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Rede

Saadet Sönmez - Abschaffung der Ausländerbeiräte ist Tiefpunkt schwarzgrüner Integrationspolitik

Saadet Sönmez
Saadet SönmezKommunalesMigration und Integration

In seiner 39. Plenarsitzung am 6. Mai 2020 hat der hessische Landtag final ein Gesetzentwurf der schwarzgrünen Landesregierung verabschiedet, das es den Städten und Gemeinden erlaubt die kommunalen Ausländerbeiräte abzuschaffen und durch Integrationskommissionen zu ersetzen.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, vor allem der Regierungskoalition!

Wenn ich mir Ihre Argumentationsstrategie während der letzten Debatten sowie heute zu diesem Gesetzentwurf anschaue, fällt mir ein Zitat ein, das Albert Einstein zugeordnet wird, das da lautet:

Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

Genau das praktizieren Sie seit Wochen oder sogar Monaten.

(Torsten Warnecke (SPD): Seit Jahren! – Heiterkeit SPD)

– Oder seit Jahren, ja. So viel Praxiserfahrung habe ich hier noch nicht.

Genau diesem Wahnsinn folgen Sie von Anfang an. Trotz der Kritik von allen Seiten behaupten Sie weiterhin beharrlich, dass eine Integrationskommission zu einer stärkeren Teilhabe der ausländischen Bevölkerung führe. Beharrlich behaupten Sie weiter, dass Ihr Optionsmodell nicht zur Abschaffung der Ausländerbeiräte führen werde, in der Hoffnung, dass man Ihnen das irgendwann einmal abkauft. Aber das tut keiner; denn eine Kommission kann ein demokratisch gewähltes Gremium eben nicht ersetzen. Da können Sie reden, so lange Sie wollen; das geht einfach nicht.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das wissen Sie auch. Das wissen Sie ganz genau; denn in der Anhörung, von der Sie vorhin selbst geredet haben, wurde Ihnen dies von allen Betroffenen – von Wohlfahrtsverbänden, Migrantenselbstorganisationen, Juristinnen und Juristen – deutlich vermittelt. Das haben Sie aber überhört. Gegen den Willen der Betroffenen selbst möchten Sie jetzt ein Gesetz verabschieden und glauben, ihnen hiermit auch noch einen Gefallen zu tun. Das trifft aber leider nicht zu. Politische Teilhabe bedeutet nämlich, dass die ausländischen Einwohnerinnen und Einwohner auf die politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse so direkt wie möglich Einfluss nehmen können, und zwar auf allen Ebenen, die die Kommune betreffen.

Statt Menschen mit Migrationshintergrund in allen Belangen mitreden zu lassen, wollen Sie ein Rede- und Antragsrecht für wichtige Dinge, die die Migranten betreffen. Jetzt stellt sich die Frage – das verschweigen Sie hier nämlich immer –: Was soll das denn sein? Wer bestimmt denn, was die Migranten betrifft und was nicht? Ist es denn etwa so, dass die Frage, ob Kita-Plätze ausgebaut werden sollen oder nicht, ausländische Eltern weniger betrifft als deutsche Eltern, nach dem Motto: „Ich sage dir, was für dich wichtig ist; und einige, die ich zu deinen Sprechern ernenne, sagen mir, was sie dazu denken; und dabei belassen wir es einfach“? Aber, ich denke, die migrantische Bevölkerung weiß selbst sehr gut und genau, was sie betrifft und was nicht. Eigentlich ist es so: Die migrantische Bevölkerung betreffen alle Entscheidungen, die in Kommunen getroffen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Möchten wir eine zunehmende Entfremdung von unserer Gesellschaft vermeiden, muss die politische Teilhabe der Migrantinnen und Migranten gestärkt werden. Das haben wir hier schon sehr oft gesagt. Die Lücke zwischen den in einer Kommune lebenden und den an Entscheidungsprozessen beteiligten Menschen klafft immer weiter auseinander. Das haben wir hier auch schon des Öfteren gesagt. Lange wird dies unsere Gesellschaft aber nicht aushalten, und noch länger darf sie das auch nicht aushalten wollen. Während es eigentlich höchste Zeit wäre, endlich das Wahlrecht für Drittstaatenbürger zumindest auf kommunaler Ebene auf den Weg zu bringen, wird heute ein Gesetz verabschiedet, das die Mitwirkungsmöglichkeiten dieser Menschen noch weiter einschränkt, als es bisher ohnehin schon der Fall war.

Das ist ein klares Signal, das Sie an diese Menschen senden. Sie sagen ihnen nämlich, dass sie keine gleichberechtigten Mitbürgerinnen und Mitbürger dieser Gesellschaft sind, dass Sie sie weiterhin bevormunden wollen und dass Sie es nicht zulassen wollen, dass sie sich politisch und gesellschaftlich in diese Gesellschaft einbringen, in der sie mittlerweile seit drei oder vier Generationen leben.

Ich sage es Ihnen noch einmal: Die migrantische Community wird sich damit nicht abspeisen lassen. Ob Sie es nun wollen oder nicht, sie ist Teil dieser Gesellschaft, und sie wird nicht locker lassen, bis sie als solcher anerkannt wird. Dazu gehört das politische Mitbestimmungsrecht, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch die Grüße von Herrn van Slobbe von der agah ausrichten. Ich zitiere:

Von der CDU hätte ich ja nichts anderes erwartet. Ein herzliches Dankeschön an die GRÜNEN für ein riesengroßes Nichts.

Ich glaube, dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)