Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Rede zum Haushalt – Grundsatzdebatte

Willi van Ooyen
Willi van OoyenHaushalt und Finanzen

Rede zum Haushalt  Grundsatzdebatte

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Die Bundesrepublik Deutschland und auch unser Land Hessen stehen vor einer politischen Grundsatzentscheidung. Entweder es gelingt die politische und soziale Erneuerung für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit oder es droht eine neoliberale Radikalisierung.

Der Hinweis von Rosa Luxemburg vor 100 Jahren die Alternative  „Sozialismus oder Barbarei“ zu erkennen, sollte uns anregen, über diese Grundsatzentscheidung nachzudenken. DIE LINKE will einen sozialen Aufbruch und eine entschlossene Friedenspolitik. Wir wissen und erfahren es täglich: Krieg und Militär lösen keine Probleme.

Es kann nicht so weitergehen wie bisher. (Das sagt selbst der Ministerpräsident letzte Woche beim Landkreistag). Die falschen politischen Weichenstellungen der Vergangenheit, für die in Deutschland CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne die Verantwortung tragen, haben eine Entwicklung eingeleitet, die die Demokratie, den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, die Idee eines geeinten Europa und die Grundlagen einer freiheitlichen Gesellschaft zu zerstören droht.

Wir brauchen einen sozialen Neubeginn, eine wirtschaftspolitische Wende und die Rückkehr zu einer Außenpolitik, die auf Frieden und Diplomatie statt auf Waffenexporte und militärische Intervention setzt.

Die aktuelle Koalition hat kein Konzept, Hessens Zukunft zu gestalten. Sie agiert hilflos, planlos, ziellos. Obwohl der soziale Auftrag des Grundgesetzes und besonders unsere Hessischen Verfassung allen ein menschenwürdiges Leben garantiert, müssen in Deutschland immer mehr Menschen mit Niedriglöhnen und Armutsrenten auskommen, wurden Investitionen und Bildungsausgaben sträflich vernachlässigt, der öffentliche Dienst kleingespart und immer mehr Aufgaben, die in öffentliche Verantwortung gehören, dem  sogenannten „Freien Markt“ übertragen.

Probleme wie der Mangel an Lehrkräften, Finanznot in Städten und Gemeinden und das Fehlen bezahlbaren Wohnraums werden durch die große Zahl der Flüchtlinge verschärft, aber neu sind sie nicht. Seit Jahren schon driftet unsere Gesellschaft auseinander, die Ungleichheit wächst. Hochprofitable Konzerne nutzen jede legale und halblegale Gelegenheit, die Löhne zu drücken und sich ihrer Verpflichtungen für das Gemeinwesen zu entziehen. Windige Geschäfte, Manipulation und offener Betrug werden von VW bis zum DFB offenbar als normale Geschäftspraktiken angesehen. Ein Land, in dem die Kinderarmut wächst, während den Reichsten erlaubt wird, ihr Geld in Steueroasen zu bunkern, wird die aktuellen Herausforderungen nicht bewältigen.

Statt an dem Credo „von deutschen Boden darf kein Krieg ausgehen“ festzuhalten, hat sich auch Deutschland an sogenannten Anti-Terror-Kriegen beteiligt, die hunderttausenden Zivilisten den Tod gebracht, Wut und Hass gesät und in der Konsequenz den internationalen Terrorismus nicht geschwächt, sondern gestärkt haben. Deutschland schickt Waffen und Soldaten in alle Welt und unterstützt die Regime-Change-Politik von NATO und USA, die mitverantwortlich dafür ist, dass Millionen Menschen ihre Heimat verloren haben und dass eine der größten Flüchtlingsbewegungen der jüngeren Geschichte ausgelöst wurde.

Statt fairer Handelsabkommen zur weltweiten Stärkung von Verbraucherschutz und Mitbestimmung werden armen Ländern Freihandelsabkommen diktiert, die ihre lokale Industrie und Landwirtschaft zerstören und die Armut extrem vergrößern. TTIP und CETA, aber auch TISA (wir haben dazu ja eine Anhörung Anfang des Monates in diesem Raum durchgeführt) würden die Demokratie zugunsten von Profitinteressen ganz beerdigen.

