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Rede

Rede zu TTIP als "Wirtschafts-NATO" verhindern

Willi van Ooyen
Willi van OoyenWirtschaft und Arbeit

- unkorrigiertes Redemanuskript - es gilt das gesprochene Wort! -

Herr Präsident, meine Damen und Herren

Die Verhandlungen zur Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zielen auf die umfassende Liberalisierung des transatlantischen Handels und die weltweit größte Freihandelszone mit rund 800 Millionen Einwohnern. TTIP ist eine Reaktion großer Konzerne in EU und USA gegen neue starke Wettbewerber, die ihre Vormachtstellung gefährden könnten. Die US-Regierung schwärmte von der Schaffung einer „Wirtschafts-NATO“.

Es droht eine internationale Öffnung der Vergabe öffentlicher Daseinsvorsorge und damit ein neuer Anlauf der Privatisierung, zum einen durch TTIP und gleichzeitig mit dem verhandelten Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TISA). Die Bundesregierung treibt all diese Abkommen mit aller Macht voran.

Über eine „Negativliste“ soll alles liberalisiert werden, was eine Vertrags-Partei nicht ausdrücklich auf die Liste setzt. Nichts ist ausgeschlossen, weder soziale Dienste, Bildung, Gesundheit noch Abfallentsorgung, Energie  und Verkehr. Zwar ist bislang noch nicht über öffentliche Dienstleistungen beraten worden, die Interessen der amerikanischen Seite könnten aber bestehen, so die Europäische Kommission. Derartige international bindende Verträge brechen kommunale, regionale, Landes- oder auch nationale Regelungen.  (Städte- und Gemeindebund Brandenburg) Dies würde fortschrittlichere Gesetze stark gefährden, wenn nicht gar unmöglichen machen – sowohl auf EU Ebene, aber auch in den Mitgliedstaaten, den Ländern und Kommunen. Dies gilt auch für die Rekommunalisierung.

Eine neue Runde der Ausschreibung z.B. der öffentlichen Wasserversorgung kommt damit wieder- und zwar international - auf die Tagesordnung. Künftig müssen wir unser Wasser dann wohl von Coca-Cola kaufen. Darüber hinaus droht eine massive Schwächung der Arbeitnehmerrechte und die massive Entwertung der wichtigsten Standards der Internationalen Arbeitsorganisation.

Denn die USA haben im Unterschied zur EU nur zwei der ILO- Kernarbeitsnormen unterzeichnet. Nicht unterzeichnet sind die Konventionen zur Gewerkschaftsfreiheit, zur Kollektivertragsfreiheit, zur Zwangsarbeit (Nr. 29), zu gleicher Entlohnung, zu Mindestalter für Beschäftigung und über die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz.

Zudem werden in immer mehr US-Bundesstaaten sog. "Right-to-work" Gesetze beschlossen, die auf die faktische Zerstörung von Arbeitsrechten und Gewerkschaften zielen. In Chattanooga investierte Volkswagen in eine neue Fabrik. Dort wurde mit Unterstützung der Politik in Tennessee die Schaffung eines Betriebsrates verboten. Das paart sich durchaus mit europäischen Unternehmensinteressen, die immer stärker auf geringere Lohnkosten zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit drängen. Bereits jetzt sind in 18 von 27 Mitgliedstaaten der EU massive Einschränkungen individueller und kollektiver Arbeitsrechte zu beobachten.  So konnten die großen Unternehmen seit 1980 bis heute in Europa die Steuern von durchschnittlich 44 % auf unter 27% senken.

Mit dem sog. Streitbeilegungsverfahren, das sich bereits im fast fertigen CETA-Abkommen mit Kanada findet, fungiert künftig eine dreiköpfige Kammer von ausgesuchten Wirtschaftsexperten außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit und ohne Revisionsinstanz. Sie kann Staaten zu Entschädigungszahlungen verpflichten, wenn eine Regierung z. B in der Arbeitsgesetzgebung, bei Gesundheits- oder Finanz- oder Umwelt-Politik Kapitalinteressen beeinträchtigt oder die erwarteten künftigen Profite eines Unternehmens verringert.

Die sämtlich von CDU und SPD Schwesterparteien regierten EU-Mitgliedsstaaten hatten sich einstimmig für die Aufnahme dieses Verfahrens in das Verhandlungsmandat ausgesprochen. Beispiele belegen die Auswirkungen schon heute: in Nordamerika sind Klagen gegen die Errichtung von Naturschutzgebieten und ein Frackingverbot anhängig.

