Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Jan Schalauske - Mietendeckel und Gesetz gegen Zweckentfremdung wären wirksamer Mieterschutz

"Die neoliberale Leier, der Markt werde es schon richten, hat uns in eine Sackgasse geführt"

Jan Schalauske
Jan SchalauskeWohnen

Mietpreisbremse wirkt – Mietendeckel und Zweckentfremdungsverbot müssen kommen (Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Ds.20/1096)

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

In der Debatte ist gesagt worden, man solle auf die Stimmen von Verbänden und von Experten hören. Ja, das finde ich völlig richtig. Wir haben in den vergangenen Wochen auf die Stimmen von Mieterverbänden, von Gewerkschaften, von Ortsbeiräten in Frankfurt und von kommunalen Wohnungsämtern gehört. Wir haben ihnen gut gelauscht. Ich frage mich, wo die Kollegen von ganz rechts außen, die eigentlich keine Kollegen sind, bei all diesen Debatten waren. Diese Experten, die betroffenen Mieterinnen und Mieter, sollte man ernst nehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Diese sagen Ihnen auch ganz genau: Die Wohnungsnot in Hessen nimmt immer dramatischere Ausmaße an. Immer mehr Menschen müssen einen immer größeren Teil ihres verfügbaren Einkommens für die Miete ausgeben. Bundesweit ist es mittlerweile jeder siebte Haushalt, der mehr als 40 % des Einkommens für die Miete ausgeben muss. Die Zahl der Sozialwohnungen ist erneut gesunken. Von einst über 200.000 Sozialwohnungen in Hessen sind nur noch knapp 80.000 übrig. Das Hauptproblem ist in dieser Debatte viel zu kurz gekommen.

(Zuruf AfD: Migration!)

Die neoliberale Leier, der Markt werde es schon richten und die Wohnungsversorgung gut organisieren, und die Politik komme irgendwo dazwischen, diese Leier hat uns alle in eine Sackgasse geführt.

(Beifall DIE LINKE – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat denn in Berlin die Wohnungen verkauft, Herr Schalauske?)

Schauen wir uns einmal die Realität in Hessen an. Menschen werden aus den Innenstädten verdrängt, während Immobilienfonds die Mieten nach oben treiben und das Kapital sich durch unsere Städte wälzt. Das gilt für Berlin wie auch für Hessen. Ich finde, dieser soziale Sprengsatz muss ernst genommen werden. Das muss gestoppt werden. Wohnen ist kein Spekulationsobjekt, sondern ein Menschenrecht.

(Beifall DIE LINKE – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viele Wohnungen haben Sie in Berlin verkauft?)

– Sie wollten ja viel mehr verkaufen. Rot-Grün hat 120.000 Eisenbahnerwohnungen verkauft.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo Sie in der Regierung sind, verkaufen Sie Wohnungen!)

Eine ganz große Allianz der Fraktionen ist sich an dieser Stelle einig. CDU, vor allem die lautstarken GRÜNEN, FDP und AfD sind sich einig: Der Markt werde es richten, die Investoren dürfe man nicht verschrecken, und vor allem müsse man den Neubau vorantreiben. Das hat auch diese Debatte wieder gezeigt. Auch die SPD fordert: bauen, bauen, bauen. Das zentrale Problem ist aber – das sagen Ihnen viele Experten –, dass der Neubau allein nicht reichen wird. Die Ziele werden verfehlt. Gebaut werden ohnehin vorwiegend Luxusappartements und wenige Sozialwohnungen. Sie nennen große Summen, die Sie zur Verfügung stellen. Sozialwohnungen werden in Hessen aber kaum gebaut. Deswegen müssen wir den Wohnungsbestand sichern, die bestehenden Wohnungen schützen und Maßnahmen ergreifen, um Mieter vor Profitstreben und Verdrängung zu schützen.

