Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Saadet Sönmez - Diskriminierungen wirksamer begegnen

Saadet SönmezFrauenMigration und IntegrationSoziales

In seiner 91. Plenarsitzung am 09. Dezember 2021 diskutierte der Hessische Landtag eine Aktuelle Stunde der SPD mit dem Titel ‚Hessen braucht ein Antidiskriminierungsgesetz – Landesregierung muss endlich handeln‘ . Dazu die Rede unserer migrations- und integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD fordert die Landesregierung auf, ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg zu bringen. Das finden wir gut. Das finden wir richtig, und wir unterstützen das sehr gerne. (Beifall DIE LINKE und SPD) Meine Damen und Herren, im Koalitionsvertrag der Landesregierung steht, dass Sie die Notwendigkeit eines Landes-Antidiskriminierungsgesetzes prüfen wollen. – Wir können Ihnen sagen: Sie brauchen es nicht mehr zu prüfen. Die Zeit können Sie sich sparen. Es ist dringend notwendig. (Beifall DIE LINKE und SPD) Lassen Sie mich hier ein paar Punkte benennen, weshalb Hessen ein solches Gesetz wirklich braucht. Frau Hofmann hat schon gesagt: Viel zu viele Hessinnen und Hessen sind tagtäglich von Diskriminierung betroffen, sei es aufgrund ihrer Hautfarbe – das wurde schon gesagt –, ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihres Geschlechts, einer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder aber, weil man ihnen einfach ein vermeintliches Anderssein entlang dieser Merkmale auch nur zuschreibt. Auch deshalb werden Menschen diskriminiert. (Unruhe AfD – Günter Rudolph (SPD): Was brummelt ihr von der AfD?) Die bereits bestehenden Antidiskriminierungsgesetze – das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder Art. 3 des Grundgesetzes – bieten leider keinen ausreichenden Schutz vor Diskriminierung. Das wurde auch schon von meiner Kollegin Hofmann gesagt, und das kann ich nur bestärken. Schließlich umfassen sie nicht Diskriminierungshandlungen von öffentlich-rechtlichen Akteuren wie z. B. Behörden, Schulen oder anderen Vertreterinnen und Vertretern des Staates. Meine Damen und Herren, aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik kann diese Lücke nur auf Landesebene geschlossen werden. (Beifall DIE LINKE und SPD) Dass ein effektiver Schutzmechanismus gegen Diskriminierungen dringend notwendig ist, das zeigen Statistiken. Das wurde auch schon aufgeführt, und ich möchte ergänzen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat in ihrem letzten Bericht, der den Zeitraum 2017 bis 2020 umfasst, über 16.000 Beratungsanfragen verzeichnet. Darunter sind nur Diskriminierungserfahrungen, die unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz fallen. Es kommen noch weitere 4.000 hinzu, wenn Diskriminierung weiter gefasst wird, z. B. Diskriminierung aufgrund des sozialen Status, des Aufenthaltsstatus oder des Familienstands. Wenn man das berücksichtigen würde, würden noch einmal 4.000 Anfragen hinzukommen. Auch der Beauftragte des Bundes für Belange von Menschen mit Behinderungen berichtet über eine steigende Tendenz. Im letzten Jahr waren es 1.700 Anfragen.1 Der Afrozensus, eine kürzlich vorgestellte Studie, die auf Umfragen von Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Menschen in Deutschland basiert, hat ergeben, dass 56 % der Befragten bereits grundlos von der Polizei kontrolliert wurden. 67 % gaben an, dass sie aufgrund rassistischer Zuschreibung in der Schule oder in der Universität bei gleicher Leistung schlechtere Bewertungen als andere bekommen haben. Diese Liste ließe sich leider weiterführen, aber ich mache hier einmal Schluss. Das sind einige wenige Beispiele, die klar und deutlich zeigen, dass es sich bei Diskriminierungsfällen nicht nur um unbedeutende Einzelfälle handelt, sondern dass das im System verankert ist. Da muss Abhilfe geschaffen werden. (Beifall DIE LINKE) Neben Bildungsmaßnahmen, einer vielfältigeren Besetzung von Verwaltungen und all den Maßnahmen, die hier schon zur Genüge aufgeführt und vorgetragen wurden, brauchen Betroffene effektive Werkzeuge an die Hand, um sich wehren zu können. (Beifall DIE LINKE und SPD) Dafür braucht es einen verlässlichen rechtlichen Rahmen, der sicherstellt, dass Diskriminierung geahndet wird, Betroffenen eine Entschädigung zugesprochen wird, wenn sie ungleich behandelt wurden, aber auch Staatsbediensteten Handlungssicherheit in ihrer Arbeit gegeben wird. Auch das ist durchaus nötig und möglich. (Beifall DIE LINKE und SPD) Herr Klose, der Beratungsausbau, den Sie groß mit einer Presseerklärung angekündigt haben, dass Sie jetzt auf Freiwilligkeit basierende, projektbasierte Beratungsstellen – – Vizepräsidentin Karin Müller: Frau Abg. Sönmez, das können Sie jetzt nicht mehr allzu lange ausführen. Saadet Sönmez (DIE LINKE): Das wäre mein letzter Satz gewesen, Frau Präsidentin. – Herr Klose, was Sie gestern angekündigt haben, dass Sie jetzt den Beratungsausbau fördern wollen, aber nur auf Freiwilligkeit und auf Projekten basierend, das wird bei Weitem nicht ausreichen. Das wollte ich Ihnen hier nur noch einmal sagen. (Beifall DIE LINKE) Machen Sie ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz. (Beifall DIE LINKE und SPD)