Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Petra Heimer – Schutzzonengesetz der LINKEN für den Schutz ungewollt Schwangerer – jetzt!

Petra HeimerThemenFrauenGesundheitJustiz- und RechtspolitikSoziales

In seiner 141. Plenarsitzung diskutiert der Hessische Landtag am 20.07.2023 über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in zweiter Lesung „zum Schutz vor Störung Schwangerer bei Schwangerschaftsberatung und -abbruch“. Dazu unsere frauen- und gleichstellungspolitische Sprecherin Petra Heimer.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

Wir erleben in unserem Land aktuell einen massiven Kulturkampf von rechts. Dieser richtet sich gegen Migrantinnen und Migranten, gegen unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebensweisen, gegen queere Menschen und auch gegen Frauen. Wer mit Schaum vor dem Mund von „Genderwahn“ faselt und den Untergang des Abendlandes bei jedem Glottisschlag beschwört, will eigentlich nur eines erreichen: Frauen an einen angeblich angestammten Platz verweisen, sie gesellschaftlich unsichtbar machen und ihnen die über Jahrtausende erkämpften Rechte wieder streitig machen.

In diesem Kontext steht die heutige Debatte; denn unser Schutzzonengesetz ist deshalb erforderlich, weil einige rechtskonservative Kräfte das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren eigenen Körper, ihr Recht auf Gesundheit, auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit öffentlich infrage stellen – wohlgemerkt: noch mehr, als dies der deutsche Staat sowieso tut.

Kürzlich, am 31. Mai, hat das Komitee zur Überwachung der Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention Deutschland erneut gerügt, weil ungewollt Schwangere weiterhin kriminalisiert werden und Schwangerschaftsabbrüche für viele Frauen gar nicht oder nur beschwerlich zugänglich sind. Auch von diesem Hintergrund will ich an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen: Der § 218 StGB gehört abgeschafft,

(Beifall DIE LINKE)

die Beratungspflicht gehört gestrichen – so, wie es die Frauenbewegung in Deutschland seit Jahrzehnten fordert. Aber solange dies noch nicht erfolgt ist, müssen wir als Land Hessen dafür sorgen, dass ungewollt Schwangere, Mediziner und das Beratungspersonal ungehinderten Zugang zu ihrer Arbeit bzw. zu Beratung und Schwangerschaftsabbruch erhalten können, um straffrei und sicher abtreiben zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist in Hessen aktuell nicht der Fall. Sogenannte „Mahnwachen für das Leben“ zielen darauf ab, ungewollt Schwangere zu beeinflussen und ihre freie Entscheidungsfindung mit Fake News zu sabotieren. Sie unterlaufen damit direkt den Schutzauftrag des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, der allen Beratungssuchenden eine anonyme und ergebnisoffene Beratung zusichert. Zivilgesellschaftliche Gegenproteste, die es seit einigen Jahren gibt, versuchen, sich dazwischenzustellen, wo der Staat bei der Umsetzung seiner gesetzlichen Aufgaben versagt. Ihnen gehört unser Dank.

Aber auch ein Protest unter dem Titel „Pro Choice“ kann von ungewollt Schwangeren in einer vulnerablen Situation als schwierig empfunden werden. Deshalb unterscheidet unser Gesetzentwurf bewusst nicht. Er sagt klar: Der Beratungsraum im Sinne des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ist kein Raum für Proteste. Er gehört geschützt, um den Rechtsanspruch von Frauen bei der Beratung und beim Schwangerschaftsabbruch zu sichern.

(Beifall DIE LINKE)

Bleibt es bei der aktuellen Lage, wird Ende September die nächste 40-tägige Belagerung der Beratungsstelle von pro familia Frankfurt erfolgen. Wir können das heute verhindern. Wir können heute die Würde von ungewollt Schwangeren schützen, indem wir das vorliegende Schutzzonengesetz beschließen. Dazu rufe ich Sie alle auf. Ich rufe fraktionsübergreifend insbesondere alle Frauen auf, ihrem Gewissen zu folgen und Solidarität zu beweisen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Eines steht jetzt schon fest: Die von allen, auch von den LINKEN, gewünschte Bundesregelung wird nicht mehr rechtzeitig verabschiedet werden, um das nächste Spießrutenlaufen zu verhindern. Aber wir können es verhindern. Wenn der vorliegende Gesetzentwurf angenommen wird, wird es der Stadt Frankfurt und allen anderen hessischen Kommunen nämlich ermöglicht, umgehend die entsprechenden Versammlungen der Selbstbestimmungsgegnerinnen und -gegner vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken zu untersagen. Wir können heute betroffene Frauen schützen.

(Beifall DIE LINKE)

Wie Frau Prof. Wapler in der mündlichen Anhörung betonte: Eine landesgesetzliche Regelung steht einer bundesgesetzlichen Regelung überhaupt nicht im Wege. Wenn die Bundesregelung juristisch standgehalten hat – denn Klagen wird es ohne Zweifel geben –, können wir unser Schutzzonengesetz gern wieder aufheben. Aber solange die angekündigte Bundesregelung nicht existiert, stehen wir in der Verantwortung, eine landesrechtliche Regelung zu verabschieden, so, wie es auch Bremen gemacht hat.

Dass wir das können, hat die Anhörung ebenfalls gezeigt. Ja, wir hatten zwei unterschiedliche juristische Stellungnahmen. Ein Anzuhörender fand unseren Gesetzentwurf beim Eingriff in die Versammlungsfreiheit zu weitgehend; eine Anzuhörende beurteilte ihn als verfassungsgemäß und kam zu einer abweichenden Rechtsauffassung. Das Gleiche wird einer möglichen Bundesregelung drohen. Am Ende werden vermutlich Gerichte diese Frage entscheiden müssen.

(Elisabeth Kula (DIE LINKE): So ist das!)

– Ja, so ist das, wenn man in einem Rechtsstaat lebt. – Wir bestreiten auch überhaupt nicht, dass dies ein schmaler Grat ist. Aber für uns ist klar: Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper, das sich direkt aus der Menschenwürde ableitet, überwiegt, so, wie es Frau Prof. Wapler und vor ihr auch schon Herr Prof. Hufen betont haben.

Heute braucht es Mut – Mut, das Richtige zu tun und nicht das Bequeme, Mut, dem eigenen Gewissen zu folgen und nicht der Koalitionshierarchie. Ich weiß, dass alle Mitglieder der GRÜNEN-Fraktion in einer anderen Mehrheitskoalition den identischen Gesetzentwurf mit wehenden Fahnen verteidigen würden. Ich wünsche mir, dass Sie heute genau dies machen, nicht für uns LINKE und auch nicht für Sie als GRÜNE, nicht wegen des anstehenden Wahlkampfes, sondern einfach, weil es von einem feministischen Standpunkt aus das einzig Richtige ist.

(Beifall DIE LINKE)

Sollten Sie dies jedoch nicht tun, will ich Ihnen eines klar mit auf den Weg geben: Wer heute gegen den vorliegenden Gesetzentwurf stimmt, soll sich im anstehenden Landtagswahlkampf nicht bei den Gegenprotesten zeigen und beklagen, dass es diese Mahnwachen gibt. Wir alle haben es heute in der Hand, diesen Spuk zu beenden. Lassen Sie uns diese Chance im Sinne der ungewollt Schwangeren nutzen.

Ich beantrage für meine Fraktion, DIE LINKE, eine namentliche Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)