Trotz aller Missstände ist Deutschland und besonders Hessen im weltweiten Vergleich ein reiches und wirtschaftlich starkes Land. Zu uns kommen Hunderttausende, die vor Krieg, Hunger und Elend flüchten. Viele – oft ehrenamtlich aktive – Helferinnen und Helfer heißen sie willkommen. In den Ländern, Landkreisen und Kommunen wird eine großartige Arbeit geleistet, oft bis zur Erschöpfung. Flüchtlinge und Asylsuchende stoßen jedoch auch auf Vorbehalte, auf nicht zu tolerierenden Hass und Gewalt. Sie aber sind nicht die Schuldigen an der hiesigen sozialen und gesellschaftlichen Misere. Wir wenden uns entschieden dagegen, die Schwächsten gegen die Schwachen auszuspielen. Gerade deshalb muss verhindert werden, dass die Flüchtlingskrise für eine neue Welle von Sozialabbau und Lohndumping missbraucht wird.

Auf keinen Fall dürfen jetzt diejenigen noch mehr Aufwind erhalten, die die barbarischen Terroranschläge von Paris instrumentalisieren, um ihre Hetze gegen Flüchtlinge voranzutreiben. Die Menschen, die zu uns kommen, fliehen selbst vor Terror, Krieg und Gewalt. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie jetzt unter Generalverdacht gestellt werden. Für die mit der mittlerweile alltäglichen Migration verbundenen Probleme müssen solche Lösungen gefunden werden, die Freizügigkeit als Recht voraussetzen. Dafür ist es notwendig, den Ansatz zu ändern, in dem Sinn, dass das „Problem Migration“ dem Recht auf Freizügigkeit Platz macht.

Kein Mensch hat den Ort, an dem er geboren wird, ausgesucht oder sucht diesen aus; jeder Mensch hat den Anspruch darauf, den Ort, an dem er leben, besser leben und nicht sterben möchte, frei zu wählen. Das ist verbrieftes Menschenrecht und wird in der „Charta von Palermo“ von vielen verantwortlichen Politikern eingefordert. Leoluca Orlando – Palermo – gestrandete Leichen 23.000 am Rathaus gedacht). In der gleichen Weise muss auch jede rechtliche, verwaltungsrechtliche, organisatorische Maßnahme und jedes sonstige Verfahren von der Voraussetzung ausgehen, dass das Menschenrecht auf Freizügigkeit aller Personen anzuerkennen ist. Denn: Kein Mensch ist illegal.

Die Geschichte ist voll von unmenschlicher Gesetzmäßigkeit.

Ich nenne nur die Todesstrafe, die weiterhin in zahlreichen Staaten gilt, die dennoch für sich beanspruchen, sich als zivilisiert und demokratisch zu bezeichnen, oder die Folterpraxis, die immer noch als Verhörmethode gebilligt wird. Oder die Sklaverei, die auf Gesetzen beruhen, die es ermöglichen sich zu bereichern, indem man menschliche Wesen kauft und verkauft. Ich will die Notstandsgesetzgebungen anklagen, die den Wert der Sicherheit derart verabsolutieren, dass der Respekt vor den Menschenrechten pervertiert wird. Die Logik und die Politik des Notstands, die jetzt bereits seit Jahrzehnten besteht und gegen die wir in den 1960er Jahren auf die Straße gegangen sind, muss aufgegeben werden. Die Freizügigkeit des Menschen ist ein Menschenrecht und darf nicht durch Sicherheitsfragen eingeschränkt werden.

Der Zugang von Migranten zu den individuellen Grundrechten, angefangen bei Aufenthalts- und Bewegungsrecht, ist unausweichlich. Mit Maßnahmen auf vielen Ebenen, nicht nur der europäischen oder nationalen, sondern auch in Zusammenarbeit mit lokalen Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen muss dies durchgesetzt werden, um das friedliche  Zusammenleben und die Wertschätzung unterschiedlicher Kulturen im Sinne einer Bereicherung für alle zu erfahren.

Die Entwicklung hier und Europa steht auf der Kippe. Die Frage lautet: Schlagen wir einen national-egoistischen, einen Weg der Abschottung ein oder nehmen wir die soziale Wende in ganz Europa in Angriff? Ich glaube, dass der erste Weg nicht nur falsch ist, er ist angesichts des Standes der europäischen Integration auch unpraktikabel. Die Errichtung weiterer Zäune und Grenzbefestigungen in vielen Teilen Europas ist ein Irrwitz. Aber es gibt nicht nur den Aufschwung von Ausgrenzung und Abschottung. Es gibt nicht nur den Anstieg faschistischer und rechtspopulistischer Parteien in Europa, sondern auch den Anstieg der Linken. Wenn wir bei uns die Kräfteverhältnisse verschieben, so wie das auch in Griechenland und vielleicht in Portugal ein Stück weit gelang, dann ist das ein weiteres Signal für ein anderes, für ein solidarisches Europa.

