Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Rede zur Regierungserklärung

Willi van Ooyen
Willi van Ooyen

Rede zur Regierungserklärung

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Herr Ministerpräsident, auch heute wollten Sie wieder nicht darauf verzichten, den Stammtisch dadurch zu mobilisieren, dass Sie einmal mehr darüber reden, dass man in Berlin ja unser sauer verdientes Geld für Kitas verjubeln würden.

Bemerkenswert auch, dass Sie sich hier hinstellen und allen Ernstes erzählen, dass die Zahlungen der drei Geberländer zwischen 2010 und 2014 um zwei Milliarden angestiegen seien. Das stimmt. Allerdings sind die Zahlungen die Hessen dazu beiträgt in diesem Zeitraum lediglich um 3 Millionen angestiegen. Gerade mal um 0,2 Prozent ist die Belastung durch den Länderfinanzausgleich für Hessen zwischen 2010 und 2014 also gestiegen. Gleichzeitig sind aber die Steuereinnahmen die in Hessen blieben, um satte 3,6 Milliarden Euro gestiegen. Von jedem Euro den Hessen 2014 also mehr eingenommen hat als im Jahr 2010, musste es 0,1 Cent abgeben.

Dass der Hessische Ministerpräsident daraus macht, dass ein solches System keine Zukunft habe, ist schon irrwitzig und zeigt, worum es Ihnen eigentlich geht: um dumpfe Polemik.

Es mag ja sein, dass man es sich in Berlin leistet, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen und deshalb Kitas gebührenfrei anbietet – aber die Frage muss doch sein, warum das in Hessen nicht geht? Und die Antwort ist sicher nicht der Länderfinanzausgleich, denn Berlin würde keinen Cent weniger bekommen wenn man dort Kitagebühren erhebt. Und Berlin würde im Übrigen auch keinen Cent weniger bekommen, wenn man den BER endlich fertig hätte.

Diese Art Polemik, Herr Ministerpräsident, können Sie vergessen – das hilft niemandem und es macht auch eine Einigung mit dem Bund nicht einfacher, wenn sie immer wieder erkennen lassen, dass sie nicht nur neidisch sondern missgünstig sind, wenn andere Bundesländer in sozialen Belangen weiter sind, als Sie hier in Hessen.

Der Länderfinanzausgleich verteilt nur und kontrolliert nicht die Ausgaben der einzelnen Bundesländer.

Gegen diesen Länderfinanzausgleich hat die Hessische Landesregierung geklagt und das war Zeit- und Geldverschwendung.

Statt auf eine konstruktive Lösung hin zu arbeiten, hat sich die damalige schwarz-gelbe Landesregierung im März 2013 entschlossen, gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen, um noch einmal vor der Landtagswahl ein großes Fass aufzumachen.

Was haben wir hier im Haus nicht alles erlebt – Debatten in denen die neoliberal-konservative Regierungskoalition aus CDU und FDP eine Parallele zum Jahr 1914 herstellen wollte, um die Sozialdemokraten mal wieder mit dem Vorwurf sie seien „Vaterlandslose Gesellen“ zu provozieren, Christean Wagner sagte etwa in einer Debatte am 28. Februar 2013:

„Darauf kommt es heute an: Sind Sie heute mehr Hessen oder mehr Genossen? – Das wollen wir der Öffentlichkeit dann auch klar und deutlich sagen.“

Und Herr Dr. Wagner setzte noch einen drauf und sagte:„Die SPD in diesem Hause verrät mit ihrer Verweigerungshaltung die Interessen unseres Landes.“

Unter Vaterlandsverrat ging es bei ihm nicht.

Volker Bouffier sprach heute von einem Akt politischer Notwehr und damals aus dem Schloss Biebrich heraus verkündete die Landesregierung gemeinsam mit Horst Seehofer, dass die Schmerzgrenze der Belastung im Länderfinanzausgleich erreicht sei. Welches Bild man da in Cottbus oder Oberhausen gehabt haben mag, kann man sich gut vorstellen.

Kurzum die Debatte um den Länderfinanzausgleich wurde aus Hessen vor allem für polemische Übertreibungen und wahlkampftaktische Manöver genutzt – umso erstaunlicher wie viel Kreide der neue, alte Landesvater Volker Bouffier heute hier gefressen hat.

