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Rede

Rede zum Engagement im regionalen Klimaschutzbündnis

Marjana Schott
Marjana SchottUmwelt- und Klimaschutz

Rede Marjana Schott am 29. Juni 2017 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

ja, der Ausstieg Donald Trumps aus den Pariser Klimaabkommen im Namen der Vereinigten Staaten ist eine Tragödie. Eine Tragödie, die unter Anbetracht der politischen Entwicklungen der letzten Dekaden durch simple Kausalität zu erklären ist.

  • Wer die gesellschaftliche Spaltung in Klassen, Ethnien, Nationalitäten und Religionen vorantreibt,
  • wer in seinen politischen Handeln verächtlich auf die Schwächsten in einer Gesellschaft blickt,    während Vertreter der Wallstreet gern gesehene Empfangsgäste sind,
  • und wer als Gegenkandidatin eine Frau stellt, die in ihrem Handeln für Krieg, Verelendung und Neoliberalismus steht, der darf sich nicht wundern, wenn man einen Präsidenten Typus Trumps erhält.


Wenn Politiker egal wo und welcher Couleur Politik vorbei an den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung machen, die Bodenhaftung verlieren und nur noch die Gutverdiener und Konzerne vertreten, legen sie damit den Nährboden für Extremismus, Populismus, Anfälligkeit für Fake-News, oder wie ich es gerne nenne: Propaganda.

Statt, wie es unter europäische Politkern derzeit en vogue zu seien scheint, sich über Trumps defizitäres Handeln zu echauffieren, wäre ich für eine Rückkehr zur selbstkritischen Betrachtung der eigenen Politik.

In der Frage Klimaschutz, die schon seit geraumer Zeit von fundamentaler Bedeutung ist und noch lange sein wird, schneidet Deutschland selber nur mangelhaft ab.

Bereits im April diesen Jahres verbrauchte die Bundesrepublik das gesamte Jahresbudget für die CO²- Emissionen, welches im Pariser Klimaabkommen 2015 vereinbart worden war.

Auch das klügste und am besten verhandelte Klimaabkommen nützt nichts, wenn daraus keine politischen Veränderung entstehen. Kein Eisgipfel wird alleine dadurch langsamer schmelzen.
Nichtsdestotrotz muss man zumindest konstatieren, dass trotz aller Widerstände ein Plan beschlossen wurde.

Ihnen war das die zu erwartende Bemühung anscheinend nicht wert.

Nicht nur, dass drei Jahre nach Ankündigung des Klimaschutzplans noch immer kein verbindlicher Vertrag geschlossen wurde, sondern stets nur Absichtserklärungen, sind selbst letztgenannte nur von äußerst spartanischer Natur:

Bereits im Dezember 2015 unterschrieben Sie, Frau Hinz, das Global Climate Leadership Memorandum of Understanding.²
Eine Absichtserklärung mit zum Teil durchaus sympathischen Zielen einiger Subnationen.
Der Zweck: Die Senkung von Treibhausgasemmissionen auf zwei Tonnen pro Kopf, mit der Hoffnung, den Anstieg der Durchschnittstemperatur auf 2° Celsius zu begrenzen.

Doch leider, Frau Ministerin, scheinen Sie die Erklärung vorher nicht genau gelesen zu haben.
Im Abschnitt 2 Punkt B steht unmissverständlich:

„Zur Realisierung der Emissionsminderungsziele streben die Parteien eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz und eine umfassende Entwicklung der erneuerbaren Energien an. Die Parteien legen ihre bis 2030 zu erreichenden Ziele und Teilziele in diesen und anderen wichtigen Bereichen in Anlage A fest.“


Auch heute, mehr als 18 Monate später, liegt noch immer kein Anhang A vor, in welchen sie Ihre Maßnahmen für die Erreichung der Emissionssenkung niederschreiben. Kein Text, den die Bürgerinnen und Bürger oder wir von der Opposition beurteilen könnten.3

Zum direkten Vergleich: Ihre thüringische Kollegin Anja Siegesmund (Bündnis 90/Die Grünen) benötigte gerade einmal 24 Stunden dafür.

Kann sich die Regierungskoalition intern nicht auf eine gemeinsame Klimapolitik einigen, oder worauf genau begründet sich diese unverhältnismäßige Verspätung, bei einer Thematik, die von derart großer Bedeutung für unsere Zukunft ist?

