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Rede

Petra Heimer - Schwarzgrünes Klimaschutzgesetz ist maximal unverbindlich

Petra HeimerLandwirtschaft und TierschutzUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 116. Plenarsitzung am 12. Oktober 2022 diskutierte der Hessische Landtag das Klimaschutzgesetz der Landesregierung. Petra Heimer fällt hierfür ein vernichtendes Urteil.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Entwurf des lange überfälligen Klimaschutzgesetzes ist inhaltlich eine Katastrophe.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Um die Klimaschutzziele einzuhalten, brauchen wir bis 2035 eine Verringerung der CO2-Emissionen um jährlich 5 Prozentpunkte. Das wären jährlich 2,5 Millionen t. Der Gesetzentwurf geht aber weiterhin von 2045 als Zieljahr mit einer Minderungsrate um nur 3 Prozentpunkte pro Jahr aus. Das ist entscheidend zu wenig. Die Klimaschutzziele des Pariser Abkommens werden damit nicht erreicht.

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Hört, hört!)

So wie der Gesetzentwurf vorgelegt wurde, verlagert er hohe Klimaschutzlasten und -risiken in die Zukunft auf die kommende und jüngere Generation. Das meinte also Boris Rhein, als er Klimaschutz im Mai als „zentrales Zukunftsthema“ bezeichnete. Der Entwurf steht eindeutig im Widerspruch zur Klimaentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021. Der Entwurf ist daher nicht verfassungskonform. Dass sich eine Regierung mit grüner Beteiligung traut, das vorzulegen, ist erstaunlich.

(Beifall DIE LINKE)

Dass erst 2045 als Zeitpunkt der sogenannten Klimaneutralität vorgesehen ist und die Minderungsrate um mindestens 2 Prozentpunkte zu niedrig ist, ist aber kein handwerklicher Fehler. Die verantwortliche grüne Umweltministerin und der verantwortliche grüne Verkehrs- und Energieminister wissen sehr genau, dass der vorgelegte Entwurf nicht reicht. Sie wissen, dass Hessen noch ein CO2-Budget von ca. 300 Millionen t hat. Das haben ihnen Umweltverbände vorgerechnet. Mehr dürfen nicht mehr freigesetzt werden. Der Entwurf der Landesregierung geht aber von 500 Millionen t aus.

Es ist bekannt, dass sich die Landesregierung über Jahre gegen ein Klimaschutzgesetz gesperrt hat. Verbindliche Regelungen in Gesetzesform haben Sie als überflüssig abgewehrt. Traurig genug, aber erst der Druck von „Fridays for Future“, Umweltverbänden und der Opposition aus LINKEN und SPD hat Sie gezwungen, einen Gesetzentwurf vorzulegen.

(Beifall DIE LINKE – Lachen Felix Martin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie legen jetzt aber einen Gesetzentwurf vor, dessen Hauptfunktion es ist, zum Ende Ihrer für den Klimaschutz weitgehend verlorenen Regierungszeit noch einmal Handlungen zu simulieren.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Simulieren!)

Das ist es, was Sie machen. Sie vermeiden verbindliche Regelungen. Sie simulieren Klimaschutz. Das reiht sich ein in die grüne Verkehrspolitik mit der Verteidigung der Kurzstreckenflüge, dem Abholzen von Wald für die A 49, A 44 oder dem Riederwald. Es passt zur Ablehnung des Volksbegehrens der Verkehrswende und zur Werra-Versalzung.

(Beifall DIE LINKE)

Genau so hat Schwarz-Grün das schon einmal gemacht. Von dem Klimaschutzplan 2025 war schon vor seiner Verabschiedung 2017 klar, dass er weder für 1,5 noch für 2 Grad taugt. Auch jetzt wissen alle, dass der Gesetzentwurf nicht reicht. Die Landesregierung verspielt erneut Zeit und spitzt die extrem schwierige Lage weiterhin zu. Dabei wissen Sie doch genau, dass die restliche Zeit, die wir noch haben, um die Klimakrise halbwegs zu bewältigen, so wertvoll ist wie Goldstaub. Hitzewellen, Dürreperioden, Wassermangel, Ernteeinbrüche, Extremwetterereignisse und Klimaflüchtlinge werden immer wieder benannt, doch im Gesetzentwurf hat sich das nicht niedergeschlagen.

Verbindliche Sektorziele sind das Herz des Bundes-Klimaschutzgesetzes von 2019. Jedes Bundesland muss den Sektoren Verkehr, Energie, Mobilität, Landwirtschaft usw. Jahreshöchstmengen an CO2-Emissionen zuordnen. Im Entwurf sind die Sektoren nicht entsprechend dem Bundesgesetz abgebildet.

