dürfte. Die Zeiten ändern sich aber. Die Fans einer gerechteren Besteuerung werden wieder mehr. Das ist doch ein Grund zur Freude.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben wir aber nicht hier im Hessischen Landtag zu beschließen!)

Der SPD-Bundesparteitag hat sich für die Wiedererhebung einer Vermögensteuer ausgesprochen. Bei den GRÜNEN steht das sogar im Bundestagswahlprogramm,

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehen Sie mal!)

auch wenn sie sich hier immer so aufregen und aus Koalitionsräson mit der CDU davon lieber nichts wissen wollen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Der Hessische Landtag kann das nicht beschließen!)

Engagieren Sie sich doch einmal für Ihre Ziele, und starten Sie eine Bundesratsinitiative für die Vermögensteuer. Das käme dem Land Hessen zugute.

(Beifall DIE LINKE)

Wir jedenfalls wollen auf eine unsinnige Schuldentilgung, auf eine schwarze Null um jeden Preis verzichten zugunsten einer öffentlichen Infrastruktur und besserer Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie noch einmal von vorn angefangen, oder ist das die Zusammenfassung?)

Für diese Politik werden wir Druck machen im Parlament, auf der Straße, auf den Plätzen, im Bündnis mit vielen sozialen Bewegungen, mit Gewerkschaften.

Ich fasse zusammen. Die GRÜNEN sagen: „So grün war Hessen noch nie“. Deshalb müssen wir leider deutlich feststellen: So schwarz wie die GRÜNEN in Hessen waren sie noch nie.

(Beifall DIE LINKE – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und selbst das werden Sie ablehnen!)

Ich komme zum Schluss. Von einer Vernunftehe wie zu Beginn kann schon lange keine Rede mehr sein. Die schwarz-grüne Beziehung scheint mir vielmehr eine Liebesheirat gewesen zu sein, eine Partnerschaft, um derentwillen die GRÜNEN ihre Überzeugungen über Bord geworfen haben. Deswegen werden Sie weiter Druck von links bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die linke Vorstellung von

Partnerschaft!)