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Rede

Rede zum Setzpunkt der FDP 'Gründertum und Werbung'

Gabi Faulhaber
Gabi Faulhaber

Rede von Gabi Faulhaber am 23. Februar 2017 im Hessischen Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –


Herr Präsident,
meine Damen und Herren!

In diesem Antrag sind eine ganze Reihe von Forderungen vermischt, die nach Ansicht der FDP das freie Unternehmertum stärken sollen.

Zuerst geht es um eine Studie des Branchenverbandes Bitcom.
Dort wird als Unzulänglichkeit dargestellt, dass nur ein Viertel der Lehrerinnen und Lehrer ihren Schülerinnen und Schülern raten würde, ein start-up-Unternehmen zu gründen.
Ich muss Ihnen sagen: ich wundere mich, dass überhaupt eine Lehrerin oder ein Lehrer einem Schüler der Sekundarstufe I rät – denn um diese Schülergruppe geht es in der Studie – ein start-up-Unternehmen zu gründen!

Ich halte es für verantwortungslos, Schülern der fünften, sechsten oder auch neunten Klasse als Lehrerin zur Gründung irgendeines Unternehmens „zu raten“.

Selbst wenn – wie Sie das fordern meine Dame und die Herren von der FDP – die Lehrerinnen und Lehrer eine Aus- und Weiterbildung in „Existenzgründung“ und „Unternehmertum“ erhalten würden – sie sind in erster Linie Pädagogen und keine Unternehmensberater.
Und als Pädagogen bilden sie in der Sekundarstufe I nicht kleine Unternehmer aus, sondern ermöglichen ihren Schülern eine möglichst vielseitige und fundierte Grundbildung. Und sie erziehen die Kinder zu Menschen, die sich sozial verhalten und im Team arbeiten können. Das sind nämlich die wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass sich die jungen Menschen nach der Schule in der Arbeitswelt und im Leben zurechtfinden.

Ich würde auch mal gerne erklärt haben, welchen Stellenwert und welchen Umfang die „Vermittlung unternehmerischer Kompetenzen“ - wie es unter Punkt 2 des FDP-Antrags gefordert wird - im Schulunterricht haben soll.
Also, Entschuldigung, aber ich gehe einmal davon aus, dass auch Sie, meine Dame und die Herren von der FDP, niemandem raten wollen, ohne Berufsausbildung oder Studienabschluss, frisch von der Schulbank entlassen, ein Unternehmen zu gründen.
Das kann ja nicht ernsthaft Ihr Ansatz sein! Eine solche Gründerorientierung macht doch erst dann Sinn, wenn die Basis dafür gelegt ist. Wenn in einer Berufsausbildung oder einem Studium Grundlagen dafür erworben wurden.

Meine Damen und Herren,
natürlich braucht man Kenntnisse über wirtschaftliche Fragen und Zusammenhänge. Und natürlich müssen diese auch Teil des Schulunterrichts sein.

Aber hier fordert die FDP, dass in den Kerncurricula die „unternehmerischen Kompetenzen“ stärker berücksichtigt werden sollen, weil gesellschaftspolitisch Bildung die wirtschaftliche Bildung verdrängen könnte.

Also was soll denn jetzt genau in Politik & Wirtschaft unterrichtet werden?
Betriebswirtschaft? Zum Beispiel Rechnungswesen, Marketing und Personalführung?
Sollte das ernsthaft der Stoff für die Klassen fünf bis zehn sein?

Es sind doch vor allem volkswirtschaftlichen Inhalte, die vermittelt werden müssen. Die Wirtschaft agiert global, es bestehen Abhängigkeiten und es entstehen Probleme, die sich von gesellschaftspolitischen Fragestellungen nicht entkoppeln lassen – im Gegenteil: etwas wacher und kritischer Verstand wäre in diesem Zusammenhang nicht eben falsch!

Auch wenn die Freien Demokraten dies vielleicht nicht so gern haben.
Davon abgesehen konnten Sie auf der Pressekonferenz, die Sie letzte Woche einberufen haben, um diesen Antrag vorzustellen, ja nicht einmal ein Beispiel nennen, wie gesellschaftspolitische Fragestellungen wirtschaftliches Grundwissen verdrängen.
Es tut mir leid, aber Ihre Argumentation erscheint hier etwas abstrus.

So, dann haben Sie in den folgenden Punkten noch irgendwie die Kurve gekriegt, um in diesem Antrag auch noch Sponsoring und Werbung an Schulen unterzubringen. Hier bin ich ja durchaus auch der Meinung, dass man bei der Neufassung des Schulgesetzes genau hinsehen muss, was dort formuliert ist.
Aber im Gegensatz zu Ihnen denke ich nicht, dass das Kultusministerium jede Spende des Fördervereins oder des Dorfbäckers für eine Sportveranstaltung oder ein Projekt genehmigen möchte.
Dass Schulpaten beispielsweise die Schulhöfe mitgestalten und Baumaterial spenden, ist - so hoffe ich doch - auch weiterhin im Interesse des Kultusministeriums.

Was aber nicht sein kann, ist, dass McDonalds Schulbücher über gesunde Ernährung zur Verfügung stellt oder die Versicherung über die private Eigenvorsorge. Eine solche Art von Beeinflussung hat an Schulen nichts zu suchen. Punkt! Und da ist es gut, dass das Kultusministerium genauer hinschaut.
Allerdings wünsche ich mir vom Kultusminister an dieser Stelle auch, dass er seine Lehrkräften auffordert, darauf zu verzichten, beispielsweise Wasserfarben nur von Pelikan und Bundstifte nur von Faber einzufordern.

Zu jedem neuen Schuljahr werden nämlich Anschaffungslisten ausgeteilt und auf vielen wird der gewünschte Markenname gleich mitgenannt. Das geht nämlich auch nicht, Herr Minister, und das ist mir Jahr für Jahr ein Dorn im Auge!

Zurück zum Antrag: Wir lehnen diesen Antrag ab.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!