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Rede

Rede zum Klimaschutz in Hessen: Falsche Treibhausgasbilanz, falsche Ziele und kein verbindlicher Plan

Marjana Schott
Marjana SchottUmwelt- und Klimaschutz

Rede Marjana Schott am 14. Dezember 2017 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

alleine die Überschrift des Werbeantrages von CDU und den Grünen - „Hessen übernimmt Verantwortung für Klimaschutz …“ - ist scheinheilig und täuscht die Menschen im Land.
Die Landesregierung gaukelt den Menschen vor, dass die Klimaschutzziele mit dem Hessischen Klimaschutzplan 2025 zu erreichen wären.
Das sind sie aber nur, wenn man die Treibhausgasbilanz des Landes schönrechnet und genau das hat die Landesregierung gemacht.

Bei der Bilanzierung der klimarelevanten Emissionen behauptet die Landesregierung, dass im Vergleich zum Basisjahr 1990 bereits eine Senkung um 26 Prozent erreicht worden sei. Damit läge das selbstdefinierte Zwischenziel der Landesregierung ¬¬– eine Treibhausgasreduktion um 30 Prozent bis 2020 - in greifbarer Nähe.

Zu diesem Ergebnis kommt die Landesregierung, weil der nach Hessen importierte Strom in der CO2-Bilanz nicht auftaucht. Ja, sie haben richtig gehört: wenn wir Strom verbrauchen, der in anderen Bundesländern z.B. mit Braunkohlekraftwerken erzeugt wurde, ist das für Hessen quasi klimaneutrale Energie.

Die Kritik ist nicht neu, wurde vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erarbeitet und von uns bereits bei der Vorstellung des Hessischen Klimaschutzplans 2025 hier vor knapp einem Jahr vorgebracht. Geändert hat die Landesregierung ihre eigenwillige Bilanzierung aber nicht. Der Grund: Ohne diesen Bilanztrick ist der ganze Klimaschutzplan 2025 hinfällig.

Bilanziert man auch den importierten Strom, hat Hessen seit 1990 erst eine Senkung der CO2-Emissionen um 12 Prozent erreicht, nicht um 24 Prozent.
Für das Ziel der Landesregierung – bis 2020 die CO2-Emisionen um 30 und bis 2025 um 40 Prozent zu verringern – müsste der CO2-Ausstoß jedes Jahr um mindestens drei Prozent gesenkt werden. Die Landesregierung plant auf Grundlage ihrer Spezialbilanzierung aber nur eine Reduktion um 1,5 Prozent.

Über alle Maßen erschreckend ist, dass selbst diese Vorgabe nicht erreicht wird. Aktuell schaffen wir in Hessen noch nicht einmal ein halbes Prozent weniger CO2 im Jahr freizusetzen. Aber anstelle einer Berichterstattung über die aktuelle Situation müssen wir uns die Selbstbeweihräucherung der Regierungsfraktionen anhören, wie toll ihr Klimaschutzplan sei.

Mit dem hessischen Klimaschutzplan 2025 wird keines der Klimaschutzziele zu erreichen sein. Weder das von Hessen selbstgesteckte niedrige Klimaschutzziel für 2020, noch das Ziel für 2025 und schon überhaupt nicht die Erfüllung des Pariser Abkommens.

Der Hessische Klimaschutzplan, den die Regierungsfraktionen in ihrem Antrag lobpreist, ist so schlecht, ja so falsch, dass der BUND Hessen sich gezwungen sah, ihm einen eigenen Klimaschutzplan entgegen zu setzen.

Und jetzt reden wir nochmal über „Verantwortung“, die in dem Schaumschläger-Antrag von CDU und Grüne so hoch gehängt wird.

Wie bitte verteidigen Sie die Entscheidung – und es war eine Entscheidung die CDU und Grüne getroffen haben –, die Stromimporte nach Hessen bei der CO2-Bilanz nicht zu berücksichtigen? Stellen Sie sich einmal vor, wir würden nach dieser Logik den CO2-Ausstoß des motorisierten Straßenverkehrs bewerten. Die Ölquellen in Hessen sind eher selten, der Anteil an Bioethanol im Sprit auf 5 und 10 Prozent begrenzt. Seien wir großzügig und gehen von einem Import der Energieträger für den Straßenverkehr von 85 Prozent aus. Weil ja das Öl für den Sprit nicht aus Hessen kommt, hätten wir nach der Bilanzlogik der Landesregierung sofort eine Verminderung des CO2-Ausstoßes um 85 Prozent erreicht. 85 Prozent weniger CO2-Ausstoß im Straßenverkehr ist großartig. Das ist kurz vor klimaneutral!

