Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Petra Heimer - Kita-Landeselternbeirat: Schwarzgrün ignoriert Arbeit der Kita-Eltern

Petra HeimerFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

In seiner 114. Plenarsitzung am 22. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag den Gesetzentwurf der Landesregierung für einen Landes-Elternbeirat für die hessischen Kitas. Dazu die Rede von Petra Heimer.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ein Landeselternbeirat für die Kindertagesstätten soll in Hessen endlich Realität werden. Das ist die gute Nachricht hinsichtlich des vorliegenden Gesetzentwurfs von Schwarz- Grün. Es ist längst überfällig, dass die Regierungsfraktionen handeln. Denn bereits im Jahr 2019 hat es mit dem vorgelegten Gesetzentwurf der Kolleginnen und Kollegen der SPD- und der FDP-Fraktion eine gute Vorlage gegeben, um einen Landeselternbeirat für die Kindertagesstätten mit einigen Änderungen nach der Anhörung Realität werden zu lassen.

Sie wollten das damals nicht. Ich habe mir die Protokolle einmal angeschaut und gelesen, welche Gründe Sie damals vorgebracht haben, die aus Ihrer Sicht gegen den Gesetzentwurf aus dem Jahr 2019 sprachen. Ich habe das dann mit Ihrem eigenen Gesetzentwurf abgeglichen. Frau Anders formulierte damals in der zweiten Lesung z. B. – ich zitiere –: …, ohne ein festes Fundament und ohne einen Unterbau wird das Dach des Landeselternbeirats wackelig werden. Sie bezog sich dabei auf die dringende Notwendigkeit, mehr Stadt- und Kreiselternbeiräte zu schaffen. Frau Anders, das ist sehr richtig.

Leider hat sich seit dem Jahr 2019 da nur sehr wenig getan. Liegt das vielleicht daran, dass das Land das Thema seitdem nicht so richtig ernst genommen hat? Oder liegt es daran, dass Angehörige der Regierungskoalition in den kommunalpolitischen Gremien gegen genau solche Initiativen gestimmt haben? Das geschah erst kürzlich in Groß-Gerau.

Ich dachte, ich könnte jetzt in Ihrem Gesetzentwurf wenigstens die entsprechenden Regelungen für den notwendigen Unterbau erkennen. Leider muss ich feststellen, dass Sie es bewusst vermieden haben, einen gesetzlich verpflichtenden Rahmen zu schaffen, damit wir bald überall Stadt- und Kreiselternbeiräte für die Kindertagesstätten in Hessen vorfinden. Sie beschränken sich auf eine Kannregelung, obwohl es einer zwingenden Verpflichtung bedurft hätte.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Anders, ich nehme Bezug auf Ihre eigenen Aussagen und frage: Wie wacklig wird Ihr Konstrukt sein? Frau Ravensburg formulierte damals den hehren Grundsatz: Wem sollte man bei einem Gesetz für die Eltern in den Kitas mehr vertrauen als den Kita-Eltern selbst, …

Frau Ravensburg, das sind wahre Worte. Warum tun Sie es dann nicht? Ich finde, es ist schon befremdlich, dass die Vertreterinnen und Vertreter der LAG Kita-Eltern Hessen, die Sie zur Vorstellung Ihres Gesetzentwurfs auf das Podium geholt haben, Ihren Gesetzentwurf gar nicht kannten. Wenn ich mir den Gesetzentwurf anschaue und dann mit den Eckpunkten der LAG vergleiche, wird mir vollkommen klar, warum Sie den Gesetzentwurf den Mitgliedern der LAG zuvor nicht ordentlich vorgestellt haben. Die Forderung der Kita-Eltern nach einer von der Basis her wachsenden Struktur hat nämlich mit Ihrem Ansatz einer direkten Wahl an allen anderen Beiräten vorbei schlichtweg gar nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Das heißt, Sie haben den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der FDP 2019 abgelehnt, weil dieser das Ehrenamt nicht ausreichend berücksichtigen würde. Jetzt machen Sie genau dasselbe. Sie haben die Eckpunkte der LAG Kita-Eltern Hessen mit Ihrem Gesetzentwurf völlig negiert. Sie nennen das schlank und effizient. Ich nenne es Ignorieren von fünf Jahren ehrenamtlicher Arbeit der Kita-Eltern.

