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Rede

Christiane Böhm - Zusätzliche Landesmittel für Kitas? Fehlanzeige!

"Zusätzliche Landesmittel für Kitas? Fehlanzeige!"

Christiane Böhm
Christiane BöhmBildungFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

In seiner 24. Plenarsitzung am 30. Oktober 2019 diskutierte der Hessische Landtag über die Verbesserung der Betreuungsqualität in den hessischen Kitas. dazu die Rede unserer sozialpolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher!

Es fällt mir schwer, von dem vorausgegangenen Tagesordnungspunkt auf das Thema Kinderbetreuung überzugehen; denn nicht nur mich, glaube ich, hat die Diskussion ziemlich mitgenommen. Der Strohhalm, den ich genutzt habe, um in das Thema Kinderbetreuung hineinzukommen, war der Gedanke, dass wir eine sehr gute Demokratieerziehung in den Kindertagesstätten brauchen, um Antisemitismus und Rassismus zu verhindern und die Kinder gegen solche Ideologien stark zu machen.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich denke, dass wir heute nicht ohne Grund wieder über die frühkindliche Betreuung und die frühkindliche Bildung in den Kindertagesstätten diskutieren. Wir haben darüber bereits im Rahmen einer von der SPD-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde Anfang September diskutiert. Es ist schön, dass auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute das Thema für sich aufgemacht hat. Ich denke, dafür wird es langsam Zeit. Wir haben jetzt einen Entschließungsantrag vorliegen, der uns zwar nicht viel Neues sagt, aber es wird Zeit, dass endlich ein Vertrag zu dem Gute-Kita-Gesetz abgeschlossen wird, auf den wir alle warten, insbesondere die Kindertagesstätten und die Eltern. Das ist eine Sache, die kein weiteres Säumen erlaubt. Hier hinken wir in Hessen doch hinterher. Ihr Antrag bleibt auf jeden Fall eine Antwort auf die Frage schuldig: Warum nehmen Sie den Kommunen das Geld weg, um es dann, garniert mit Mitteln vom Bund, für die Kita-Finanzierung zurückzugeben? Warum glauben Sie, dass es als Erfolg bezeichnet werden kann, dass es nicht einen Euro originäre Landesmittel für die Kindertagesbetreuung und für die frühkindliche Bildung geben soll?

(René Rock (Freie Demokraten): Weil das klassische hessische Politik ist!)

– Herr Rock, danke für das Soufflieren. – Ich finde, das ist den Kommunen gegenüber eine Unverschämtheit. (Beifall DIE LINKE und René Rock (Freie Demokraten)) Das ist ein klarer Bruch Ihres Koalitionsvertrags, und es ist einfach auch eine Frechheit gegenüber den jungen Familien im Land. Um es noch einmal deutlich zu machen: Was bedeutet es denn, dass Sie die Kindertagesbetreuung nicht weiter finanzieren, sondern sie aus den kommunalen Geldern herausnehmen? Das bedeutet, die Kommunen diskutieren jetzt darüber – gestern war das schon einmal Thema –, dass die Grundsteuer überall erhöht werden soll. Zumindest in unserem Kreis ist das so. Herr Rudolph hat es schon gesagt: 1.180 Punkte sollen es in Mörfelden-Walldorf sein – übrigens eine Kommune mit einer guten Kinderbetreuung, die sich schon immer bemüht hat. Sie schaffen es aber nicht mehr, die Betreuung in dieser Qualität aufrechtzuerhalten, wenn sie keine ordentliche Finanzierung vonseiten des Landes bekommen.

(Beifall DIE LINKE)

Hier belasten Sie die jungen Familien. Die Familien werden dadurch belastet, dass den Kommunen nichts anderes übrig bleibt, als die Grundsteuer empfindlichst zu erhöhen. Wir sind wieder einmal Vorreiter in ganz Deutschland. Was heißt das? In Deutschland gibt es kaum ein Bundesland, in dem die Kommunen so schlecht finanziert sind wie in Hessen.

