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Rede

Rede zum Gesetzentwurf der SPD für ein Gesetz zur Chancengleichheit und zur Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung

Marjana Schott
Marjana SchottBildungFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

Rede Marjana Schott am 13. Dezember 2017 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte Damen und Herren,

gut, dass der Einstieg in das Kitagesetz-Trio in dieser Woche bei der SPD liegt, bei diesem Gesetzentwurf gibt es ja einiges Erfreuliches zu vermelden. Seien Sie froh, dass wir nicht auch noch einen auf den Weg gebracht haben, sonst hätten wir vier Gesetze zu beraten. Änderungsbedarf gibt es in Bezug auf das Kifög zuhauf. Dies hat ja die Evaluation ergeben.

Das zeigt auch die Kritik aus der Kommunalpolitik, von Eltern, Trägern, Wohlfahrtsverbänden, Erzieher*innen. Es fehlen nur noch die Kinder, die allerdings meist mit ihren Erzieherinnen und Erziehern zufrieden sind, da diese sich sehr für sie engagieren. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kindertagesstätten gilt mein herzlicher Dank für ihren Einsatz, den Erziehern und Erzieherinnen für ihre Bereitschaft mit einem ungenügenden Personalbestand trotzdem einfühlsam auf Kinder einzugehen, den Leitungen, die oft genug nicht freigestellt sind, aber trotzdem Leitungsarbeit zu leisten haben, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im hauswirtschaftlichen und technischen Dienst.

Die Probleme liegen auf dem Tisch. Mehr als ein Fünftel der in den Bereichen Kinderbetreuung und Kindererziehung Beschäftigten geben an, an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu arbeiten. Kein Wunder, dass sich einige wieder aus dem Beruf verabschieden. Übereinstimmend sagen sie, dass sie ihren Beruf gerne weiter ausüben wollen, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen und die Arbeit nicht krank machen würden. Kein Wunder, dass gerade die Kolleginnen, die schon längere Zeit im Beruf sind, ihre Arbeitszeit verkürzen. Innerhalb von 15 Jahren hat sich die Teilzeitquote laut einer Untersuchung des iab um 45 Prozent erhöht.

Wir brauchen mehr Personal in den Kitas, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wir brauchen einen besseren Personalschlüssel, um es den Kolleginnen und Kollegen zu erleichtern, in ihrem Beruf zu bleiben und wieder Stunden aufzustocken, wenn es aus privaten Gründen möglich ist. Der bessere Personalschlüssel setzt sich aus einem Anteil für die mittelbare pädagogische Arbeit und die Leitungsarbeit zusammen sowie den Ersatz für Ausfallzeiten. Wir brauchen aber auch die Freistellung von den Elternbeiträgen, um Eltern mit niedrigen und mittleren Einkommen zu entlasten und keinen Kitabesuch am Geld scheitern zu lassen. Eine Gesetzesnovelle sollte weiterhin der Übersichtlichkeit und dem Abbau des Bürokratiemonsters dienen, mit dem zurzeit alle Beteiligten gequält werden.
An diesen Zielen überprüfe ich jetzt den Gesetzentwurf der SPD.

Positiv nehme ich auf, dass Zeiten für die mittelbare pädagogische und die Leitungsarbeit zusätzlich zu dem personellen Mindestbedarf pro Gruppe zur Verfügung stehen sollen. Damit wird den Trägern ein Personalschlüssel vorgegeben, den sie nicht unterschreiten dürfen.

Vielen Dank, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, für die Rechenaufgaben, die sie uns beschert haben. Auch wenn ich Ihren Ansatz durchaus sympathisch finde, wieder in Gruppen zu denken und zu rechnen, bereitet es natürlich entsprechende Mühe, Ihren Vorschlag mit unserem, dem der Verbände, Träger und der Wissenschaft abzugleichen.

