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Rede

Petra Heimer – Keine Abstriche bei der frühkindlichen Bildung!

Petra HeimerBildungFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

In seiner 141. Plenarsitzung diskutiert der Hessische Landtag am 20.07.2023 über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in zweiter Lesung „Achtes Gesetz zur Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches“. Dazu unsere Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik Petra Heimer.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Frau Ravensburg, Sie haben gerade gesagt: Heute ist ein guter Tag für die Kitas und die Eltern. – Ich glaube, das sehen nicht alle so. Ich glaube nicht, dass das ein guter Tag wird. Mit dieser Öffnung für andere Kräfte geht natürlich eine Dequalifizierung einher. Das sage ich Ihnen auch als eine Fachkraft. Ich würde unter solchen Bedingungen auch nicht wieder zurückkommen.

Ich finde multiprofessionelle Teams richtig gut, aber bitte nicht unter Anrechnung auf den Fachkräfteschlüssel. Dann kann das mit Sicherheit eine Bereicherung sein. Ansonsten ist es für die Erzieherinnen und die Erzieher wieder ein Mehraufwand, weil sie anleiten müssen. Dann haben sie auch wieder weniger Zeit zur Verfügung.

Die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf der Landesregierung hat gezeigt: Die Not in unseren Kitas ist groß. Sie ist so groß, dass Kita-Träger und Elterninitiativen sogar bereit sind, Abstriche in der pädagogischen Arbeit zu machen, um irgendwie die Betreuung abzusichern.

Wir reden dann von Betreuung und nicht mehr von dem Bildungsanspruch. Die Fachkräfte für frühkindliche Bildung und ihre Interessenvertreter warnen hingegen eindringlich vor diesem Schritt, weil sie fürchten, dass immer mehr nicht pädagogisches Personal, immer mehr Quereinsteigende dazu beitragen, dass die ausgebildeten Fachkräfte das Handtuch schmeißen und gehen.

Die Folgen wären noch gravierendere Einschnitte in die frühkindliche Bildung, meine Damen und Herren. GRÜNE, CDU und auch die SPD haben sich offensichtlich entschieden, den Weg der Dequalifizierung zu gehen. Das entnehme ich dem vorliegenden Gesetzentwurf und den vorliegenden Änderungsanträgen.

(René Rock (Freie Demokraten): Schade!)

Wir werden dies als LINKE nicht machen. Wir lehnen den Vorstoß entschieden ab, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben Ihnen in einem Begleitantrag deutlich gemacht, dass es noch Dutzende Möglichkeiten gibt, um mit besseren Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen Fachkräfte zu gewinnen, sie zu halten und vor allen Dingen auch zurückzugewinnen. Ja, das kostet Geld. Aber die gesellschaftlichen Folgeschäden Ihres Vorschlags werden deutlich darüber liegen, meine Damen und Herren. Sie wählen trotzdem die billige Lösung, die das Land nichts kostet. Sie senken die Personal- und Qualitätsstandards – aber nicht mit uns.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hatte ein bisschen die Hoffnung, dass Sie ein Einsehen haben, als ich die beiden Änderungsanträge bekommen habe. Meine Hoffnung war natürlich umsonst.

Die Koalitionäre von CDU und GRÜNEN betreiben beim Schwerpunkt der Gesetzesänderungen Wortklauberei ohne Auswirkungen und wollen das Ganze dann mit etwas mehr Fördermitteln für die außerschulische Jugendbildung versüßen.

Die SPD behält die Verschlechterung des Qualitätsanspruchs bei und versucht, das durch mehr Praxisanleitung und Fördermittel abzumildern.

Das kann man alles machen, und wir werden diesen minimalen Verbesserungen auch zustimmen. Aber das ändert überhaupt nichts daran, dass dieser Gesetzentwurf, selbst bei der Annahme beider Änderungsanträge, einen massiven Angriff auf die Bildungsqualität in unseren Kindertageseinrichtungen darstellt. Diesen werden wir als LINKE deshalb selbstverständlich entschieden ablehnen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn ich mir anschaue, was Sie in Ihren Wahlprogrammen den Leuten versprechen, dann ist das geradezu zynisch mit Blick auf die heutige Debatte:

Die SPD verspricht beste frühkindliche Bildung und schafft sie heute ein Stück weit mit ab.

Die GRÜNEN versprechen 20.000 neue Kita-Plätze und vertreiben die pädagogischen Fachkräfte, die es dafür braucht.

Die CDU will 10.000 neue Erzieherinnen und Erzieher bis 2028 gewinnen und setzt dabei auf schlechtere Arbeitsbedingungen. Das kann man natürlich machen, wird aber nicht viel bringen.

Ihr Umgang mit der pädagogischen Qualität in unseren Kitas zeigt, dass die Wertschätzung Ihrer Sonntagsreden spätestens nach dem 8. Oktober leider wieder hinter den Ofen gestellt wird.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich am Montag das Bündnis frühe Bildung aus GEW, ver.di, DGB und KitaFachkräfte-Verband zusammengefunden hat, um Ihnen den Druck zu machen, den es offensichtlich in Zukunft braucht. Wir stehen als LINKE klar an der Seite dieses Bündnisses, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Abschluss noch zwei Sätze zum Begleitantrag der FDP. Viele Kritikpunkte von Ihnen teile ich, Herr Rock. Ihr Antrag ist dennoch nichts Halbes und nichts Ganzes; denn Sie kritisieren erst, dass der vorliegende Gesetzentwurf eine Katastrophe ist – wobei ich Ihnen sogar zustimme –, um dann minimale Verbesserungen einzufordern, die im Kern aber die Verschlechterung der Fachkraft-Kind-Relation bestehen lassen. Deshalb werden wir auch diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)