Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Petra Heimer zur Düngemittelverordnung

Petra HeimerLandwirtschaft und TierschutzUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 114. Plenarsitzung am 22. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Düngemittelverordnung. Dazu die Rede von Petra Heimer.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nur ca. die Hälfte des in der Landwirtschaft eingesetzten Stickstoffs wird von den Pflanzen genutzt. Die andere Hälfte geht in die Atmosphäre, belastet unser Grundwasser und überdüngt Bäche und Flüsse. Mehr als 50 % der reaktiven Stickstoffverbindungen gelangen in Deutschland über die Landwirtschaft in die Umwelt. Zu Recht hat Deutschland aufgrund seiner Großzügigkeit beim Einsatz von Dünger ein Vertragsverletzungsverfahren von der Europäischen Kommission kassiert. Die Hessische Landesregierung hat hier keine gute Figur gemacht.

Hohe Nitratkonzentrationen auf den Feldern sind ein Umweltproblem, gefährden unser Trinkwasser sowie die Artenvielfalt und verursachen hohe Folgekosten. Vor diesem Hintergrund und mit der Begründung, dass in Europa Krieg ist, fordert die Fraktion der AfD die Landesregierung auf, die Umweltgesetzgebung zu schleifen. Das ist absurd, aber nicht neu. Das hat sie mit anderen Begründungen auch schon vor dem russischen Angriffskrieg gefordert.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Dann lieber verhungern, oder?)

Auch die Landwirtinnen und Landwirte wissen, dass es darauf ankommt, Dünger zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge und Form auszubringen, sodass wir das Nitrat nicht später aus unserem Trinkwasser entfernen müssen.

(Volker Richter (AfD): Sie wissen doch genau, wie es geht!)

Darüber hinaus haben sich die Preise für Stickstoffdünger seit 2020 vervielfacht. Es liegt also auch im eigenen ökonomischen Interesse der Landwirte,

(Gerhard Schenk (AfD): Nichts mehr zu ernten!)

kein Kilogramm Dünger mehr auf den Acker zu bringen, als die Pflanzen wirklich aufnehmen können.

(Beifall DIE LINKE – Dr. Frank Grobe (AfD): Die sollen lieber insolvent gehen?)

Bei der Düngeverordnung geht es nicht darum, unsere Landwirtinnen und Landwirte zu drangsalieren.

(Gerhard Schenk (AfD): Was denn sonst?)

Es geht um eine umwelt- und klimaverträgliche Landwirtschaft, die auch in Krisenzeiten in der Lage ist, uns zu ernähren.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Das wird sie dann aber nicht mehr sein!)

Darum geht es der AfD aber nicht. Sie unterstützen mit ihrer Aktuellen Stunde das Geschäftsmodell der Agrarmultis.

(Dr. Frank Grobe (AfD): In Afrika sollen Leute sterben?)

Nur mit einer Intensivlandwirtschaft, die außer der Nutzpflanze alles andere Leben auf dem Acker totspritzt, sei der Welthunger zu stillen. Meine Damen und Herren, das war schon lange vor dem Ukraine-Krieg falsch.

(Beifall DIE LINKE und Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die aktuelle Argumentationsstrategie der Befürworter dieser Intensivlandwirtschaft ist bekannt. Im Windschatten der ökonomischen Verwerfungen und der gesellschaftlichen Verunsicherung durch den Krieg propagieren Sie in populistischer Manier

(Lachen Dr. Frank Grobe (AfD))

all das, was Sie vor dem Krieg schon immer wollten:

(Gerhard Schenk (AfD): 2 % betreiben Landwirtschaft, 98 % wissen, wie es geht!)

Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke, stärkere Militarisierung und Landwirtschaft auf Naturschutzflächen.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Das sind die nächsten Megakatastrophen, die Sie unterstützen!)

Nicht erst die Klimakrise hat uns gezeigt, dass die von der Agrarindustrie propagierte Intensivlandwirtschaft eher Teil vieler Probleme und nicht die Lösung der Welternährung ist.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe AfD – Glockenzeichen)

Die ökologische Landwirtschaft mit weniger Dünger und weniger Pestiziden verursacht nicht nur weniger Umweltprobleme, sondern sie ist darüber hinaus besser in der Lage, sich auf die veränderten Klimabedingungen anzupassen. Ökologisch bewirtschaftete Felder speichern mehr Kohlenstoff und mehr Wasser. In der Klimakrise ist die Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft Teil der Lösung.

(Dr. Frank Grobe (AfD): In der Schule nicht aufgepasst!)

Meine Damen und Herren, in der aktuellen Energiekrise müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die ökologische Landwirtschaft von steigenden Düngemittelpreisen, von steigenden Preisen für die Agrochemie deutlich weniger stark betroffen ist als die Intensivlandwirtschaft.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Zurück zur Drei-Felder-Landwirtschaft! – Gerhard Schenk (AfD): Das kauft dann keiner, weil es zu teuer ist!)

Was die Ökolandwirtschaft nicht macht, ist, die Stakeholder der großen Agrarkonzerne zufriedenstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist nicht zu leugnen, dass weniger Dünger, weniger Agrochemie in vielen Fällen zu geringeren Erträgen führen.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Dann sprechen Sie mit den Landwirten!)

Das ist der Preis für Umweltschutz und mehr Biodiversität.

(Beifall DIE LINKE)

Das wäre aber kein Problem, wenn wir aufhören würden, Lebensmittel in der Größenordnung von fast einem Drittel des aktuellen Verbrauchs wegzuwerfen. Es wäre kein Problem, wenn wir weniger Tiere mit Nahrung mästen würden, die wir selbst gut essen könnten, wenn wir keine Nahrung mehr in den Tank füllen würden und wenn wir damit aufhören, Märkte in anderen Ländern mit Hühnerklein und Schweinehälften zu überfluten.

(Beifall DIE LINKE – Manfred Pentz (CDU): Das hat im Sozialismus gut funktioniert!)

Es ist eine rein rhetorische Frage, warum AfD und Co. diese Argumente in den Wind schlagen

(Manfred Pentz (CDU): Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!)

und lieber unser Grundwasser mit Nitrat belasten sowie viel Energie für die Herstellung von Düngemitteln einsetzen wollen. Ob Ukraine-Krieg, Corona oder Klimakrise, wir müssen diese Krisen zum Umdenken nutzen, oder wir werden an ihnen scheitern. Den notwendigen sozial-ökologischen Umbau müssen wir demokratisch und solidarisch gestalten.

(Beifall DIE LINKE)

Was wir nicht tun dürfen, ist, auf diejenigen zu hören, die uns einreden wollen, noch mehr von dem zu machen, was uns erst in diese Krisen geführt hat. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)