Die Flüchtlinge sind nicht daran schuld, dass CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne die hiesige Gesellschaft sozial gespalten haben. Sie sind unter dem Einsatz ihres Lebens vor Krieg, Verfolgung und Elend geflüchtet. DIE LINKE setzt sich für eine grundlegende Reform des Asyl- und Aufenthaltsrechts ein, das den Flüchtlingen schnelle Sicherheit über ihren Aufenthaltsstatus verschafft und sie von Beginn an gezielt unterstützt. Statt Flüchtlingen Arbeitsverbote zu erteilen, muss ihre Integration in den Arbeitsmarkt gefördert, müssen sprachliche und bürokratische Barrieren abgebaut werden.

Der Übergang von der Migration als Problem zur Freizügigkeit als Menschenrecht muss von uns organisiert werden. Dazu will ich aus den Erfahrungen der Reise (Reisen bildet) nach Tunesien und Palermo berichten. Ich habe in Palermo den Bürgermeister Leoluca Orlando kennengelernt, der mit der Charta von Palermo für die Freizügigkeit der Menschen plädiert.

Wir waren erstaunt, wie es in Palermo (sicherlich keine reiche Stadt) gelingt, die Integration von Geflüchteten aus aller Welt zu organisieren. Leoluca Orlando berichtete von seinem Kampf gegen die Mafia (die jährlichen Mordraten durch die Cosa Nostra sind in Palermo von 250 auf Null gesunken). Der Mafia hat die Stadt die Wohnungen, die Infrastruktur, alle Bereiche der Daseinsvorsorge wie Wasser, Strom, öffentlicher Nahverkehr und Bildung abgenommen und in eigener kommunaler Verwaltung übernommen. Vom Kampf gegen die Mafia kann man lernen. In diesem Sinne muss Hessen seinen Beitrag leisten, dass die Würde der Menschen unantastbar ist. Aller Menschen. Überall.  Wir wollen mit allen zusammenarbeiten, denen Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden am Herzen liegen, die gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufstehen (wie am letzten Wochenende in Weinheim gegen die NPD und in Mainz gegen die AFD). Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Die Aufgaben sind nicht von heute auf morgen zu bewältigen, aber heute muss damit begonnen werden. Wir als LINKE-Fraktion halten es für erforderlich, folgende Maßnahmen sofort zu ergreifen:

Wir fordern, ein Landes-Zukunfts-Programm aufzulegen, mit dem Bildung, Gesundheit, Pflege und andere soziale Dienstleistungen sowie öffentliche Infrastruktur für alle ausgebaut, Arbeitsplätze geschaffen und die Kommunen finanziell unterstützt werden. Das 500 Millionen-Programm der Landesregierung, (von dem wir immer noch nicht wissen, wie es konkret im Haushalt erscheint) kann da nur ein Anfang sein. Der Staat muss wieder handlungsfähig werden. Es muss zusätzlich mehr Geld für Personal in der Arbeitsvermittlung und Leistungsgewährung zur Verfügung gestellt werden. Ab sofort müssen in Hessen jährlich mindestens 10.000 Sozialwohnungen gebaut werden. Dafür müssen wir  mindesten 430 Millionen Euro einstellen.

Das Kooperationsverbot in der Bildungspolitik ist aufzuheben, damit auch der Bund direkt in die schulische Bildung sowie in die Ausbildungen von Lehrenden und Erziehenden investieren und gemeinsam mit den Ländern die Substanz des Bildungssystems erhalten und verbessern kann. Die Vermögenssteuer muss wieder eingeführt werden, Kapitalerträge sind höher zu besteuern und die Erbschaftssteuer muss reformiert werden. Die Flüchtlingsaufnahme sollte so organisiert werden, um einheitliche Standards und Verfahren durchzusetzen, wie sie die Liga der Wohlfahrtsverbände vorgeschlagen hat. Kernelement muss die Übernahme aller Unterbringungs- und Versorgungskosten für die Dauer des Asylverfahrens und für eine Übergangszeit nach einer Anerkennung sein.