(Beifall DIE LINKE)

Da helfen auch nicht Ihre grünen Wolkengespinste. Da helfen weder Supermarktgipfel noch zahllose Vorschläge wie die geplante Ausweitung der Kappungsgrenzenverordnung. All das wird den Mietenwahnsinn nicht stoppen, sondern eher fortsetzen als beenden. Wirksamer Mieterschutz sieht anders aus. Wirkungsvolle Maßnahmen lehnen Sie rundweg ab. Gesetz gegen Leerstand und Zweckentfremdung, Mietendeckel usw. sind Maßnahmen, die geeignet wären, um Mieter zu schützen. Diesen verweigern sich der Minister und auch die Koalition aus CDU und GRÜNEN.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Schalauske, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Nein. – Natürlich müsste man sich da mit den Interessen der Immobilienunternehmen anlegen. Das wollen Sie aber nicht. Sie haben zwar gesagt, dass Sie mit allen Playern reden wollen, aber Sie haben nicht den Mut und nicht den Mumm. Zudem sind Sie mit Ihrer Marktgläubigkeit schlecht ausgestattet, um wirkliche Veränderungen zugunsten der Mieterinnen und Mieter und einer sozialen Wohnraumversorgungdurchzusetzen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben doch die Wohnungen in Berlin verkauft!)

Die Erkenntnis, dass wir mehr öffentliche Regulation bei der Wohnraumversorgung brauchen, gewinnt zwar noch nicht im Hessischen Landtag, aber in der Bevölkerung immer größeren Zuspruch.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 60.000 Wohnungen in Berlin verkaufen und hier wohlfeile Reden halten!)

Wenn Sie sich einmal über Regulation informieren wollen, liebe Kollegen von den GRÜNEN, dann fragen Sie einmal die GRÜNEN in Berlin. Die sind nämlich mit dabei, wenn es darum geht, die Mieten zu regulieren im Sinne der Mieterinnen und Mieter. Leider dringt das nicht durch bis nach Hessen.

(Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Mietpreisbremse der GroKo reicht nicht aus. Auch darauf muss man hinweisen. Sie hat nicht geholfen, damit sich die Bestandsmieten nicht horrend entwickeln. Seit 2015 hat die Entwicklung sogar noch an Tempo gewonnen. Deswegen ist es zu begrüßen, dass es an dieser Stelle Veränderungen gibt. Bisher laufen die Regelungen aber weitgehend ins Leere. Deswegen brauchen wir statt einer wirkungslosen Mietpreisbremse endlich einen wirksamen Mietenstopp. Ein Mietendeckel ist das Gebot der Stunde. Hierbei könnte Hessen von Berlin lernen. In der Bundeshauptstadt wird souverän gehandelt. LINKE, SPD und GRÜNE zeigen, wie es geht.

(Lachen Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten))

Daran könnten sich die hessischen GRÜNEN einmal ein Beispiel nehmen. Dass der Mietendeckel ein wirksames Instrument ist, das zeigt ja Ihre ganze Aufregung. Von Sozialismusfantasien war hier bereits die Rede.

(Zurufe)

In Berlin heißt es sogar: DIE LINKE brennt die Stadt nieder. – Vergleiche mit Nordkorea werden in Berlin wie in Hessen gezogen. Aber eigentlich zeigt es sich doch, dass die Maßnahmen wirken. Die Aktienkurse von Deutsche Wohnen und Vonovia purzeln in den Keller. Bereits jetzt zeigt sich, dass die Diskussion um den Mietendeckel wirkt. Ich finde, das ist gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Wie sieht der Stand aus? – Mietendeckel in Berlin. Mieten werden eingefroren. Mieten können grundsätzlich nur bis zu einer Obergrenze angehoben werden. Mieten können gesenkt werden, wenn Mieter mehr als 30 % des Einkommens für die Miete ausgeben müssen. Das sind doch alles Maßnahmen, die die Mieterinnen und Mieter wirksam schützen, die wir auch hier in Hessen brauchen, die wir in Hessen natürlich vor allem für angespannte Wohnungsmärkte brauchen. Im Unterschied zur Kollegin Faeser meine ich, dass wir sie für Hessen brauchen. Wir brauchen dies auch für fünf Jahre. Wir brauchen das Einfrieren, aber örtlich begrenzt. Das ist klar. Sie behaupten immer, es gebe eine große Flucht von Investoren. Ich glaube nicht, dass dies zu befürchten ist; denn wenn es diesen Deckel gäbe, dann wären Investitionen in Bestandsimmobilien und in Spekulationsimmobilien nicht mehr so rentabel. Es bliebe dann also mehr Kapital effektiv für den Neubau. Ich glaube, das ist ein Geschäftsfeld – und das sollte Sie ja freuen –, auf dem noch immer eine Menge verdient werden kann. Ein Mietendeckel wird also auch Neubauinvestitionen ankurbeln. Das müsste Sie hier doch alle freuen. Wir haben einen Vorschlag vorgelegt. Auch die SPD fordert einen Mietendeckel. Leider haben Sie sich bisher geweigert, sich damit auseinanderzusetzen. Stattdessen reagieren Sie im Schulterschluss mit der Immobilienwirtschaft mit Ablehnung. Sie malen Horrorszenarien an die Wand und reagieren mit Entsetzen, oder Sie verweisen wohlfeil auf andere. Die Mieterinitiativen und die kommunalen Wohnungsämter wissen es besser. Die Stadt Frankfurt fordert einen Mietendeckel, weil alle wissen, dass das eine Möglichkeit ist, um vor Verdrängung und Segregation zu schützen. Ja, ein Mietendeckel wäre ein Eingriff in das Privateigentum. Wenn aber Mieterinnen und Mieter jeden Tag durch explodierende Mieten enteignet werden, dann, so finde ich, muss man auch Immobilienbesitzer für eine gewisse Zeit ihrer Renditeansprüche enteignen. Schließlich heißt es im Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet.“

