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Rede

Petra Heimer - Schwarzgrün spart die Chancen des neuen Betreuungsrechts kaputt

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In seiner 123. Plenarsitzung am 08. Dezember 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsrecht und zur Änderung weiterer Rechtsvorschriften. Dazu die Rede unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Petra Heimer.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

Ich habe bereits in der ersten Lesung betont, wie wichtig eine Reform des Betreuungsrechtes ist, um einer tatsächlichen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention näher zu kommen. Dafür bietet die Gesetzeslage des Bundes durchaus eine gute Ausgangslage.

Leider hat uns die Anhörung zu dem Gesetzentwurf aber gezeigt, dass diese gute Ausgangslage hier in Hessen in Teilen verspielt wird, was ich wirklich sehr bedauerlich finde. Es ist schon bezeichnend, dass die Kommunalen Spitzenverbände feststellen, dass ihnen im kommenden Jahr 9 bis 10 Millionen € fehlen werden, wenn sie den Ansprüchen des neuen Betreuungsrechts gerecht werden wollen. Noch mehr besorgt es mich, dass laut der Landesarbeitsgemeinschaft der Betreuungsvereine die Landesfinanzierung so knapp bemessen ist, dass ein Teil der Betreuungsvereine schlechter gestellt wird als vor der Reform und insgesamt etwa ein Drittel der Kosten nicht gedeckt sein wird.

Das zeigt wieder einmal: Eine verbesserte Selbstbestimmung in Hessen scheitert an der mangelnden Finanzierung durch das Land. Diese ständige Unterfinanzierung muss endlich aufhören.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Brünnel, ich finde Ihre Argumentation schon ein wenig dreist: Da gibt es einen einzigen Anzuhörenden, der mit einer Stärkung der Betreuungsvereine offensichtlich ein Problem hat, weil er seinen eigenen Berufsverband dadurch ins Hintertreffen kommen sieht. Diese eine Person sieht aus klaren Interessensgründen keine Unter-, sondern eine vermeintliche Überfinanzierung. Diesen einzelnen Anzuhörenden erheben Sie zum Kronzeugen, um den Betreuungsvereinen einen unsachgemäßen Umgang mit ihren Mitteln zu unterstellen, schärfere Kontrollen zu fordern und damit die landesseitige Unterfinanzierung aus dem Fokus zu nehmen. Das finden wir unredlich, und das zeigt eine mangelnde Wertschätzung für die wichtige Arbeit der Betreuungsvereine in unserem Land.

(Beifall DIE LINKE)

Bisher waren wir das hier im Hause immer von Herrn Bocklet gewohnt, der Selbstständigen ohne Krankenversicherung gerne eine Mitnahmementalität unterstellt. Vermutlich wird es deshalb weder einen anonymen Krankenschein noch einen Behandlungsfonds geben, sondern nur ein Zubrot für zwei bereits existierende Clearingstellen im Rhein-Main-Gebiet, nämlich in Wiesbaden und in Frankfurt. Das ist eben das Verständnis von Sozial- und Gesundheitspolitik der GRÜNEN in Hessen. Traurig, aber wahr.

Auch bei den Modellprojekten zur erweiterten Unterstützung hätte ich mir von der Landesregierung mehr Mut erhofft. Ich erkenne an, dass sie immerhin einen mit den Kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Vorschlag zur Auswahl der vier Modellregionen vorbringen konnte. Das ist schon deutlich mehr, als wir von dieser Seite gewohnt sind.

Ich hoffe aber sehr, dass wenigstens nach einer erfolgreichen Erprobung eine parallele Evaluation und nachfolgend eine landesweite Verfügbarkeit vorangetrieben werden, statt dass man sich, wie so oft in Hessen, von Modellprojekt zu Modellprojekt hangelt.

Abschließend will ich darauf hinweisen, dass Sie, wie so oft bei diesem von der Intention her guten Gesetzentwurf, eine völlig fachfremde Verschlechterung in einem anderen Gesetz versteckt haben – konkret: im Psychisch-KrankenHilfe-Gesetz. Damit konterkarieren Sie bewusst die Zielsetzung, die die Betreuungsrechtsreform eigentlich stärken soll. Ihr Vorschlag, dass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte zukünftig einen Verlängerungsantrag für die zwangsweise Unterbringung eines Menschen mit psychischer Erkrankung stellen, begrenzt die Kontrollmöglichkeiten von außen und steht damit im Widerspruch zu den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention.

(Beifall DIE LINKE)

Eine unabhängige Prüfung durch die Sozialpsychiatrischen Dienste noch vor der gerichtlichen Befassung ist zentral, um ungesunde Doppelrollen und daraus resultierende Konflikte zu vermeiden.

Ich fasse zusammen: Ihr Gesetzentwurf bleibt leider unterfinanziert. Damit gefährden Sie die Fortschritte der Reform des Betreuungsrechts. Das ist der Hauptfehler des Gesetzentwurfs. Zudem verschlechtern Sie die Kontrollmöglichkeiten bei zwangsweisen Unterbringungen nach dem PsychKHG. Wir können deshalb Ihrer Vorlage heute leider nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)