Wir brauchen effektive Maßnahmen zur Beschleunigung der Asylverfahren, um die Integration von Beginn an zu gewährleisten, statt Flüchtlinge zu entrechten und auf Abschreckung zu setzen. Asylsuchenden muss der schnelle  Zugang zu Sprachkursen ermöglicht werden (dabei sollten die Vorschläge des hessischen Volkshochschulverbandes berücksichtigt werden) und Schritte zur frühzeitigen und gezielten Eingliederung in Arbeit organisiert werden.

Es geschieht Beachtliches. Menschen innerhalb und außerhalb Europas machen sich zu Tausenden auf den Weg, um Grenzen zu überwinden und um die Festung Europa in Frage zu stellen. Sie alle eint die Hoffnung auf ein besseres Leben in Würde. Gleichzeitig leisten viele Menschen hier den Flüchtlingen direkte Hilfe und Unterstützung.

Ich will das Beispiel Frankfurt nennen:

In Frankfurt entstand die Gruppe ‚Welcome Frankfurt‘, die die Solidaritätsarbeit und die Versammlungen mit den Geflüchteten koordiniert, um gemeinsam politische Forderungen zu artikulieren. Ebenso setzt sich in Frankfurt bereits seit einem Jahr die Initiative ‚Project Shelter‘ für ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum ein, um sowohl einen offenen Anlaufpunkt als auch einen ständigen Raum der Begegnung zu schaffen. Und zwar für alle Menschen, die in Frankfurt ankommen und hier leben wollen.

Auch das ehrenamtliche Bildungsprojekt ‚Teachers on the Road‘ mit seinen Sprachkursen ist Teil dieser spontanen wie organisierten Solidarität. Unzählige weitere Geschichten ließen sich problemlos anreihen. Geschichten von Menschen, die Bildungsarbeit zu Flucht und Asyl anbieten, die sich gegen Abschiebung engagieren, oder die sich aktiv gegen rechte Hetze zur Wehr setzen.

Geschichten des Alltäglichen und Beispiele, die oftmals in einem kleinen Rahmen erfolgen. Doch klein sind sie nicht, weil sie vermeintlich unwichtig wären, sondern weil sie als selbstverständlich und damit als unsichtbar für die Öffentlichkeit verstanden und gelebt werden.  

Trotz alledem bleibt noch einiges zu Tun. Wir dürfen uns nicht an die prekäre Unterbringung der Flüchtlinge in den Sammelunterkünften gewöhnen: Turnhallen bleiben belegt – oftmals gar überfüllt – obwohl es in Frankfurt Millionen Quadratmeter leere Büroflächen und über 40.000 verfügbare Hotelbetten gibt. Zeitgleich ist Frankfurt ein globales Drehkreuz.

Mit Klagen über die angebliche Überlastung zielt die Politik auf eine verstärkte Abschottung nach außen und eine Spaltung der engagierten Bevölkerungsteile: Die Asylrechtverschärfung wird im Eiltempo umgesetzt; im Namen der 'Sicherung der Außengrenzen' werden billigend Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen; neue kommunale Sparpakete sind bereits geplant, um die Armen mit den Ärmsten in Konkurrenz zu setzen; die dramatische Zunahme von Brandanschlägen gegen Asylunterkünfte, Angriffe auf Politiker*innen und der Zuwachs von AfD, Pegida und Co. markieren eine bedrohliche Verschiebung. Rassismus wird als „Angst“ verschleiert.

Wir müssen mutig unser Land sozial modernisieren und ausbauen, damit es endlich wieder handlungsfähig wird. Wohnungsbau, Bildung, Rente, Sozialsystem, ÖPNV, Infrastruktur, Integration – alle Versäumnisse der vergangenen Jahre drängen jetzt angesichts der Geflüchteten im Land umso mehr. Ein Einwanderungsland kann sich erst recht keinen kaputten Staat leisten.

