Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Petra Heimers erste Rede im Hessischen Landtag

In seiner 113. Plenarsitzung am 21. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Hessischen Ausführungsgesetz zum Betreuungsrecht. Dazu hielt unsere nachgerückte Abgeordnete Petra Heimer ihre erste Rede. Herzlichen Glückwunsch!

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es kann jede und jeden von uns treffen: eine plötzliche Erkrankung, ein schwerer Unfall und in der Folge eine Beeinträchtigung, die uns daran hindert, unsere Angelegenheiten wahrnehmen zu können. Mit vielem sind wir dann überfordert. Das Betreuungsrecht soll regeln, dass niemand in einer solchen Situation alleingelassen wird, sondern Unterstützung erfährt. Das ist ein Grundpfeiler einer solidarischen Gesellschaft: Betroffene stärken und damit ihre Menschenwürde schützen. Das ist das Entscheidende.

Die Landesregierung ist nun aufgefordert, dieses Gesetz umzusetzen und damit dafür zu sorgen, dass diese hohen Ansprüche in Hessen auch verwirklicht werden.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist mit dem hier heute diskutierten Gesetzentwurf nicht gelungen. Auf die Betreuungsbehörden und auch auf die Betreuungsvereine kommen zahlreiche neue Aufgaben zu. So soll die Qualität der Betreuung nun sichergestellt werden durch Sachkundelehrgänge und weitere betreuungsspezifische Studien, durch Ausbildungs- und Weiterbildungsgänge. Für deren Anerkennung wird das Ministerium als überörtliche Betreuungsbehörde zuständig sein.

Die Betreuungsvereine sollen die ehrenamtlichen Betreuer engmaschig begleiten und beraten. Es werden zudem die allgemeinen Informationspflichten der Betreuungsvereine ausgeweitet. Das alles gibt es nicht umsonst. Dafür braucht man eine langfristige, bedarfsgerechte Finanzierung. Wir werden Ihren gerade vorgestellten Haushalt darauf prüfen, ob Sie da die notwendigen, deutlich höheren Ausgaben im Betreuungsbereich veranschlagen. Skepsis ist nach Ihrer Praxis der letzten Jahrzehnte hier mehr als nur angebracht.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Betreuungsvereine haben Sie eine ausführliche Regelung in den Gesetzentwurf geschrieben, was wir erst einmal begrüßen. Ich bin allerdings sehr skeptisch, ob Ihre Berechnungen zu einer bedarfsgerechten Finanzierung führen. Diese ist aber notwendig und ist im Übrigen auch im neuen Betreuungsorganisationsgesetz vorgeschrieben. Sie schreiben aber schon in Ihrer Begründung, dass sich die Landkreise und kreisfreien Städte weiterhin ergänzend an den Finanzierungen beteiligen. Damit ins vonseiten des Landes keine bedarfsgerechte Ausstattung der Betreuungsvereine sichergestellt.

Es sind wieder einmal die Kommunen, die die Lücken füllen sollen, die die Landesregierung lässt, weil sie nicht willens ist, aus Landesmitteln eine vernünftige Finanzierung und damit eine vernünftige Betreuung der Betroffenen sicherzustellen. Das ist verantwortungslos.

(Beifall DIE LINKE)

Dann bemühen Sie als Grundlage für Ihre Berechnungenn Zahlen aus dem Jahre 2013. Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, dass seitdem alles teurer geworden ist? Ich denke, da werden Sie noch einmal nachbessern und eine ganze Schippe drauflegen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Bevor ich zum Schluss komme, lassen Sie mich noch einen inhaltlichen Punkt ansprechen. Im neuen Betreuungsorganisationsgesetz ist die erweiterte Unterstützung neu eingeführt. Das sind Beratungs- und Unterstützungsleistungen, die den Betroffenen helfen, aber unterhalb einer Betreuung liegen, sodass eine Betreuung vermieden werden kann. Diese Maßnahmen garantieren die weitestgehende Selbstbestimmung und sind daher, wenn sie im Einzelfall infrage kommen, immer der Betreuung vorzuziehen.

(Beifall DIE LINKE)

Leider hat der Bundesgesetzgeber im neuen Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts die Prüfung von Maßnahmen der erweiterten Unterstützung nicht verpflichtend eingeführt, sondern ermöglicht den Ländern, stattdessen Modellprojekte dazu durchzuführen. Es wurde eben schon gesagt, dass es vier Regionen gibt, die als Modellprojekte dienen. Das heißt, es kommt in Zukunft darauf an, wo man lebt, ob man nun Betreuung erfährt oder ob man gleich entmündigt wird. Das kann doch alles nicht wahr sein.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf: Bis 2027!)

Wir als LINKE sagen: Es dürfen keine Mittel und Mühen gescheut werden, um Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dieses leistet der vorliegende Gesetzentwurf leider nicht. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)