Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Rede zum Entschließungsantrag der CDU-Fraktion „Hessen handelt für mehr Steuergerechtigkeit“

Jan Schalauske
Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen
  • Es gilt das gesprochene Wort

Frau/Herr Präsident*in,

erst vor wenigen Wochen machten die sogenannten Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte, eigentlich ist dieser Begriff ein Euphemismus, besser sollte man nicht von Geschäften sondern von Abzocke sprechen, erneut große Schlagzeilen.

In Europa sind bis zu 55 Milliarden Euro ergaunert worden, womöglich auch, weil die Bundesregierung zu spät warnte. Deutschland ist ein Schaden von bis zu 31,8 Milliarden Euro entstanden. Wie viele Schulen und Krankenhäuser hätte man für dieses Geld sanieren können?

Der Finanzwissenschaftler Christoph Spengel nennt die Abzocke durch Cum/Ex und Cum/Cum den größten Steuerraub der Geschichte.

Nun ist es erfreulich, dass die Hessische Steuerverwaltung bei der Verfolgung der Cum-Ex-Abzocke Steuern in Höhe von 700 Mio. Euro zurückholen konnte. Die Kehrseite: Über 400 Mio. Euro sind noch offen und konnten bisher nicht eingezogen werden.

Die Verquickung von Cum-Ex-Abzocke und Politik wird auch an Personen deutlich. Der in Wiesbaden angeklagte Erfinder der Betrügereien wird vom FDP-Mann Wolfgang Kubicki, einst als Finanzminister von Jamaica gehandelt, vertreten. Sein gutes Recht in einem Rechtsstaat.

Interessant ist auch, was der Finanzminister zum Thema Cum-Cum-Abzocke heute hier erklären wird. Noch im Jahr 2016 wollte Herr Dr. Schäfer den Banken einen Freibrief für diese Cum-Cum-Geschäfte ausstellen. Lediglich auf Intervention des damaligen Finanzministers aus NRW ist das unterblieben.

Wenn sich jetzt ausgerechnet die hessische CDU hier heute hinstellt und erklärt wie vorbildlich die Arbeit hessischer Steuerbehörden ist, dann ist das absurd. Es war der Hessische Finanzminister an dem diese gute Arbeit fast gescheitert wäre!

Insofern bleibt es Ihr Geheimnis, wie sie in ihrem Antrag auf die Idee gekommen sind, der Hessischen Landesregierung mit diesem Finanzminister eine Vorreiterrolle bei der Bekämpfung aggressiver Steuergestaltung zuzuschreiben?

Nehmen wir etwa Punkt neun Ihres Antrags. Dort fordern Sie eine Meldepflicht für Steuergestaltungsmodelle. Diese Position teilen wir im Grundsatz. Wenn ich allerdings im Interview des Finanzministers im Handelsblatt lese, dass er diese Forderung im Grunde zwar für richtig aber auch für naiv hält, dann frage ich mich schon – was wollen sie denn jetzt? Sind sie dafür Steuergestaltungsmodelle anzeigepflichtig zu machen oder nicht?

In Punkt 2 Ihres Antrags heben Sie hervor, dass hessische Steuerfahnder die „Panama Papers“ mit auswerten. Dokumente von über 1.500 Offshore-Firmen seien mit dabei gewesen. Gut so! Aber was ist eigentlich mit Fraport? Hat das mehrheitlich im öffentlichen Besitz befindliche Unternehmen endlich seine Tochterfirma zur Steuervermeidung auf Malta geschlossen? Wenn es der Landesregierung ernst ist mit dem Kampf um Steuergerechtigkeit, dann sorgen Sie endlich dafür, dass Fraport den Briefkasten auf Malta dichtmacht.

Was sie aber in ihrem Jubelantrag ganz vergessen sind die aktuellen Entwicklungen, denn Panama-Papers; Cum-Ex und Cum-Cum sind ja nicht das Ende der Geschichte. Erst kürzlich wurde bekannt, dass es weitere sogenannte Steuergestaltungmodelle im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteuer gibt – über die sogenannten Cum-Fake-Geschäfte verlieren sie aber kein Wort.Auch bei Cum-Fake werden Steuerentlastungen ergaunert. Hierfür werden jedoch nicht die eigentlichen Wertpapiere genutzt, sondern vorläufige Aktienbesitzbescheinigungen. Dazu findet sich leider nichts in ihrem Antrag.

Dafür wollen sie, dass der Landtag Maßnahmen, die Einstellung von weiteren Betriebsprüfern und Anwärtern, Maßnahmen die sich aus dem Landeshaushalt ergeben, begrüßt. Mit Verlaub, diesen Doppelhaushalt hat nicht die hessische Landesregierung, sondern eine Mehrheit des Hessischen Landtags beschlossen. Sie hätten also auch gleich reinschreiben können: „Schwarzgrün findet schwarzgrün toll.“

Aber zugegeben, Sie kommen damit einer Forderung nach, die wir in Haushaltsberatungen schon über viele Jahre gestellt haben nach.

Das Problem ist, dass sie jetzt in einer Hauruck Aktion sehr viele Menschen in der Steuerverwaltung neu Ausbilden ohne die Ausbildungskapazitäten nachhaltig auszubauen. Hier muss das Land noch nacharbeiten, denn es ist absehbar, dass wir dauerhaft mehr Menschen für die Steuerverwaltung gewinnen müssen.