(Beifall DIE LINKE)

Es geht auch nicht darum, dass Sie den Kommunen erst einmal das Geld wegnehmen, um es ihnen dann zweckbestimmt oder, entsprechend dieser Aufteilung, nur zum Teil wiederzugeben. Es geht auch darum, dass wir mit den Vorschlägen, die bisher auf dem Tisch liegen, nicht nur einverstanden sind. Nehmen wir z. B. die Erhöhung der Grundpauschalen. Das ist notwendig, das wissen wir. Das war schon deswegen notwendig, weil Sie die teilweise Gebührenfreiheit eingeführt haben. Damals haben Sie den Kommunen nur einen Teil des Geldes gegeben, das sie gebraucht haben, um die ihnen durch die Gebührenfreiheit entstehenden Kosten auszugleichen. Hier sind wir wieder an einem Punkt, dass den Kommunen Geld weggenommen wurde, das ihnen bei der Finanzierung der Kita-Betreuung ganz deutlich fehlt. Meines Erachtens sind Sie wieder dabei, das Konnexitätsprinzip nicht einzuhalten. Ich glaube, so eng, wie Sie es sehen, war es überhaupt nicht gemeint. Hier muss ebenfalls gelten: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Sichern Sie die Beitragsfreiheit endlich über die entsprechenden Landesmittel ab. Jetzt wissen wir langsam, was der Sozialminister nicht nur mit den kommunalen, sondern auch mit den Bundesmitteln machen will. Es steht aber noch nichts fest. Wir hatten im Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss einen Dringlichen Berichtsantrag der FDP vorliegen; da ist er noch sehr vage geblieben. Die Unterzeichnung des Vertrags erfolgt erst am 20. November. Ein früherer Zeitpunkt wäre deutlich besser gewesen; denn erst danach können Gesetze gemacht werden, und erst danach kann Geld fließen. Das heißt, die Kommunen, die Kindertagesstätten und die Erzieherinnen und Erzieher müssen noch warten – wahrscheinlich bis zum Sommer nächsten Jahres –, bis sie das Geld tatsächlich nutzen können. Bei der Verwendung der Bundesmittel finden sich auch gute Dinge. Es ist aber nichts darunter, wofür man sich sonderlich auf die Schulter klopfen müsste. Wenn man Geld vom Bund bekommt – 400 Millionen € sind es –, kann man eigentlich kaum etwas falsch machen. Sie wollen mit den Mitteln die Ausfallzeiten besser abdecken, Sie wollen endlich etwas im Bereich der Leitungsfreistellung tun, und Sie wollen die Ausbildungsbedingungen verbessern. Das ist löblich. Aber das beantwortet noch lange nicht die Frage, wie die 8.000 Erzieherinnen und Erzieher – die FDP spricht von 10.000; da kann etwas dran sein –, die laut Bildungsmonitor der Bertelsmann Stiftung in Hessen fehlen, möglichst zeitnah in die Kitas zu bekommen sind. Da wird es nicht helfen, wenn Sie ein paar Hochglanzplakate in den Straßen aufhängen und Werbekampagnen machen. Das wird nicht zu dem Erfolg führen, den wir brauchen. Auch die 200 – in Worten: zweihundert – zusätzlichen Plätze in der praxisintegrierten Ausbildung sind wirklich nur ein Tröpfchen auf dem heißen Stein. Da sind wirklich mehr Gehirnschmalz und mehr Engagement erforderlich.

(Beifall DIE LINKE)

Wie wäre es denn beispielsweise mit einer besseren tariflichen Anerkennung der sozialen Berufe im Allgemeinen und des Berufs der Erzieherinnen und Erzieher im Besonderen? Mir will immer noch nicht in den Kopf, warum Menschen, die mit unserem Geld umgehen, besser bezahlt werden als Menschen, die mit unseren Kindern umgehen. Ich denke, da gibt es in unserer Gesellschaft eine deutliche Diskrepanz.

(Beifall DIE LINKE)

So ist Ihr Plan für die frühkindliche Bildung nichts Halbes und nichts Ganzes. Ich hoffe, dass Sie sich besinnen und noch einige Millionen Euro Landesmittel draufsatteln. Die Kinder brauchen es, die Eltern brauchen es, und die Kommunen brauchen es. Ich denke, sie alle sollten uns das wert sein. Lassen Sie mich zum Schluss sagen, dass wir aus diesen Gründen – ich denke, das ist deutlich geworden – den Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen und stattdessen dem Antrag der SPD zustimmen werden. Er beinhaltet eine ehrliche Bestandsaufnahme und wird dem Thema eher gerecht als Ihr Jubelantrag. Am Antrag der FDP hat leider der Zahn der Zeit genagt. Er bringt uns heute auch nicht weiter. Deswegen werden wir uns dazu enthalten. – Schönen Dank.

(Beifall DIE LINKE)