Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024
Rede
Saadet Sönmez - FDP-Forderung, Georgien und Moldau als ‚sichere Herkunftsländer‘, reiner Populismus
In seiner 135. Plenarsitzung am 25. Mai 2023 diskutierte der Hessische Landtag über die FDP-Forderung nach Einstufung von Georgien und Moldau als ‚sichere Herkunftsländer‘.
Dazu die Rede unserer migrations- und integrationspolitische Sprecherin Saadet Sönmez.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Die sehr fachkundige FDP hat hier wieder einmal – – Jetzt wollen Sie auch noch eine namentliche Abstimmung. Ich will Ihnen einmal die Zahlen vorstellen, um die es hier eigentlich geht.
Herr Pürsün, im Jahr 2022 haben Asylanträge aus Georgien lediglich 3,8 % aller Asylanträge ausgemacht.
(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Eine ganz schöne Menge!)
Bundesweit kam die Zahl der Anträge aus Georgien und aus Moldau auf 7.000; in Hessen waren es gerade einmal 300 Anträge.
(Elisabeth Kula (DIE LINKE): So ist es!)
Ja, denken Sie denn wirklich, dass es an diesen 300 Menschen liegt, die die Kommunen jetzt irgendwie überfordern?
(Beifall DIE LINKE – Zurufe Freie Demokraten)
Sie werfen hier doch jetzt nur Nebelkerzen, weil es Ihr Bundesfinanzminister verhindert hat, dass die Kommunen für die Versorgung von geflüchteten Menschen einen vernünftigen Ausgleich bekommen.
(Beifall DIE LINKE)
Darum geht es Ihnen jetzt und um nichts anderes, meine Damen und Herren der FDP.
Der Antrag der FDP ist jetzt natürlich auch wieder ein trauriger Beweis für die rechtspopulistische Front, die sich rund um das Thema Asyl leider gebildet hat.
(Beifall DIE LINKE – Zurufe Freie Demokraten: Was? – Geht es noch? – Das ist eine Unverschämtheit! – Zuruf Robert Lambrou (AfD) – Glockenzeichen)
Diese Front hat sich schon längst vom Menschenrecht auf Asyl – –
(René Rock (Freie Demokraten): Klären Sie erst einmal euer Verhältnis zu Russland! Wie sieht es denn mit Putin aus, der diesen Krieg angefangen hat?)
- Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Menschenrechten, HerrRock?
(Beifall DIE LINKE – Unruhe – Glockenzeichen)
Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Menschenrechten und zum Recht auf Asyl?
Vizepräsident Frank Lortz:
Meine Damen und Herren, einen Moment. Ich muss Ihnen sagen, dass wir hier oben wegen der Schreierei, die hier im Raum stattfindet, nichts verstanden haben. Ich bitte darum – –
(Zurufe)
- Ja, wenn wir irgendetwas rügen sollen, müssen wir dieChance haben, irgendwann auch einmal zu hören, was wir rügen sollen. Deshalb bitte ich um etwas mehr Ruhe im Saal. Wir haben immer noch das Protokoll, aus dem wir alles nachvollziehen können. Aber wir haben es hier oben – jetzt sitzen zwei junge Leute neben mir; bei mir wäre es vielleicht anderweitig begründet – nicht verstanden. Deshalb bitte ich um etwas mehr Ruhe. – Frau Kollegin Sönmez, machen Sie weiter.
Saadet Sönmez (DIE LINKE):
Danke sehr, Herr Präsident. – Es hat sich leider eine Front gebildet, die sich schon längst vom Menschenrecht auf Asyl verabschiedet hat, meine Damen und Herren. Es sollen nicht mehr Menschen, sondern Grenzen geschützt werden; und das ist mehr als besorgniserregend. Trotz wohlklingender Appelle aus allen Richtungen, keinen Wahlkampf auf dem Rücken von Schutzsuchenden zu betreiben, treibt dieser seit Monaten immer neue groteske Blüten. CDU, SPD und FDP liefern sich auf EU- und Bundesebene sowie hier in Hessen einen unsäglichen Überbietungswettbewerb in immer schrilleren Tönen; und die GRÜNEN stimmen ebenfalls mit ein. Da fällt der AfD schon fast nichts mehr ein, womit sie das noch toppen könnte.
(Beifall DIE LINKE – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da ist das Maßband aber ein bisschen durcheinandergeraten!)
Rufe nach Abschottung aus den sogenannten Parteien der Mitte werden immer lauter, ohne dabei Menschenrechte und das Recht auf Asyl zu beachten. Da hilft Ihr Antrag, den Sie hier einmal schnell auf den Weg gebracht haben, liebe Fraktionen der Landesregierung, auch nicht weiter. Dort steht als erster Satz:
Der Landtag betont, dass das Grundrecht auf Asyl ein hohes Gut ist.
Ja, das fällt Ihnen aber echt früh ein. Das muss man an dieser Stelle einmal sagen.
(Beifall DIE LINKE)
Es wird weiterhin am Flüchtlingsdeal mit Erdoğan festgehalten, obwohl es offensichtlich ist, unter welchen desolaten Bedingungen sich die Menschen dort befinden. Jens Spahn stellt in Talkshows die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention infrage und rüttelt damit nicht nur an zivilisatorischen Errungenschaften, die z. B. Folter verbieten, sondern will gar diejenigen völkerrechtlichen Vereinbarungen aufkündigen, die aufgrund der Gräuel des Nationalsozialismus entstanden sind. Dazu kann man nur sagen: Das sind schwindelerregende Bemerkungen, meine Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE)
Statt hier mit Nebelkerzen zu werfen und ganz in Horst Seehofers Manier nach mehr Möglichkeiten für Abschiebungen zu suchen, sollte angesichts des Fachkräftemangels, der hier ständig beklagt wird, der Fokus auf die Qualifizierung und Anerkennung der Berufsabschlüsse von Geflüchteten gerichtet werden. So könnte man dem Fachkräftemangel entgegenwirken und diesen Menschen vor allem eine vernünftige Perspektive in diesem Land geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall DIE LINKE)