Mit der Ausbildung ist es aber nicht getan. Es geht auch darum diesen Menschen dann attraktive Beschäftigungsverhältnisse zu bieten. Sonst geht es uns am Ende so wie im Fall des genannt Vermarkters von Cum-Ex-Geschäften, der sich mittlerweile in Wiesbaden vor Gericht verantworten muss. Dieser Herr hat nämlich einst selbst in der Hessischen Steuerverwaltung gearbeitet bevor er die Seiten gewechselt hat.

Hier müssen wir vorbeugen und gute Arbeitsbedingungen in der Steuerverwaltung bieten. An dieser Stelle einen schönen Gruß an die warnstreikenden Kollegen in der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst. Ein geordneter Übergang in die Tarifgemeinschaft der Länder wäre eine sehr hilfreiche Maßnahme!

Cum-Ex, Cum-Cum, Cum-Fake, Offshore Leaks, Luxemburg Leaks, Swiss Leaks, Panama Papers, Bahamas Leaks und Paradise Papers. Um mal einige zu nennen.

Die Liste von Steuerabzocke –und skandalen ist viel viel länger als schwarzgrüne Jubelanträge es je sein könnten. Die Probleme, die damit verbunden sind, sind sehr grundsätzlicher Natur!

Lang ist auch die Liste der Reden und Anträge der Regierenden gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Am Ende aber passiert häufig nichts und alles läuft weiter wie bisher.

Schätzungsweise über 17 Mrd. Euro entgehen Deutschland jedes Jahr durch legale Steuertricks von Super-Reichen und Konzernen. Nehmen wir illegale Steuerhinterziehung hinzu, verlieren wir in der EU hunderte Milliarden Euro jährlich – viel davon hier in Deutschland.

Etwa 8 Personen besitzen so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Das sind 3,6 Milliarden Menschen. Das DIW hat gestern Zahlen zur Vermögensverteilung vorgelegt. Die 45 reichsten Haushalte in Deutschland mit einem Vermögen von 214 Milliarden Euro, genauso viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung! Selbst der IWF fordert daher eine Vermögenssteuer von der Bundesregierung. Aber von der Landesregierung ist nichts zu hören!

Maßnahmen zur Herstellung von Steuergerechtigkeit, wie die Vermögensteuer kommen in ihrem Antrag aber gar nicht vor.

Welche Auswirkung die massive Konzentration von Reichtum in den Händen Weniger hat, darauf hat der bekannte US Senator Bernie Sanders – und Achtung auf der rechten Seite des Hauses – ein bekennender Sozialist hingewiesen, wenn er davor warnt, dass wir unter Kontrolle einer Oligarchie von Milliardären stehen.

In diesem Zusammenhang könnten wir in Deutschland auch mal über Parteispenden reden, die haben hier in Hessen ja eine spezielle Tradition. Parteispenden bergen immer die Gefahr, dass die Demokratie käuflich wird. Bei Steuergerechtigkeit geht es daher auch um Einfluss auf politische Entwicklungen und letztendlich um Demokratie.

Konzerne und Super-Reiche nutzen Infrastruktur und Arbeitskräfte, aber drücken ihre Steuern, wo sie nur können. Ob Apple, Amazon oder Staatsfirmen wie die schwarzgrüne Fraport AG. Sie verschieben Gewinne über künstliche Zinsen oder Lizenzgebühren in Briefkästen in Steueroasen.

Es ist doch ein Skandal, dass jeder Otto-Normal-Verbraucher, jede Verkäuferin, jeder Krankenpfleger Steuern zahlen muss, während große Konzerne alles dafür tun, ihre Steuerlast zu drücken.

Versäumt ein Hartz-IV-Betroffener einen Termin, drohen ihm Sanktionen und existenzielle Leistungskürzungen. Bei Reichen und Unternehmen hingegen schauen wir zu, wie sie durch aufwendigste Konstruktionen ihrer Steuerpflicht entziehen.

Im Lichte der großen Anforderungen, die der Einsatz für Steuergerechtigkeit und gegen Steuerraub notwendig macht, fällt Ihre „Vorreiterrolle im Kampfgegen Steuerkriminalität“ doch eher bescheiden aus. Aber ich verstehe, dass Sie das Thema setzen wollen. Hat die CDU doch einiges gut zu machen nach der Affäre um die zwangspsychatrisierten Steuerfahnder.

Diese Tage ist auch ein schwerer Rückschlag im Kampf für Steuergerechtigkeit zu vermelden. Auf Initiative des Frankfurter Finanzamts ist Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Der Finanzhof hat diese Entscheidung nun bestätigt.

Wenn das Steuerrecht in Deutschland die Gemeinnützigkeit so regelt, dass neoliberale Lobbyorganisationen wie die Bertelsmann-Stiftung als gemeinnützig gelten, der Kampf für gerechte Steuern und eine solidarische Gesellschaft aber nicht, dann muss dieses Steuerrecht geändert werden. Für DIE LINKE steht ohne Wenn und Aber fest: Attac ist gemeinnützig – und das muss auch im Steuerrecht so anerkannt werden.“

Der Anlass dieses Setzpunktes der CDU war wohl offensichtlich auch, dass der Hessische Finanzminister mal wieder in der überregionalen Presse vorkommen wollte.

Das Ansinnen hat in diesem Fall auch etwas Positives für Hessen. Immerhin ging es diesmal nicht darum, dass er Milliarden mit windigen Derivatgeschäften verloren hat.