Auch im kommenden Jahr werden die Beamtinnen und Beamten in Hessen länger arbeiten als in allen anderen Bundesländern – die Reduzierung der Arbeitszeit geht hier nur sehr, sehr langsam voran. Im Übrigen passt eine Reduzierung der Arbeitszeit bei den Beamtinnen und Beamten nicht mit einem Stellenabbau im öffentlichen Dienst zusammen – entweder sinkt die Arbeitsbelastung für die Einzelnen indem man mehr Stellen schafft, dann kann man auch die Arbeitszeit reduzieren. Oder die Arbeitsbelastung steigt, weil man Stellen streicht, um Ausgaben zu kürzen. Dann macht sich das in Arbeitsverdichtung, Überstunden und höheren Krankenständen – wie wir es aktuell erleben bemerkbar. Allein im aktuellen Haushalt werden zusätzlich 350 Stellen gestrichen. Der Personalabbau geht mit schwarz-grün in unverminderter Härte weiter. Der Politikwechsel für den die Grünen angetreten sind, findet nicht statt. Statt Hessen zu verändern, verändern sich die Grünen. Das Beispiel der Personalaufstockung im Verfassungsschutz – einer völlig unnötigen Behörde – zeugt davon.

Beim Personalabbau im öffentlichen Dienst ist besonders ein Bereich betroffen der dann doch überrascht. Immerhin wird uns hier ja immer wieder der Eindruck vermittelt, es gehe bei den Kürzungen im öffentlichen Dienst darum Kosten zu sparen, um die Schulden, die wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen, nicht in untragbare Höhen zu treiben. Aber was hier tatsächlich passiert ist nicht im Sinne junger Menschen – ganz im Gegenteil: nach dem aktuellen Entwurf reduziert die Landesregierung die Zahl der Ausbildungsstellen um 138. Das sind fast acht Prozent aller Stellen für Auszubildende!

Das ist die Folge der Schuldenbremse – die nachfolgenden Generationen bekommen keine Ausbildungsstellen mehr im öffentlichen Dienst! Diese Art Generationengerechtigkeit lehnen wir entschieden ab. Wir brauchen mehr Ausbildungsstellen auch im öffentlichen Dienst. Allein um eine Überalterung des Personalbestands zu verhindern, aber auch und vor allem um jungen Menschen eine Chance zu geben, auf sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätzen sinnvolle Arbeit für unsere Gesellschaft zu leisten.

Doch mit der Streichung von Stellen ist es noch nicht genug – darüber hinaus müssen die Beamtinnen und Beamten in Hessen weitere Sonderopfer erbringen. So werden sie mittlerweile vollständig von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt – nach einer Nullrunde im laufenden Jahr wird es auch im nächsten Jahr keine Übernahme des Tarifabschlusses im öffentliche Dienst für die Beamtinnen und Beamten geben. Wieder werden die Beamtinnen und Beamten also schlechter gestellt als die Angestellten.

Man darf gespannt sein, ob diese Entscheidung einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand halten wird – der Blick nach Nordrhein-Westfalen dürfte da gewisse Hinweise geben. Die Beamtinnen und Beamten in Hessen erfahren unter dieser Landesregierung am eigenen Leib was der Fetisch der schwarzen Null  bedeutet. Die Schuldenbremse heißt weniger Realeinkommen, weniger Beschäftigte und höhere Arbeitsbelastung im öffentlichen Dienst.

Noch frappierender ist die Situation aber bei den Investitionen. Hier zeigt sich wie irre der Plan ist, die Einnahmen und Ausgaben des Landes ohne zusätzliche Einnahmen aus einer Vermögensteuer ausgleichen zu wollen. So sieht diese Landesregierung, eine Reduzierung der Ausgaben für Investitionen bis ins Jahr 2019 vor, die wirklich bemerkenswerte Ausmaße hat. Im Vergleich zu 2013 wollen sie 2019 satte 22 Prozent weniger investieren als noch 2013.

Angesichts einer zunehmen verrottenden Infrastruktur kann einem dabei nur Angst und Bange werden, wie das Land aussehen soll, dass die Apologeten der schwarzen Null unseren Kindern und Enkeln hinterlassen wollen. Daran ändert auch das Kommunale Investitionsprogramm das sie in dieser Woche hier verabschieden wollen nichts – sie fahren die Infrastruktur in diesem Land auf Verschleiß. Wo heute nur der Putz bröckelt, da krachen Morgen schon die Balken. Und weil das ja immer so lustig klingt, habe ich Ihnen mal ein Bild mitgebracht. In der vergangenen Woche hat der Haushaltsausschuss mal wieder über den Verkauf eines Gebäudes entschieden. Und üblicherweise bekommen wir als Abgeordnete dann immer noch ein Exposee zu dem jeweiligen Objekt. Was wir aber hier gesehen haben, hat mir aber wirklich die Sprache verschlagen.