Erstaunlich ist auch das Verhandlungsergebnis, wenn man einmal die Maßstäbe daran anlegt, die von der Landesregierung an den Länderfinanzausgleich angelegt wurden. Denn wesentliche Elemente, gegen die sie klagen – die Klage wollen sie ja bisher nicht sofort zurückziehen, haben sie nicht nur im Sinne der Klage geändert, sondern sogar noch verstärkt.

So etwa sollen die Steuereinnahmen der Kommunen im Länderfinanzausgleich nun stärker berücksichtigt werden als bisher – Hessen hatte aber gerade gefordert, diese Einnahmen weniger zu berücksichtigen.

Und auch die Bundesergänzungszuweisungen gegen die sich Hessen in seiner Klage gewendet hat, bleiben nicht nur erhalten – nein, es wird sogar eine zusätzliche Bundesergänzungszuweisung für Forschungsförderung eingeführt.

Meine Damen und Herren, von der Landesregierung – angesichts dieses Verhandlungsergebnisses sollten sie sich ehrlich machen und die Klage gegen den Länderfinanzausgleich jetzt gleich zurückziehen. Denn in wesentlichen Punkten haben sie einem Kompromiss zugestimmt, der ihre Argumentation vor dem Bundesverfassungsgericht als das erkennen lässt, was sie immer war: ein polemisches Getöse.

Und so bleibe ich dabei: Die Klage des Landes Hessen gegen den Länderfinanzausgleich war Zeit- und Geldverschwendung.

Auch die  Ausstattung der Länder mit einer eigenständigen Gestaltungskomponente bei der Einkommensteuer – wie es die neoliberale FDP immer wieder gefordert hat -  haben wir immer abgelehnt.

Dieser Konkurrenzföderalismus folgt der neoklassischen Idee, Länder müssten wie Unternehmen um Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft konkurrieren. Hier wird auf eine steuerpolitisch induzierte Abwanderung in ein Bundesland mit

niedriger Steuerlast gesetzt – und das ist naiv. Wäre dieses Wettbewerbsmodell in den letzten Jahrzehnten angewendet worden, dann sähe es noch schlechter um den Zusammenhalt

Deutschlands Aus.

Wir kämpfen für einen Solidarföderalismus, der für homogene Entwicklungsbedingungen sorgt. Und da lohnt es sich den Kompromiss, den die Länder jetzt gefunden haben, einmal genauer anzusehen.

Aus meiner Sicht positiv ist die Tatsache, dass die Finanzkraft der Kommunen jetzt stärker berücksichtigt wird. Wenn sie sich einmal ansehen, wie hoch die Zuweisungen der einzelnen Bundesländer an ihre Kommunen sind, dann wird deutlich, dass dies ganz wesentlich von der Finanzkraft der Kommunen in den jeweiligen Bundesländern abhängt.

Anders ausgedrückt: damit die Kommunen in Sachsen oder Schleswig-Holstein ihre Aufgaben erfüllen können, müssen die Länder dort deutlich mehr Geld aus dem Landeshaushalt zuschießen, als das Land Hessen mit seinen Kommunen, die deutlich höhere Einnahmen haben als in anderen Bundesländern.

Ganz nebenbei wissen wir aber auch, dass gerade Hessen hier immer noch zu wenig für seine Kommunen tut – auch deren Finanzkraft hat eben Grenzen. Wir hätten gern gesehen, wenn man die Einnahmen von Ländern und ihrer Kommunen als Einheit betrachtet, also die Einnahmen der Kommunen vollständig berücksichtigt.

So weit ist es nun nicht gekommen, aber immerhin werden die Einnahmen der Kommunen nun stärker berücksichtigt als bisher.

Ein zweiter durchaus positiver Punkt in dieser Einigung sind die gemeinsamen Anleihen Bund und Ländern.

Es war absolut widersinnig, dass das bisher noch nicht geschehen ist. Nun endlich ist man sich einig geworden, dass es sinnvoll und richtig ist das Bund und Länder ihre Schulden gemeinsam am Kapitalmarkt finanzieren.

Damit dürften für die Länder Zinsvorteile entstehen und so die Haushalte entlastet werden.

Nun will ich der Regierungsseite in diesem Haus aber nicht weiter unerträgliche Schmerzen zufügen und höre auf mit meinem Lob für einige Teile der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs. Denn es gibt auch genug worüber man sich sicher streiten kann.

Zum einen ist es die Überschrift unter die man diese Einigung gestellt hat. Da wird ja tatsächlich behauptet, dass der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form abgeschafft würde. Tatsächlich passiert das ja nur in einem sehr, sehr engen Sinne. Viel treffender ist der Vorschlag beschrieben mit einem „Wegfall des Umsatzsteuervorwegausgleichs“.

