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Rede

Rede Marjana Schott zur Aktuellen Stunde der SPD „Gebührenfreie Bildung von Anfang an – Hessens Eltern entlasten – Hessens Kommunen ausreichend unterstützen“

Marjana Schott
Marjana SchottFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

Rede von Marjana Schott am 22. Februar 2017

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,

Gebührenfreie Bildung von Anfang an – Hessens Eltern entlasten – Hessens Kommunen ausreichend unterstützen – Sie sehen mich fassungslos ob des Titels der aktuellen Stunde. Fassungslos, aber nicht sprachlos – zu früh gefreut.

Ich fragte mich, wie Gerhard Merz es schafft uns den Schulz zu machen. Jetzt wissen wir es. Herr Merz, kennen Sie schon das neue Verb: schulzen? Nicht umsonst sprachlich verwandt mit Schnulze. Es bedeutet, den Menschen – hier insbesondere Wählerinnen und Wählern – was vorzumachen, sie mit einer Prise Selbstkritik und etwas Kosmetik zu beeindrucken. Die Gefahr ist groß, dass es anschließend in der großen Koalition so weiter geht wie zuvor und sie haben noch die letzten Wähler*innen verprellt und den Menschen ihren Glauben an die Politik genommen.

Warum ich Ihnen Schulzerei vorwerfe? DIE LINKE hatte einen Gesetzesentwurf zum Kifög hier im Landtag. Abgelehnt wurde er in der letzten Plenarwoche auch mit den Stimmen der SPD. Wir beantragten die Elternbeiträge abzuschaffen, um die Eltern zu entlasten, wir vereinfachten die Pauschalen, mit beidem reduzierten wir den Verwaltungsaufwand und erhöhten die Pauschalen, um den Kommunen mehr Spielraum zu geben. Dies bestätigten auch Anzuhörende aus Kommunen, dass dies sehr hilfreich ist. Die aktuelle Stunde der SPD verstehe ich jetzt als verzögerte Reaktion auf unseren Antrag. Er war ja nur ein Jahr in der Beratung.

Aber ja, Herr Merz, sie sagten, Sie könnten nicht zustimmen, weil sie unsere Rechnung nicht verstanden haben. Ich hatte allerdings erklärt, dass wir jeweils die höchsten Pauschalen genommen haben, den Betrag, der durchschnittlich den Elternbeiträgen entspricht, draufgesattelt haben, ebenso die Pauschale nach dem Bildungs- und Erziehungsplan und die anteiligen anderen Pauschalen und diese Pauschalen zugunsten der Kommunen aufgerundet haben. Ich hätte es Ihnen auch mal persönlich erklärt, wenn Sie es wirklich interessiert hätte.

Stattdessen hat die SPD einen kleinmütigen und nicht ausreichenden Antrag auf Befreiung von einem weiteren Beitragsjahr vorgelegt. Warum es das vorletzte Kitajahr wäre, obwohl man doch Eltern und Kinder möglichst früh für die Kita gewinnen wollte, blieb unklar. Wie die Kommunen mit den 100 Euro pro Monat die fehlenden Elternbeiträge kompensieren wollen, blieb auch unklar, da es zahlreiche Kommunen gibt, die bereits für fünf Stunden Unterbringung höhere Beiträge einfordern. Und was hat DIE LINKE gemacht? Wir haben zugestimmt. Weil es ein – wenn auch kleiner – Schritt in die richtige Richtung wäre. Wir sind da ja nicht so.

Ich kann jetzt gerne noch mal alle Argumente des letzten Jahres wiederholen. Kindertagesbetreuung ist Teil des Bildungswesens und muss deshalb kostenfrei sein. Öffentliche Güter sollen allen Menschen unabhängig von ihrem Einkommen zur Verfügung stehen, das erreicht man am besten mit kostenlosen Angeboten. Gerade für Eltern mit niedrigen Einkommen über dem Grundsicherungssatz ist die Kinderbetreuung eine kostspielige Angelegenheit. Wenn das Kind bei Beitragserhöhungen nicht gleich abgemeldet wird, werden oft Betreuungsstunden reduziert, weil ansonsten die Finanzierung nicht möglich ist. Die Kommunen tragen etwa den hauptsächlichen Anteil der Kosten für die frühkindliche Bildung. Sie ächzen unter dieser Last, reduzieren Personal, soweit es die Kifög-Anforderungen übersteigt. Sie erhöhen die Elternbeiträge.

Die Landesmittel machen laut Evaluationsbericht der Landesregierung bei den freien Trägern knapp 18 Prozent aus, bei den kommunalen Trägern 23 Prozent, der Anteil der kommunalen Kosten beläuft sich auf 59 Prozent. Die Elternbeiträge wurden innerhalb eines Jahres in 45 Prozent der kommunalen Einrichtungen erhöht. Durchschnittlich um 26,47 Euro wurde der Platz in der Kinderkrippe, um 20,46 Euro im Kindergarten innerhalb von zwei Jahren erhöht. Interessant sind die Kosten eines Platzes, interessant ist insbesondere die hohe Varianz bei den Kommunen und Trägern. Ein Kinderkrippenplatz kostet in Hessen zwischen 75 und 700 Euro pro Monat. Ein Kindergartenplatz zwischen 45 und 300 Euro, der Durchschnitt liegt bei 165 Euro. Der Hortplatz kostet zwischen 60 und 295 Euro.

Das sind die Beiträge für die maximale Betreuungszeit ohne Verpflegungsgeld. In einigen Kommunen ist der Kitaplatz sogar kostenlos. Was sagen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien und der Landesregierung, kann man da noch von gleichwertigen Lebensverhältnissen sprechen? Hat die Landesregierung hier nicht die Verantwortung dafür zu sorgen, dass überall eine gute Qualität in der frühkindlichen Bildung geleistet werden kann, dass sich Eltern diese auch leisten können, dass Fachkräfte in den Einrichtungen gut arbeiten können und nicht frustriert den Beruf an den Nagel hängen müssen, dass Kinder überall nach ihren Möglichkeiten gefördert werden?

Hier sehen wir die Aufgabe der Landesregierung. Wir erwarten Konsequenzen aus der Evaluation des Kifög. Wir erwarten schnelle und grundlegende Änderungen. Wir erwarten höhere Qualitätsstandards, von denen Sie dauernd sprechen, wir erwarten mehr finanzielle Beteiligung durch das Land und zwar im entscheidenden Maße. Ich möchte mit einem Zitat von Nelson Mandela schließen: „Eine Gesellschaft offenbart sich nirgendwo deutlicher als in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern umgeht. Sie sind in jeder Gesellschaft zugleich die verwundbarsten Bürger und ihr größter Reichtum.“

Dies ist das Motto unserer Kinder- und Jugendrechtetagung am 25. März in Frankfurt. Sie sind herzlich eingeladen.