Und anstatt heute einen Kurs mit Korrekturen Ihrer begangenen Fehler und Versäumnisse darzulegen, loben Sie sich in ihrem Antrag über die Maßen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht nur ein Ausdruck der heuchlerischen Arroganz der Regierung, sondern auch eine aktive Täuschung der Bürgerinnen und Bürger.
Eine wirklich nachhaltige, klimaorientiere Politik kommt nicht ohne Verbindlichkeit aus!
Und vor allem: Sie kommt nicht ohne Taten aus.

Wenn wir Ihre Politik 2016 betrachten, bleibt uns nichts anderen übrig, als zu resümieren:
Umweltpolitisch war das kein gutes Jahr Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsbank.
Und schon gar nicht war es ein gutes Jahr für das Klima:

2016 ist der Ausstoß von Treibhausgasen nicht gesunken, wie es nötig gewesen wäre, sondern sogar noch gestiegen. Ursache dafür ist eine vollkommen fehlgeleitete Verkehrspolitik. Eine Verkehrspolitik, die bis dato anhält.

Dabei stimmten Sie sogar auf dem Papier folgenden Punkt in der Absichtserklärung zu:

„Die Parteien vereinbaren, Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen aus Personen- und Lastkraftwagen mit dem Ziel einer breit angelegten Einführung von emissionsfreien Fahrzeugen und der Entwicklung der dafür notwendigen Infrastruktur zu ergreifen.

Ferner vereinbaren die Parteien, eine Form der Flächennutzungsplanung und -entwicklung zu

fördern, die alternative Verkehrsmodi unterstützt, insbesondere den öffentlichen Personen(nah)verkehr, das Fahrradfahren und die Fortbewegung zu Fuß.“ 3


Während Sie zu diesem Punkt ja öffentlich ihre Affirmation ausdrücken, was wir auch durchaus begrüßen, geht Ihre politische Praxis tragischerweise in die vollständig entgegengesetzte Richtung.

Am Frankfurter Flughafen sind knapp die Hälfte aller Passagierflüge kürzer als 800 Kilometer.
13 Prozent aller Passagierflüge ist in unter 4 Stunden über den Bahnverkehr zu erreichen.
Wenn man den Anspruch an nachhaltige Politik stellt, wie Sie es ja stets von sich behaupten, müssen diese 60.000 Flugbewegungen schnellstmöglich eingespart werden. Alles andere wäre inakzeptabel, zumal sich das Ergebnis durchaus sehen lassen könnte: Viele Tausend Tonnen CO2 weniger, weniger Fluglärm und weniger Luftschadstoffe.

Statt aber alternative Verkehrsmodelle wie den Ausbau des Schienenverkehrs zu unterstützen, subventionieren Sie den Luftverkehr mit jährlich 28 Milliarden Euro.

Aus klimapolitischer Sicht ist dieser Zustand katastrophal, jedoch zeigt er demonstrativ die ganze Widersprüchlichkeit ihrer Regierungszeit. Auf der einen Seite halten Sie Reden über Ihre angeblich so grünen Initiativen, gleichzeitig betreiben sie eine destruktive Politik.

Wir haben, wenn wir den meisten Experten Glauben schenken, nur fünf Jahre Zeit die Politik in eine klimafreundliche zu wandeln.

  •  fünf Jahre um die eklatanten Fehler und Versäumnisse der letzten 20 und mehr Jahre zu korrigieren, sofern dies möglich ist.
  • fünf Jahre um die Stellschrauben zu justieren, damit unsere Kinder und Enkelkinder eine lebenswerte Welt hinterlassen bekommen, die nicht verstrahlt, vermüllt, regenwaldlos, sauerstoffarm und überschwemmt ist.

Und so komme ich zu dem Schluss, dass, wie der Philosoph und Soziologe Herbert Marcuse schon 1967 ausführte, die Utopie an ihrem Ende ist, weil alle Techniken entwickelt sind, um den Menschen und die Natur zu zerstören.

Aber es sind auch alle Mittel entwickelt um die Welt zu einer menschenwürdigen zu machen.
Doch die Verelendung des Menschen und der Natur bleiben ökonomisch profitabler als ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und ihre soziale Gleichheit.4


1https://www.tagesschau.de/inland/deutschland-emissionen-101.html
² http://under2mou.org/wp-content/uploads/2015/05/Hesse-Signature-Page.pdf
³ http://under2mou.org/wp-content/uploads/2015/04/Under2-MOU-German.pdf
4http://www.marcuse.org/herbert/pubs/60spubs/67endutopia/67EndeUtopieProbGewalt.htm