Das ist nun, zugegeben, sehr sperrig, aber eben auch zutreffend.

Auf gut Deutsch bezieht man nun die Umsatzsteuer sogar in den Länderfinanzausgleich ein. Das hat rechnerisch kaum Auswirkungen, politisch aber sehr wohl. Zum einen wird dadurch Nordrhein-Westfalen zum Geberland. Das sieht von NRW aus vielleicht schöner aus, hat aber allein rechnerische Ursachen.

Gleichzeitig aber werden auch andere Länder nun zu noch größeren Nehmerländern – Sachsen etwa.

Dort wird jetzt erkennbar, dass gerade die Ostdeutschen Bundesländer bei der Umsatzsteuer noch weit hinter dem liegen, was in den westdeutschen Flächenländern anfällt.

Das ist zwar durch die Landespolitik nur schwer zu beeinflussen, aber es ist zu befürchten, dass dies zunehmend Teil der politischen Auseinandersetzung über den Länderfinanzausgleich wird.

Ich hätte es ehrlich gesagt lieber gesehen, wenn man das Verteilungsvolumen des Länderfinanzausgleichs im engeren Sinne weiter verringert und so dem ganzen etwas die politische Aufregung nimmt. Gleichzeitig hätte man dafür den Umsatzsteuerausgleich weiter stärken müssen. Sei es drum. Ich kann es auch verstehen, wenn Nordrhein-Westfalen gern zum Geberland werden will, um sich damit die Polemiken aus Bayern und Hessen vom Hals zu halten.

Nichtsdestotrotz ist der Kompromiss alles andere als der große Wurf, den es endlich gebraucht hätte. Und so ist es ja auch schon darauf angelegt, dass wir in einigen Jahren wieder aus diesem Landtag zu hören bekommen, wie ungerecht der Länderfinanzausgleich ist.

Dabei ist das politische Gezerre um den Länderfinanzausgleich nichts anderes als Polemik. Nur ein Beispiel, wie diffizil das Gebilde ist: Bremen wurde 1970 vom Geber- zum Nehmerland, der Grund dafür war aber nicht, dass man in der bremischen Bürgerschaft so schlecht gewirtschaftet hatte. Der Grund war die erste große Finanzreform.

Mit ihr wurde das Wohnortprinzip bei der Einkommensteuer eingeführt und die vielen Einpendler nach Bremen zahlten ihre Einkommensteuer nun an ihrem jeweiligen Wohnort und nicht mehr in Bremen. So etwas Ähnliches erleben wir nun auch mit der Abschaffung des Umsatzsteuerausgleichs.

Der nun gefundene Kompromiss ist aber sicher einer, der nicht von Dauer sein wird. Deshalb ist ja auch schon für das Jahr 2030 eine Kündigungsklausel eingebaut – ich würde mich doch sehr wundern, wenn der nun gefundene Kompromiss deutlich länger hält als bis 2030.

Von heute aus gesehen mag das sicher noch lange erscheinen, da der Länderfinanzausgleich aber die Neuregelung erst nach 2019 in Kraft tritt, heißt das eben auch, dass er nur 10 Jahre bestand haben soll. Wohlgemerkt heißt das ja auch nicht, dass die Bundesländer nicht auch weiterhin das Recht haben vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Was uns aber fehlt in diesem Kompromiss ist eine klare Orientierung auf einen deutlich stärkeren Ausgleich, der sich auch und vor allem an den örtlichen Bedarfen orientiert. Beim Kommunalen Finanzausgleich ist die Landesregierung ja genau den Weg gegangen und orientiert sich nun stärker an den Bedarfen – wenngleich sie natürlich auch die Bedarfe vor Ort künstlich klein rechnen, damit ja nicht der Eindruck entstünde, Hessen spare auf Kosten seiner Kommunen.

Der Länderfinanzausgleich bleibt aber weiterhin vollständig strukturblind – es ist eben nur sehr schwer durch landespolitische Entscheidungen zu beeinflussen, wo Unternehmen sich ansiedeln und gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen: die Werftenkrise in Norddeutschland und der Strukturwandel im Ruhrgebiet haben das sicher auf schmerzhafte Weise gezeigt.

