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Rede

Rede Marjana Schott zum Gesetzentwurf der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein „Gesetz zur Änderung des Hessischen Rettungsdienstgesetzes“

Marjana Schott
Marjana SchottGesundheit

Rede Marjana Schott am 20. Juni 2018 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte Damen und Herren,

bevor ich zu dem Gesetz komme, möchte ich mich bei allen bedanken, die im Rettungsdienst tätig sind. Bei den Mitarbeitern der Leitstellen, der Rettungs- und Krankenwagen, den Verbänden und Organisationen, die im Rettungsdienst tätig sind, der Notfallseelsorge und der Ehrenamtlichen, ohne die vieles nicht möglich wäre. Nur mit einem gut koordinierten und tatkräftigen Einsatz aller Beteiligten, natürlich auch derjenigen in Krankenhäusern und Arztpraxen ist es möglich Menschenleben zu retten, Leiden zu mindern und Krankheitsfolgen abzumildern. Ihnen gebührt für diese verantwortungsvolle Tätigkeit und ihren persönlichen Einsatz unser aller Dank. Ohne Engagement, das über die normale Pflichterfüllung hinausgeht, würde diese Gesellschaft nicht zusammenhalten. Ohne Anerkennung der geleisteten Arbeit geht es allerdings auch nicht. Deshalb setzen wir uns auch für eine gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen derjenigen ein, die im Rettungsdienst und Gesundheitswesen tätig sind.

Sehr geehrte Damen und Herren,

so sehr ich die Arbeit der Rettungsdienste loben kann, mein Unverständnis über diese Gesetzesvorlage muss ich deutlich machen.

In Eilausfertigung - ich weiß nicht zum wievielten Male - kommt eine Gesetzesänderung um die Ecke, die erkennen lässt, dass festgestellt wurde: huch es ist ja schon 2018, das Gesetz läuft zum Ende des Jahres aus. Wenn wir schon das Parlament und die parlamentarischen Abläufe nicht ernst nehmen, dann beschäftigen wir doch mal die Opposition kurz vor und nach der Sommerpause mit einem Gesetz, an dem sie herumkauen können, um den Kern zu finden.

Die angeblich wichtigen Bestandteile sind:

Aus dem Wort Notfallversorgung wird jetzt Notfallrettung. Statt ‚zusammenwirken‘ soll da jetzt ‚eng zusammenarbeiten‘ im Gesetz stehen. Hilfeersuchen wird durch Notrufe und Notfallmeldungen ersetzt. Rettungswagen wird durch Kranken- und Rettungstransportwagen ersetzt. Das erhöhte Einsatzaufkommen bei Eisregen wird geregelt. Die Krankenhausgesellschaft soll nicht nur Gaststatus im Landesbeirat bekommen. Es erfolgt Angleichung an andere Gesetze, Überschriften werden präzisiert. Und die Jahreszahl 2018 wird durch 2026 ersetzt. Es gibt auch wichtigere Änderungen, wobei es sich mir manches bei diesem Gesetz  nicht erschließt, warum dies hier und nicht in der Verordnung geregelt werden muss.

Wichtiger sind Regelungen zur Vergabe der Leistungen. Ein Verwaltungsmonopol ist sinnvoll und notwendig. Gerade in Zeiten des europaweiten Ausschreibungswahns ist es notwendig zu betonen, dass Rettungsdienste mit Eigenbetrieben oder Feuerwehren selbst durchgeführt werden können. Warum die Luftrettung davon ausgenommen sein soll und hier Ausschreibungsverfahren erforderlich sind, erschließt sich mir von der Sache her nicht.

Die Einrichtung einer Personenauskunftsstelle für Betroffene und deren Angehörige bei Großschadensereignissen, wie Flugzeugabstürzen, Unfälle in industriellen Großanlagen oder Wetterkatastrophen ist sicher eine sinnvolle Einrichtung. Allerdings muss gewährleistet sein, dass hier nur die Information der Angehörigen erfolgt und keine Sensationsbedürfnisse bedient werden. Hier wurde auch der Datenschutzbeauftragte einbezogen, der das Datenaustauschverfahren der Behörden mit seiner Stellungnahme, die allerdings von 2016 lautet, bestätigt.

Unklar ist mir allerdings noch, was Sie mit der Regelung in demselben § 17 beabsichtigen, die den Datenschutz zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung aussetzen soll. Was bezwecken Sie damit? Wenn sich eine Gefahrenlage ergibt, wird der Rettungsdienst die Polizei zu dem Geschehen dazu rufen. Was sollen die Rettungsdienstmitarbeiter*innen darüber hinaus tun? Wird die ärztliche Schweigepflicht damit eingeschränkt? Es gibt ja einige Ausnahmen davon, wenn ein höherwertiges Rechtsgut konkret gefährdet ist, wenn eine schwerwiegende Straftat geplant ist. Was möchte die Landesregierung mit dieser Änderung erreichen? Da bin ich auf Ihre Argumentation gespannt.

Im Zusammenhang mit einer Gesetzesänderung sollte eigentlich evaluiert werden, wie der Rettungsdienst aktuell funktioniert, wie sich Einsatzzahlen entwickeln, ob die Strukturen sinnvoll sind oder geändert werden müssen. Dazu gibt es Nichts von der Landesregierung. Wir wissen aber, dass Einsatzzahlen steigen und dies nicht nur mit einer älter werdenden Bevölkerung zu tun haben. Wir wissen, dass sich die Einsatzzahlen in den Landkreisen sehr unterschiedlich darstellen. Zumindest die Landesregierung weiß aber nicht warum. Wir wissen, dass mit Notfallambulanzen in Krankenhäusern, Bereitschaftsdienstzentralen der niedergelassenen Ärzt*innen und den Rettungsdiensten eine für die Bevölkerung unübersichtliche Struktur existiert, die dazu führt, dass viele an der falschen Adresse landen und die Einrichtungen überlastet sind. Eine Auswertung dieser Entwicklungen erwarte ich bei einer Gesetzesnovellierung und nicht die klammheimliche Einführung neuer Datenschutzausnahmetatbestände bei ansonsten Änderung von Überschriften.