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Rede

Saadet Sömnez zum Haushalt 2021 - Bereich Integration

Saadet Sönmez
Saadet SönmezHaushalt und FinanzenMigration und Integration

In der 61. Plenarsitzung am 9. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Haushalt des Landes Hessen für das Jahr 2021. Für den Bereich der Integration sprach unsere migrationspolitische Sprecherin Saadet Sönmez.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Da wir nur so wenig Redezeit haben, werde ich jetzt auf das Loben verzichten. Es gibt von meiner Seite aus auch nicht so viel zu loben.

Ich muss sagen, bei den Ausgaben für die Integration der Flüchtlinge setzt sich eigentlich das fort, was meine Kollegin Frau Böhm schon vorgetragen hat. Zwischen dem Gewährten und dem Benötigten existiert immer noch eine sehr große Lücke.

Wir haben in diesem Jahr intensiv über die politische Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert. Eine Rolle spielten dabei die Ausländerbeiräte, deren Vertreter in der Anhörung eindrücklich schilderten, mit welchen geringen Mitteln sie versuchen, ihre Arbeit zu machen. Bei einigen Ausländerbeiräten reicht das Geld noch nicht einmal für Kopierpapier, ganz zu schweigen von einem Kopiergerät oder dergleichen.

Auch die agah sieht sich derzeit vor sehr große Herausforderungen gestellt. Sie muss schließlich Informations- und Wahlveranstaltungen für die kommenden Ausländerbeiratswahlen initiieren, und das unter Corona-Einschränkungen. Trotz umfänglicher Aufgaben stagniert die finanzielle Unterstützung der agah seit Jahren auf niedrigstem Niveau. Ein kaputtgespartes Gremium kann aber nicht angemessen arbeiten.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir zahlen bundesweit das meiste! – Weitere Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe – Glockenzeichen)

– Bitte? – Ich kann es Ihnen gerne noch einmal sagen: Ein kaputtgespartes Gremium kann nicht vernünftig arbeiten. Meine Damen und Herren, dessen müssen Sie sich bewusst sein.

Sie planen außerdem, weniger Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen auszugeben. Das ist für uns absolut nicht nachvollziehbar. Zum einen waren weltweit noch nie so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Zum anderen wissen wir doch, wie unzumutbar und unmenschlich die Unterbringung geflüchteter Menschen in Hessen ist.

(Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, spätestens jetzt wird es doch Zeit, hier mehr Geld in die Hand zu nehmen und diese Menschen wie Menschen zu behandeln.

Das wurde heute schon zur Genüge gesagt: Wir brauchen hierfür eine Wohnraumoffensive. Am wichtigsten ist natürlich eine Kehrtwende hin zur dezentralen Unterbringung, aber kurzfristig brauchen wir auch Mittel, um in CoronaZeiten die Belegungsdichte in den Unterkünften zu verringern. Da sehen wir leider keinerlei Initiative der Landesregierung, obwohl in diesem Bereich Angebote z. B. von den Landesjugendherbergen gemacht wurden. Es geht eigentlich nur darum, dass Sie Liegenschaften anmieten müssen, um die Belegungsdichte zu verringern. Sie wehren sich aber seit Monaten vehement dagegen. Wir verstehen nicht, warum.

Zwar haben Sie recht: Dass in diesem Jahr weniger Menschen in Hessen angekommen sind, trifft zu. Die Zahlen der Unterzubringenden sind dementsprechend auch gesunken. Aber das liegt doch nicht daran, dass nicht mehr Menschen fliehen, sondern nur daran, dass an den europäischen Außengrenzen tagtäglich die Menschenrechte verletzt werden. Wenn Sie darauf bauen, dass weiter Flüchtlinge illegal davon abgehalten werden, hier ihren Asylantrag zu stellen, können Sie natürlich weniger Mittel einstellen. Dann haben Sie recht. Wenn Sie aber nicht darauf vertrauen wollen, dass die Deals mit Diktatoren halten und die Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen weitergehen, wäre es meines Erachtens sinnvoll, die Gelder nicht zurückzufahren.

(Beifall DIE LINKE)

Eines noch: Nicht nur im Hinblick auf Corona, sondern generell im Hinblick auf den gesundheitlichen Versorgungszustand von Menschen mit Migrationshintergrund ist in Hessen noch viel zu tun. Noch immer gibt es z. B. kein medizinisch geschultes Personal, also keine Fachdolmetscherinnen und Fachdolmetscher; noch immer ist die psychosoziale Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund allgemein unzureichend, insbesondere aber die der geflüchteten Menschen, und noch immer gibt es viele unversicherte Menschen, darunter auch viele mit Migrationshintergrund, die nicht wissen, wohin sie sich im Krankheitsfall wenden sollen. Sie wollen zwar den von uns ausgearbeiteten und eingereichten Gesetzentwurf nicht annehmen, machen aber auch keine eigenen Vorschläge, wie diese Menschen gesundheitlich versorgt werden können. Aber auch in diesem Bereich werden wir weiter Mittel für Clearingstellen und für unseren Gesetzentwurf beantragen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)