Hier sind die Länder nur sehr langsam in der Lage durch Investitionen in Bildung und den Strukturwandel Problemlagen zu bewältigen und die Entstehung neuer funktionierender Wirtschaftskreisläufe zu fördern. Ein solidarischer Finanzausgleich sollte daher auch berücksichtigen, dass die Länder sehr unterschiedliche Ausgabenstrukturen haben – etwa weil die sozialen Lagen sehr unterschiedlich sind und entsprechend unterschiedlich hohe Bedarfe bestehen, um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen.

Gleichzeitig hätten wir auch gern gesehen, dass der Bund stärker in die Verantwortung genommen wird. Bei den Aufgaben bei denen Kommunen und Länder faktisch keinen Gestaltungsspielraum haben, sondern lediglich als Erfüllungsgehilfen bundesrechtlicher Sozialgesetzgebung sind, sollte auch der Bund die Kosten tragen.

Konkret sollte der Bund in Zukunft direkt die Ausgaben für Asyl und BAföG sowie die gesamten Kosten der Unterkunft übernehmen.

Zu den notwendigen Neureglungen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gehört – nach unserer Vorstellung - darüber hinaus eine Bundessteuerverwaltung, die eine einheitliche Qualität des Steuersystems gewährleistet, sowie Altschuldenfonds für föderale und kommunale Schulden.

Um der Praxis des zu laxen Steuervollzugs ein Ende zu  bereiten, mit dem einige Bundesländer sich illegal Vorteile verschafft haben, ist die Steuerverwaltung, die bisher in der Hand der Bundesländer liegt, auf den Bund zu übertragen.

Wenn jetzt die Forderung nach der Stärkung des Stabilitätsrates gefordert wird, ist dies im Zuge der „Schuldenbremsen“-Ideologie ein weiterer Versuch, den Landesparlamenten die finanzpolitische Souveränität zu entziehen. Misstrauen gegenüber den Ländern in Sachen Schuldenfinanzierung und Ausgabengestaltung schwächt aber das demokratische System.

Es geht doch am Ende nur um die Durchsetzung der Schuldenbremse und damit der Nullverschuldung in den Bundesländern. Mit der Schuldenbremse wird vor einer demokratisch entschiedenen Finanzpolitik kapituliert. Dies aber ist angesichts der anstehenden Probleme der Versuch, Humanität und sozial gerechtes Gestalten im Lande unter den Finanzierungsvorbehalt zu stellen.

Immerhin, und insofern ist dieser Kompromiss ein guter, sind diejenigen gescheitert, die wie die Neoliberalen von der FDP einen Umbau des Finanzausgleichs nach den Prinzipien des Wettbewerbsföderalismus wollten. Wir brauchen keine Konkurrenz zwischen Bundesländern, wir brauchen die Kooperation im Bundesstaat.

Wir wollen keinen Steuerwettbewerb zwischen Hessen und Thüringen, so wie wir ihn nicht wollen zwischen Eschborn und Frankfurt oder zwischen Deutschland und Luxemburg.

Wir wollen einen solidarischen Finanzausgleich, auch wenn der Kompromiss diesen nun nicht schafft – er ist eine Grundlage auf der man weiter arbeiten kann, um die gleichwertigen Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen, die das Grundgesetz fordert.

Dafür ist sicher noch viel zu tun, aber wenigstens bleibt dieses Ziel noch im Blick und wird nicht ersetzt durch die gnadenlose Konkurrenz zwischen Bundesländern, wie sie einige – auch hier in Hessen  gefordert haben.

Auch der Versuch der Landesregierung, den Kampf gegen einen gerechteren Länderfinanzausgleich mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichtes zu führen, ist kläglich gescheitert. Alle als verfassungswidrig charakterisierten Bestimmungen des LFA (Städteveredelung, Einbeziehung der kommunalen Steuern und besonders die „fehlende Leistungsanreize“) sind mit der jetzigen Vereinbarung der Ministerpräsidenten obsolet.

Im Zusammenhang mit der Einbeziehung der kommunalen Steuern sogar konterkariert worden. Schade um das Geld, das bereits im Klageverfahren durch eine bornierte Landesregierung rausgeschmissen wurde.

Aber es wird nicht langen, zu warten, bis der Bund das Ergebnis der Minsterpräsidentenberatung mit einer weiteren Milliardenspritze absegnet.

Vielmehr brauchen wir in diesem Land eine andere Steuerpolitik, die die Schere von Armen und Reichen nicht weiter auseinanderdriften lässt.

Dazu brauchen wir eine andere Einkommensteuer, eine Vermögen-  und Erbschaftssteuer, die die Reichen zur Kasse bittet.