Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Wir wollen dass der tariflose Zustand in Hessen umgehend beendet wird"

Hermann Schaus

Für die Rückkehr des Landes Hessen in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Al-Wazir hat heute in seinem Beitrag den Satz gebraucht, es genüge nicht, ein Plakat hochzuhalten, sondern man müsse auch für Lösungen sorgen. Ich habe kein Plakat mitgebracht, aber den Aufruf vom 18. November 2003, als in Wiesbaden 45.000 Demonstranten gegen die "Operation unsichere Zukunft“ demonstriert hatten – eine Größenordnung, die diese Stadt noch nie gesehen hat. Gewerkschaften, soziale Verbände, kirchliche Einrichtungen und Sozialorganisationen demonstrierten gemeinsam gegen den Sozialabbau. Dazu gehörte auch der Austritt aus der TdL. Die Überschrift dieses Aufrufs lautet: "Sparen schafft neue Armut – stoppt die hessische Kahlschlagpolitik".

Mit der Initiative der Hessischen Landesregierung seinerzeit wurde die hessische Bevölkerung in eine "Operation düstere Zukunft“ geführt. 1 Milliarde € sollte durch dieses Programm eingespart werden – auf dem Rücken von Frauen und Mädchen, von Arbeitslosen und Behinderten, von Obdachlosen, Drogenkranken und vor allem auf dem Rücken aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Statt die Arbeitslosigkeit zu verringern, wurde sie durch diese "Operation düstere Zukunft" verschärft. Nicht nur zahlreiche soziale Projekte wurden durch Kürzung der Landeszuschüsse gefährdet. Erklärtes Ziel der Landesregierung war und ist es auch, 7.500 Arbeitsplätze im Landesdienst abzubauen. 5.000 davon hat sie schon umgesetzt.

Um dies reibungslos umsetzen zu können, mussten natürlich auch die Mitbestimmungsrechte der Personalräte eingeschränkt werden. Um dies umsetzen zu können, erklärte die Landesregierung des Weiteren zum 1. April 2004, also vor über vier Jahren, den Austritt Hessens aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und setzte die Arbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden hoch. Herr Wagner – er ist leider nicht da –, die Tarifautonomie ist ein Grundrecht der deutschen Verfassung und wurde damit gerade von denen verletzt, die sie stets an anderer Stelle als Argument zur Verhinderung z. B. von gesetzlichen Mindestlöhnen ins Feld führen.

Mit unserem Antrag zur Rückkehr des Landes Hessen in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder sowie zur Regelung gleicher Arbeitszeiten für Tarifbeschäftigte und Beamtinnen und Beamte wollen wir den Beschäftigten des Landes Hessen nur das zurückgeben, was ihnen in düsterer Vorzeit geraubt wurde. Wir wollen die gleichen Tarif- und Arbeitsbedingungen herstellen, wie sie in 14 anderen Bundesländern gelten. Der CDU-Antrag ist ein Sonderweg, den wir ablehnen, den im Übrigen auch die Gewerkschaften bisher abgelehnt haben. Deswegen ist es ein Plagiat, ihn hier einzubringen in dem Wissen, dass mit den Gewerkschaften in Hessen kein Sonderweg für die Tarifbeschäftigten möglich ist.

Wir wollen, dass die Löhne und Gehälter in freien Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und öffentlichen Arbeitgebern vereinbart werden. Es reicht eben nicht, wie Ende 2007 durch ein Gesetz nach Gutsherrenart die Bedingungen einseitig festzulegen. Das ist unserer Meinung nach eine eklatante Verletzung der Tarifautonomie und damit auch eines Grundrechts in unserer Verfassung. Noch dazu sind die Leistungen an die Beschäftigten durch dieses Gesetz ein ganzes Stück geringer ausgefallen als durch den Ende 2006 ausgehandelten Tarifvertrag; das hat Kollege Rudolph schon ausgeführt. Sowohl was die zeitliche Lage angeht, nämlich zum 1.April statt zum 1. Januar, als auch was die Höhe der "Tariferhöhungen", die keine sind, angeht, ist dies eine Schlechterstellung.

Herr Beuth, ich frage Sie an dieser Stelle: Was kann denn das reiche Hessen nicht, was andere, ärmere Bundesländer können? Das müssen Sie mir einmal erklären.– Zu Berlin sage ich Ihnen auch gleich etwas. Der Fall liegt ganz anders. Das Bundesland Berlin hat unter der Regierung Diepgen entschieden, dass die Beschäftigten im Ostteil das gleiche Einkommen erhalten sollen wie im Westteil, weil sie die Differenzierung nicht eingesehen haben. Daraufhin sind sie aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgeschlossen worden. Das ist ein ganz anderer Vorgang. Erkundigen Sie sich bitte einmal, bevor Sie hier falsche Informationen verbreiten.

Das hat mit PDS oder LINKEN an der Regierung überhaupt nichts zu tun, das liegt in einer CDU-Regierung begründet. Im Übrigen hat das Land Berlin trotz der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse einen Tarifvertrag abgeschlossen, der in Teilen besser ist als der, der derzeit in Hessen gilt.

Wir wollen, dass der tariflose Zustand in Hessen umgehend beendet wird. Wir wollen, dass die Beschäftigten entsprechend anderen Bundesländern beteiligt werden. Wenn der Herr Ministerpräsident heute Kosten von 230 Millionen € genannt hat, so mag ich das gar nicht bestreiten. Wenn ich das hochrechne, dann heißt das doch, dass innerhalb von vier Jahren den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes durch diese Maßnahme eine Milliarde Euro aus der Tasche gezogen wurde. Auch das ist das Thema. Insofern gibt es eine Verantwortung für die neue Mehrheit hier, endlich Gerechtigkeit auch gegenüber den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes walten zu lassen.

Wir wollen mit unserem Antrag, dass die Arbeitszeit im Rahmen der Überleitungsregelungen so geregelt wird, wie sie auch im kommunalen Bereich gilt. Es ist nicht einzusehen, weshalb Landesbeschäftigte 42 Stunden arbeiten sollen und Kommunalbeschäftigte nach Tarifvertrag 39
Stunden. All dies ist nach §6 TV-L im Rahmen von Überleitungsverhandlungen mit den hessischen Gewerkschaften zu verhandeln. Dazu gibt es meines Wissens die entsprechende Bereitschaft, diese Überleitungstarifverhandlungen zu führen. Das sind keine separaten, eigenständigen Tarifverhandlungen. In diesen Überleitungstarifverhandlungen können auch all die speziellen Regelungen noch mit geregelt werden, die für Hessen gelten, z.B. die für die Universitätsklinik Frankfurt, wo es in der Tat notwendig ist, noch einmal eigenständig darauf zu schauen und das
zu vereinbaren.

Weil aber nach unserem Verständnis das hessische Beamtenrecht dem Tarifrecht folgen muss, sollen auch die Arbeitszeitregelungen der Beamtinnen und Beamten zeit- und inhaltsgleich verringert werden, damit auch diejenigen, die in den Verwaltungen, z. B. bei Feuerwehr, Polizei und im Justizvollzug, für die Sicherheit der hessischen Bürgerinnen und Bürger sorgen, wieder angemessene Arbeitsbedingungen erhalten.

Meine Damen und Herren, damit die Landesregierung unverzüglich mit der Umsetzung beginnen kann, überreiche ich Ihnen, Herr Minister Bouffier – ich habe ja gesagt, ich komme gleich zu Ihnen –, einen Tariftext. Dann können Sie gleich damit anfangen.