[BILD HOCH HALTEN]

Dieses Gebäude hier in Wiesbaden wurde noch bis letztes Jahr genutzt! Diese Bruchbude hat nicht jahrzehntelang leer gestanden – nein, dieses Gebäude an dem nicht nur der Putz bröckelt, sondern an dem mittlerweile Sicherungsmaßnahmen getroffen worden sind, damit hier nicht größere Teile auf die Straße fallen, wurde genutzt und vom Land verfallen gelassen.

Statt hier den Wertverfall durch regelmäßige Instandhaltungen – sprich Investitionen zu verhindern, stehen wir nun vor einer Bauruine deren Verkauf uns von der Landesregierung als alternativlos hingestellt wird, weil die jetzt notwendigen Investitionen zu hoch seien.

Das sind die Folgen der Schuldenbremse – der Verfall und anschließende Ausverkauf öffentlichen Eigentums, damit private Investoren dann ein gutes Geschäft machen können. Und so wie dieses Haus aussieht wird es, wenn wir nicht endlich wieder Anfangen an vielen Stellen zu investieren in diesem Land aussehen. Arbeit ist der Schlüssel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Arbeitslosigkeit in der Regel mit Armut und Ausgrenzung verbunden. Auch wenn derzeit Fragen der Unterbringung der Flüchtlinge sowie der Bekämpfung von Fluchtursachen im Vordergrund stehen, müssen die Weichen für eine gleichberechtigte Teilnahme am Erwerbsleben für Flüchtlinge jetzt gestellt werden. Denn nichts ist zynischer, als die Integration von Menschen einzufordern, denen man gleichzeitig den Zugang zu Arbeits- und Ausbildungsplätzen verweigert.

Wir als LINKE setzen uns für eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik im Interesse aller Erwerbslosen ein. Die Mittel für die Arbeitsförderung sowie für Sprach- und Integrationskurse müssen deutlich aufgestockt werden. Nötig ist daher als erster Schritt ein sofortiges Investitionsprogramm, mit dem soziale Dienstleistungen und öffentliche Infrastruktur für alle ausgebaut, Arbeitsplätze geschaffen und die Kommunen finanziell unterstützt werden. Dies wäre ein wirkliches Konjunkturprogramm für Hessen

Mittelfristig ist ein vielfach größeres Zukunftsinvestitionsprogramm nötig, das maßgeblich über die Wiedereinführung einer Vermögensteuer finanziert wird. Allein die in Deutschland ansässigen Millionäre besitzen ein Vermögen von gut 2,5 Billionen Euro, die zehn reichsten Familien kassieren zusammen Dividenden in Höhe von 2,4 Milliarden Euro im Jahr. Den Luxus, dieses Vermögen nicht angemessen zu besteuern, können wir uns nicht länger leisten. Nur mit einer umfassenden sozial- und wirtschaftspolitischen Wende für alle hier lebenden Menschen kann die gesellschaftliche Teilhabe und Mitgestaltung an der Wertschöpfung garantiert werden.  

Die Verarmenden und Armen ziehen sich immer mehr zurück, schon deshalb, weil die Teilhabe am öffentlichen gesellschaftlichen Leben ja auch Geld kostet. Sie steigen auch nicht auf die Barrikaden, weil sie ganz andere Sorgen haben, etwa die, wie sie am 20. des Monats noch was Warmes auf den Tisch kriegen. Die soziale Spaltung vertieft sich zusehends, und wir kommen in einen Teufelskreis, der uns, wenn wir nicht aufpassen, auch eine Brutalisierung unserer Gesellschaft bringen wird, mit mehr Drogensucht, Alkoholismus, Kriminalität auf den Straßen und vielem anderen mehr.

Während sich das private Nettovermögen allein zwischen 2007 und 2012 um 1,4 Billionen Euro erhöht hat, ist das Nettovermögen des Staats laut 4. ARB in den letzten beiden Jahrzehnten um mehr als 800 Milliarden Euro gesunken. Entsprechend sind die Auswirkungen. Es wird verkündet, man müsse ‚den Gürtel enger schnallen‘.

Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten.

Dieser Haushalt, wie er uns heute zur Beratung vorliegt, ist kein Signal für eine gerechte Politik.

Ich hoffe: Die Geflüchteten helfen uns, einen wirklichen Politikwechsel zu einer sozial gerechteren Gesellschaft einzuleiten. Der vorgelegte Haushalt ist eher ein Hindernis auf diesem Weg.