Wirklich dreist ist aber, dass es im Gesetz keine verbindlichen Sektorziele gibt. Diese festzulegen überlässt die Landesregierung den obersten Landesbehörden, also sich selbst. Das ist dreist. Der Gesetzentwurf erfüllt hier noch nicht einmal die Anforderungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes.

Was die Landesregierung hier vorlegt, ist ein Blendwerk. Damit werden alle Klimaschützer und vor allem die jüngeren Menschen verhöhnt. Wenn die Sektorziele im Gesetz stehen, würden sie auch für zukünftige Regierungen gelten. Das ist der Sinn von Gesetzen. Sie gelten für alle.

Sie verpflichten auch die Regierenden auf die Einhaltung von Zielen, und diese wären einklagbar. Genau das will Schwarz-Grün vermeiden.

(Beifall DIE LINKE)

Schwarz-Grün hat den Gesetzentwurf zahnlos gemacht. Der Entwurf vermeidet jegliche Anforderungen, Ziele, Vorgaben und Verbote: keine Sektorziele, keine Pflicht zur Nutzung von Restwärme, keine Solarpflicht, kein Schutz von klimawirksamen Böden. Auch die gesetzliche Verankerung von Förderungen des Landes gegenüber Dritten sucht man vergebens. Das würde das Land verpflichten, z. B. die Kommunen finanziell zu unterstützen, was viele der Klimakommunen fordern. Das Land verzichtet komplett darauf, eigene Vorschriften zu erlassen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Gesetz maximal unverbindlich bleiben soll. Aber die Regierung schreibt im Vortext, dass das Gesetz den legislativen Handlungsspielraum ausschöpfe. Das ist wirklich nur Blabla.

Andere Bundesländer haben das viel besser gemacht. Die zentralen Vorgaben gehören in das Gesetz, aber nicht in den Plan und auch nicht unter Haushaltsvorbehalt.

(Beifall DIE LINKE)

Die Regierungen hatten genug Geld für die Bankenrettung. Sie hatten genug Geld für die Firmenrettung in der CoronaKrise und jetzt auch in der Energiepreiskrise. Aber der Klimaschutz steht unter Haushaltsvorbehalt. Sie wollen lieber die Schuldenbremse einhalten, als unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Das ist nicht akzeptabel. Der Klimaschutz darf der Schuldenbremse nicht geopfert werden. Wir bleiben dabei: Die Schuldenbremse muss weg.

(Beifall DIE LINKE)

In den vergangenen sechs bis acht Jahren sind die CO2Emissionen kaum zurückgegangen. Nach fast neun Jahren Schwarz-Grün brauchen wir jetzt stärkere Minderungsraten, also große Schritte. Doch große Schritte werden nur mit Aufklärung auf der Basis freiwilliger Maßnahmen und mit Förderprogrammen wie bisher nicht mehr zu realisieren sein. Im Entwurf gibt es keine Konkretisierung dazu, nur den Verweis auf den neuen Klimaschutzplan, den wir aber nicht kennen. Der Plan entsteht ohne öffentliche Diskussionen, ohne Parlamentsbeteiligung, und er wird unverbindlich sein. Weil Klimaschutz aber verbindlich sein muss, wollten wir ein Gesetz, aber eines mit Inhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Die Regierung will die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2025 um mindestens 40 % und bis zum Jahr 2030 um 65 % senken. Ein Monitoring soll alle fünf Jahre stattfinden. Wenn das Gesetz ab dem Jahr 2023 in Kraft treten würde, wäre die nächste Kursüberprüfung im Jahr 2028. Insofern hätten wir insgesamt also maximal nur zwei Jahre Zeit, um nachzusteuern. Das ist Unfug. Das muss jährlich passieren, damit wir schnell nachsteuern können. Das haben wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode gefordert.

Der Entwurf der Landesregierung müsste entscheidend nachgebessert, am besten aber neu geschrieben werden. Einen ausreichenden Beitrag zur Einhaltung des für viele Millionen Menschen überlebensnotwendigen 1,5-GradZiels leistet dieses Gesetz nicht. Drastischer formuliert: Wenn das Gesetz wie vorgelegt beschlossen würde, wäre es mitverantwortlich für das Leid und unter Umständen auch den Tod vieler Millionen Menschen.

(Felix Martin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geht es eigentlich noch?)

DIE LINKE in Hessen wird ein solch tödliches Gesetz niemals akzeptieren.

(Beifall DIE LINKE)

Wir fordern die Landesregierung auf, diesen grottigen Entwurf zurückzuziehen. Machen Sie sich den Entwurf des BUND zu eigen, und bringen Sie diesen ein. Der Vorschlag des BUND, verbessert um einige soziale Komponenten, würde den Klimaschutz in Hessen auf ein neues Niveau heben. Der Vorschlag der Landesregierung ist so unverbindlich, dass er wirksamen Klimaschutz verhindert. Es ist ein Klimaschutzverhinderungsgesetz. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)