Warum rechnet die Landesregierung im Verkehrssektor nicht genauso wie bei den Stromimporten? Richtig: weil es falsch wäre. Weil es den tatsächlichen CO2-Ausstoß in Hessen verschleiern würde; weil es Betrug wäre.

CDU und Grüne mobilisieren in ihrem Antrag alles was die Phrasendreschmaschine hergibt: „Schutz und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen“, „Ausgleich von Ökologie und Ökonomie“ und „Verantwortung für die kommende Generation“. Verantwortung ist ein wirklich gutes Stichwort. Es ist an der Zeit, dass Priska Hinz und Tarek Al-Wazir – die beiden grünen Vorzeigeklimaschützer – Verantwortung für die Klimapolitik der Landesregierung übernehmen. Verantwortung für diese gezielte Desinformation, die sie verbreiten, um das Scheitern ihrer Klimapolitik in Hessen zu kaschieren.

Die Waldeckische Landeszeitung vom 27.01. zitiert Tarek Al-Wazir mit dem Slogan: „Wer grün wählt, bekommt grün“.

Ich möchte nicht polemisch werden. Es ist sicher schwierig, der CDU auch nur etwas Klimaschutz abzutrotzen. Aber man darf doch am Ende die grün angestrichenen CDU-Positionen nicht mit den eigenen Inhalten verwechseln. Geradezu dummdreist ist es, sich hier hinzustellen und den Menschen weis machen zu wollen, dass die Klimaschutzpolitik in guten Händen sei, dass der Hessische Klimaschutzplan toll sei und man auf dessen Grundlage die Klimaschutzziele erreichen würde und sich nicht davor scheut alternative Fakten zu schaffen. Das ist das Gegenteil von Verantwortung übernehmen. Das ist Heuchelei und Verleugnung! Das ist genau die Art von marketingetriebenem Politikzirkus, weshalb die Menschen sich von der Politik in den Parlamenten abwenden.

Seien sie ehrlich, sagen sie den Menschen, wo wir im Klimaschutz in Hessen wirklich stehen.
• 13,5 Prozent ökologisch bewirtschaftete Flächen sind noch keine Agrarwende;
• Bei der Energiewende hängt der Ausbau der Windenergie dem Ziel – ein Zubau von durchschnittlich 400 MW jährlich – erheblich hinterher. In 2017 waren es 280 MW und für 2018 gibt es fast keine Anträge;
• Und im Verkehrssektor nehmen die Emission zu und nicht ab.

Wir sind nicht auf dem Weg, auch nur eines der Klimaschutzziele zu erreichen und um Herrn Kaufmann zu zitieren: Das „Gequake“ der Landesregierung ist hier nicht hilfreich. Die Landesregierung tut so, als könnten wir so weiter machen wie bisher, der Kapitalismus muss halt nur etwas grüner werden. Das ist falsch und dass wissen Sie auch. Wenn wir den Klimaschutz wirklich ernst nehmen, stehen wir vor einem grundlegenden sozial-ökologischen und demokratischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft.

Um wenigsten den Istzustand und Schutzziele zu bestimmen, haben wir in unserem Antrag vier Punkte, die die Landesregierung sofort angehen muss:

1. Wir brauchen verlässliche Zahlen, wo Hessen bei der Reduktion der Treibhausgase, einschließlich der Stromimporte steht – die letzte Bilanzierung stammt aus 2013!
2. Das Land Hessen korrigiert seine Zielsetzung: bis 2040 – nicht erst bis 2050, das gilt für das 2-Grad-Ziel – müssen mindestens 90 Prozent der Treibhausgase gegenüber 1990 reduziert werden.
3. Auf dieser Grundlage muss die Landesregierung überprüfbare Minderungsziele in Fünfjahreschritten festlegen.
4. Wie wir im Fall der Stickoxidbelastung sehen, muss Klimaschutz einklagbar sein. Anstelle eines unverbindlichen Plans mit unzähligen Vorschlägen, die man aufnehmen kann oder auch nicht, fordern wir ein rechtsverbindliches hessisches Klimaschutzgesetz.

Für weitere Anregungen empfehle ich einen Blick in unsere Haushaltsanträge.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.