Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Saadet Sönmez: Aufnahme & Versorgung von Geflüchteten als Daueraufgabe erkennen und finanzieren

Saadet SönmezMigration und Integration

In seiner 129. Plenarsitzung am 16. Februar 2023 diskutierte der Hessische Landtag zur Aktuellen Stunde der SPD „Nicht nur behaupten, sondern machen: Land muss das Bundesgeld endlich 1:1 für die Unterbringung von Geflüchteten an Kreise, Kommunen und kreisfreie Städte weiterleiten“. Dazu die Rede von Saadet Sönmez, migrations- und integrationspolitische Sprecherin.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Richter,

Sie sollten sich dafür schämen, dass Sie für alles,

(Zurufe AfD: Oh, oh, oh!) aber auch für alles die Menschen in Not verantwortlich machen.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt sind die neuerdings auch daran schuld, dass es die Inflation in diesem Lande gibt. Sie sind an allem Möglichen schuld, an Naturkatastrophen, wenn es regnet, wenn es nicht regnet, wenn es schneit; an allem sind die Menschen in Not, die Flüchtlinge schuld. – Dafür sollten Sie sich echt schämen; das reicht auch irgendwann einmal.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Haben Sie eigentlich einmal zugehört?)

Ich muss jetzt leider feststellen: Die Debatte ist jetzt genau an dem Punkt angekommen, den wir befürchtet haben, nämlich, wo es nur noch darum geht, zu begrenzen, abzuschotten und abzuschieben. Meine Damen und Herren, nur darum geht es jetzt in der Debatte. Das ist wirklich erschreckend, und das ist unverantwortlich. Denn, wenn man Flucht und Migration begrenzen bzw. beenden will, dann muss man auch die Ursachen bedenken, dann muss man sich dafür einsetzen, dass die Ursachen bekämpft werden –

(Beifall DIE LINKE) und das sind Krieg und die Tatsache, dass den Menschen die Existenzgrundlage geraubt wird.

Meine Damen und Herren, statt jetzt aber die ganze Zeit gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen, täten Sie alle gut daran, auf den jeweiligen Regierungsebenen Lösungen für die aktuelle Situation zu finden. Denn das Geschacher um die Lastenverteilung bei der Finanzierung von flüchtlingsbedingten Kosten ist nichts Neues. Bereits 2015 rangen die Regierungsebenen um die Verteilung der flüchtlingsbedingten Kosten. Damals hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass der Bund z. B. die Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge übernimmt und sich am Ausbau der Kinderbetreuung beteiligt. Ende 2021 lief diese Regelung allerdings aus, und eine Reihe neuer Bund-Länder-Runden musste abgehalten werden, um die Kostenfrage wieder einmal vorübergehend zu klären – aber eben nur vorübergehend. Diese Projektmentalität, mit der sowohl der Bund als auch das Land an diese Frage herangehen, muss ein Ende finden.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen eine verlässliche dauerhafte Finanzierung in diesem Bereich, damit die Kommunen endlich Planungssicherheit haben und ihre wichtigen Aufgaben vor Ort übernehmen können.

Über die Finanzierungsfrage hinaus ist dringend ein grundsätzliches Umdenken in der deutschen und hessischen Migrationspolitik erforderlich. Die Beschlüsse des europäischen Migrationsgipfels, noch mehr Zäune mithilfe von EU-Geldern zu errichten, führen, wie bereits gesagt, nicht zu weniger Flucht, aber zu mehr Toten an den EU-Außengrenzen. Meine Damen und Herren, das dürfen wir nicht vergessen.

Wir LINKE fordern deshalb ein grundsätzliches Umdenken in der Migrationspolitik, ein Ende der Kasernierung von Schutzsuchenden in Massenlagern, ein Ende der Arbeitsverbote, des jahrelangen Ausharrens ohne Integrationsmöglichkeiten und ohne Perspektiven. Integration ab der ersten Stunde, ausreichende Sprachkurse, ausreichende Beratung, Zugang zum Arbeitsmarkt, Freizügigkeit statt Residenzpflicht würden längerfristig nicht nur dazu führen, die öffentlichen Kassen zu entlasten, sondern auch dazu, dass Geflüchtete endlich einmal wie Menschen behandelt würden.

(Beifall DIE LINKE)

Viele dieser Änderungen sind jetzt schon ganz unkompliziert auf Landesebene umsetzbar, z. B. die Aufhebung der Wohnverpflichtung in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf Landesebene. So könnten Schutzsuchende bei ihren Familien und Freunden ankommen. Das würde nicht nur die Menschen entlasten, sondern auch die überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen und somit die öffentlichen Kassen. – Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)