Phillip Morris verklagte Australien wegen der Gesundheitswarnung auf Zigarettenschachteln zu mehreren Millionen Dollar. Australien will deshalb nie wieder solche Abkommen schließen. Es sind zumeist namenlose Vertreter von Großkonzernen und wirtschaftlichen Interessengruppen, die über das TTIP beraten und fast 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistungen damit regeln wollen. Man muss davon ausgehen, dass sich die Regeln in einem Wort ausdrücken lassen: Es geht um „Profit“. Deshalb müssen die laufenden Verhandlungen sofort gestoppt werden. Denn Geheimverhandlungen können keine demokratische Grundlage für eine spätere Vertragsunterzeichnung sein.

Aus den geleakten europäischen Leitlinien für das TTIP-Abkommen weiß man, dass die Handelsfreiheit auf "die beiderseitige Liberalisierung des Handels mit Waren und Dienstleistungen" abzielt. Die Liberalisierung, die die Zerschlagung staatlicher Regelungen betrieb, hat unmittelbar zu dem Desaster der brutalen Finanzkrise geführt, unter deren Folgen wir immer noch leiden.

Jetzt also noch mehr Freiheit für Banken, Hedge-Fonds, Zocker? An keinem Beispiel der angestrebten Handelslibertinage ist der irre Charakter des TTIP besser zu erkennen als am "Investitions-Schutz". "Der geplante sogenannte Investitionsschutz sieht vor, dass ein ausländischer Investor den Gaststaat wegen `indirekter Enteignung´ auf Erstattung entgangener (auch künftiger) Gewinne verklagen kann. Die Klage ist beispielsweise dann möglich, wenn ein Staat neue Umweltauflagen oder ein Moratorium (etwa für Fracking) beschließt."

Wir haben es hier mit einem Profit-Extremismus zu tun; um bürgergarantierten Höchstprofit zu erzielen.

Mit Hilfe des TTIP werden demokratisch getroffene Entscheidungen wieder ausgehebelt. TTIP bringt Gentechnik ins Essen, Hormonfleisch und mit Chlor desinfizierte Hähnchen. Das mästet vielleicht die Profite und schmeckt den Aktionären, ist aber nicht nach dem Geschmack der Verbraucher. Den verschiedenen Freihandelsabkommen wurden enorme Wachstumswirkungen angedichtet– gehalten haben die Versprechen nie. Aber selbst wenn die Prognosen zuträfen – der Zuwachs wäre lächerlich gering.

„In Deutschland arbeiten fünf Millionen Menschen im produzierenden Gewerbe. Da spielt ja das Wetter eine größere Rolle für die Beschäftigungswirkung als das Freihandelsabkommen“, so der Vorsitzende der IG Metall Detlef Wetzel. Für die gesamte EU wird ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent vorausgesagt. Aber solche Prognosen sind doch Kaffeesatzleserei. Kein Mensch kann aus den geplanten Maßnahmen exakte Wachstumsziffern über Jahrzehnte herausrechnen. Zumal bei der Bertelsmann-Studie unseriöserweise nur Zuwächse berechnet wurden, mögliche Negativeffekte aber nicht erwähnt werden.

Nach Aufklärungsaktionen von attac und blockupy hat der Widerstand gegen TTIP nun auch die Gewerkschaften erreicht.

Die Proteste haben bereits etwas bewirkt. Durch den sich aufbauenden öffentlichen Druck hat die Bundesregierung kalte Füße bekommen. Auf ihren Druck hin wurden die Verhandlungen zum Investorenschutz vom zuständigen EU-Kommissar De Gucht für drei Monate auf Eis gelegt.(Bis nach den EU-Wahlen) Dass die Verhandlungen zum Investitionsschutz für kurze Zeit ausgesetzt sind, ist allerdings lediglich eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit. Die anderen Themen des Freihandelsabkommens werden gegenwärtig hinter verschlossenen Türen ohne Unterbrechung weiter verhandelt. Die Proteste müssen also noch stärker werden.

Deshalb werden die Blockupy-Aktionen im Mai ein deutliches Zeichen unseres Protestes gegen Kapitalismus und Ausbeutung setzen!

Wir sollten gemeinsam dieses Abkommen verhindern.