Ich kann zwar gut verstehen, dass es das Bedürfnis gibt, die Gruppen mit 25 Kindern aufzufüllen, solange es einen Mangel an Betreuungsplätzen gibt. Stellen sie sich aber dies gerade im Winter vor – wenn es nicht gerade ein Naturkindergarten ist. In kleineren Räumen kommt es zu einer enormen Lärmbelastung für Kinder wie Fachkräfte. Ver.di spricht bei seinen bundesweiten Standards bei Kindern bis drei Jahren von einer maximalen Gruppengröße von 8 Kindern und bei über Dreijährigen von 15 Kindern. Dies entspricht in etwa den Forderungen von Fthenakis, die dieser auf Basis des Kinderbetreuungsnetzwerks EU von 1996 entwickelt hat und die von der Parität und anderen unterstützt werden.

Der von der SPD vorgeschlagene Personalschlüssel entspricht nicht ganz mit unseren Anforderungen und denen von Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften. Auch Bertelsmann hat gerade bei den Unterdreijährigen mit dem 1:3 Personalschlüssel eine deutliche Marke gesetzt, die Ihr Entwurf nicht erreicht.

Die Freistellungen für die mittelbare pädagogische Arbeit und die Ausfallzeiten für Krankheit, Urlaub, Fortbildung, den Mutterschutz nicht zu vergessen, sind dringend erforderlich. Die bisherigen 15 Prozent decken dies nicht ab. Aber auch hier erreicht der Entwurf der SPD nicht die bundesweiten Mindeststandards, die ver.di aufgestellt hat, die 50 Prozent der Arbeitszeit rechnerisch als kinderdienstfreie Zeit einfordern.

Für die Freistellung für eine Leitungstätigkeit sehe ich einen Mindestbedarf für jede Einrichtung. Wie will man in einer eingruppigen Einrichtung mit fünf Stunden Freistellung die Leitungsarbeit erledigen? Die grundsätzlichen Aufgaben sind in allen Einrichtungen gleich, mehr Gruppen brauchen zusätzliche Stunden. Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände kommen hier zu ähnlichen Ergebnissen, dass für eine dreigruppige Einrichtung mehr als eine Leitungskraft freigestellt werden sollte.

Die Landeselternvertretung, die auch von der FDP gefordert, begrüßen wir selbstverständlich.
Dasselbe gilt für die Gebührenfreiheit, die für alle Kinder gelten soll. Kommen wir zur Finanzierung der Kindertagesbetreuung. Hier hat die SPD den durchaus sympathischen und nachvollziehbaren Weg der Finanzierung anteiliger Personalkosten durch das Land gewählt. Damit ist auch die Kompensation der Elternbeiträge Geschichte. Die Personalkosten sind der Hauptteil der Kosten für die Kindertagesbetreuung und das Entscheidende für eine gute Qualität. Wenn personelle Mindeststandards im Gesetz festgeschrieben sind, die das bisherige Kifög weit übertreffen, habe ich auch nichts dagegen, dass das Land die Personalkosten zahlt. Ich kann auch die zeitliche Staffelung verstehen, um den Landeshaushalt nicht zu überfordern.

Ich verstehe nur nicht, warum man bei 82,5 Prozent oder für die Tagespflege 66,6 Prozent der Personalkosten stehen bleibt. Konsequent wäre es, einhundert Prozent der Personalkosten durch das Land zu tragen. Für die Kommunen bleiben durchaus Kosten übrig. Unabdingbar ist aber – das ist noch nicht Teil des Gesetzesentwurfes –, dass den Kommunen diese Zuwendungen beim Kommunalen Finanzausgleich nicht wieder abgezogen werden, so dass es zu einem Nullsummenspiel kommt. Dann würden sie nur die höhere Qualität tragen müssen, bekämen aber keine oder nur eine anteilige Kompensation. Im Gegenteil, die kommunalen Haushalte können über die Finanzierung der Kindertagesbetreuung entscheidend entlastet und auf feste Füße gestellt werden.
Das wäre wahrlich ein historischer Schritt in Hessen, weniger Bürokratie, mehr Qualität, mehr Personal in den Kitas, das zufrieden eine gute Arbeit machen kann, und mehr Geld bei den Kommunen.