Apropos schlank und effizient. Ich möchte noch ein schönes Zitat von Frau Anders vortragen: [Die Eltern] wollen jetzt nicht auch noch mit irgendwelchen schwammigen Gesetzen konfrontiert werden, sondern sie wollen ein Gesetz, das ihnen Sicherheit gibt und ihnen sagt, was sie wann wie tun können.

Es wäre sehr schön gewesen, wenn Schwarz-Grün dieselben Vorgaben für den eigenen Gesetzentwurf zur Grundlage gemacht hätte.

(Beifall DIE LINKE)

Stattdessen wollen Sie fast alle wesentlichen Punkte in eine Verordnung auslagern, die dann ohne Beteiligung des Parlaments beschlossen werden soll. Ich will das Wahlverfahren einmal als Beispiel hervorheben. In der Pressekonferenz haben Sie nebenbei angekündigt, dass es ein digitales Wahlverfahren zur Landeselternversammlung geben soll. In Ihrem Gesetzentwurf finde ich dazu kein Wort. Das ist ein völlig unangemessener Umgang, der keine Rechtsklarheit schafft. Gehen Sie ernsthaft davon aus, dass Sie mit solchen Leerstellen eine Landeselternvertretung bis April 2023 bilden können? Das haben Sie auf der Pressekonferenz den Vertreterinnen und Vertretern der LAG Kita-Eltern Hessen zugesichert. Ich glaube, das wird nicht möglich sein.

Das Gesetz wird frühestens im Dezember 2022 in Kraft treten. Dann müssen Sie die Rechtsverordnung erlassen. Dann müssen Sie Ihr digitales und rechtssicheres Wahlverfahren entwickeln. Sie müssen die Kommunen einbinden, um an die Daten der Anspruchsberechtigten zu kommen, usw.

Ich sage Ihnen voraus: Eine Landeselternvertretung für die Kindertagesstätten wird es im April geben. So wie diese Landesregierung arbeitet, wird das Jahr aber vermutlich dann eher 2025 lauten.

Das wollen wir heute nicht vergessen: Es gibt noch Art. 2 in dem Gesetzentwurf. Schwarz-Grün möchte den Fachkraft- Kind-Schlüssel an unseren hessischen Kindertagesstätten für weitere zwei Jahre aussetzen. Das ist ein fatales Zeichen. Das weist in eine vollkommen falsche Richtung. Offensichtlich hat Schwarz-Grün beim Streik der Sozialund Erziehungsdienste im Frühjahr nicht aufgepasst. Alle Beschäftigten rufen nach Entlastung, um sinnvolle pädagogische Arbeit leisten zu können. Von Schwarz-Grün gibt es stattdessen noch mehr Belastung. So treiben Sie die Fachkräfte aus den Kindertagesstätten, die unter solchen Bedingungen den Kopf nicht mehr hinhalten wollen. Sie machen denselben Fehler wie bei der Pflege. Sie können noch so viele Ausbildungsplätze schaffen – wenn Sie die Arbeitsbedingungen nicht spürbar verbessern, wird es am Ende nur noch ein Stopfen immer größerer Löcher geben. Wir müssen die Kindertagesstätten so aufstellen, dass die Fachkräfte bleiben und dass neue nicht gleich wieder gehen. Wir müssen erreichen, dass aus dem Beruf ausgeschiedene Fachkräfte zurückkehren. Nur so kann dem Erzieherinnen- und Erziehermangel wirksam begegnet werden.

(Beifall DIE LINKE)

Aus all diesen Gründen sage ich Ihnen voraus, dass es vermutlich am Ende des Gesetzgebungsverfahrens von uns keine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf geben wird. Aber vielleicht folgen Sie nach der Anhörung dem Ratschlag der Frau Kollegin Ravensburg aus dem Jahr 2019: Wenn Sie klug wären, … würden Sie Ihren Gesetzentwurf jetzt zurückziehen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)