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Bernd-Erich Vohl (AfD) – Klaus Herrmann (AfD): Kommunismus!)

Rückendeckung erhalten solche Maßnahmen auch durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die besagt, dass man den Wohnungsmarkt öffentlich regulieren kann, um Schutz für Mieterinnen und Mieter zu organisieren. Auch ein Gesetz gegen Wohnraumzweckentfremdung, wie wir es bis 2004 hatten, wird von CDU und GRÜNEN im Hessischen Landtag blockiert, obwohl bei der Gesetzesanhörung vor zwei Wochen zahlreiche Mieterverbände, der DGB, das Netzwerk für gemeinschaftliches Wohnen, das Bündnis Mietenwahnsinn Hessen und die Vertreter der Städte Wiesbaden und Frankfurt unmissverständlich ein solches Gesetz gefordert haben. Eigentlich geht es doch um etwas Selbstverständliches. Es geht darum, dass die Kommunen sicherstellen können, dass Wohnraum auch dafür benutzt wird, wofür dieser eigentlich gebaut wurde. Deswegen möchten wir uns bedanken für die vielen Anmerkungen zu unserem Gesetzentwurf. Es gab hilfreiche Anregungen und Stellungnahmen unter anderem von der Stadt Frankfurt, vom Mieterbund, vom IWU, von „Mieter helfen Mietern“ und anderen. Wir werden uns diese Vorschläge genau anschauen und Änderungen einbauen.

(Zuruf Jürgen Lenders (Freie Demokraten))

– Doch, doch. Es waren ein paar interessante Punkte dabei. Wir bleiben dabei, dass wir die Möglichkeit brauchen, im Zweifel Wohnraum zu beschlagnahmen oder eine Bewirtschaftung über ein Treuhändermodell herzustellen, um diese Maßnahmen durchzusetzen. Die Anhörung hat klipp und klar gezeigt: Anders als CDU und GRÜNE im Hessischen Landtag behaupten, gibt es ein ernst zu nehmendes Problem mit dem Leerstand. Die Statistiken, die Sie zitieren, greifen nicht. Fachleute haben Ihnen erklärt, welchen Leerstand es gibt. Die Ortsbeiräte aus Frankfurt am Main haben Ihnen erklärt, wie es um den Leerstand in der Stadt bestellt ist. Das zeigt: Leerstand ist kein Randphänomen. Das ist keine Ausnahme, sondern Leerstand ist die Regel. Die Stadt München zeigt, dass man dagegen auch ordentlich vorgehen kann. Bayern ist bekanntlich nicht der Hort des Sozialismus.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Schalauske, das war ein guter Schlusssatz.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Deswegen sage ich zum Schluss: Wir brauchen ein Gesetz gegen Leerstand und Zweckentfremdung. Wir brauchen einen wirksamen Mietendeckel. Wir können im Zweifel auch über die Vergesellschaftung börsennotierter Immobilienkonzerne reden. Aber wir müssen endlich die schwarz-grüne Blockadehaltung aufbrechen. Das werden wir gemeinsam mit der außerparlamentarischen Bewegung tun, und Sie können weiterhin Ihre Privatisierungen in den Neunzigerjahren rechtfertigen.

(Beifall DIE LINKE – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr habt doch 60.000 Wohnungen verkauft!)