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Rede

Saadet Sönmez - Hessen braucht ein Antidiskriminierungsgesetz!

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In seiner 123. Plenarsitzung am 08. Dezember 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Dritten Lesung unseres Gesetzentwurfs für ein Hessisches Antidiskriminierungsgesetz (HADG). Dazu die Rede unserer migrations- und integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

 Nur eine ganz kurze Anmerkung. Sie haben nichts verstanden, Herr Richter, was in diesem Gesetzentwurf steht.

(Beifall DIE LINKE – Jan Schalauske (DIE LINKE): Aber das war auch zu erwarten! Das hat uns auch nicht gewundert!)

Sie haben nichts von dem verstanden, was dort drinsteht. Etwas anderes kann ich dazu auch nicht sagen.

Meine Damen und Herren, ich bin jetzt bei der Rede von Herrn Martin ein bisschen hängen geblieben. Erst hieß es, Sie prüfen – wie es auch in Ihrem Koalitionsvertrag steht –, dann haben Sie aber gesagt, Sie arbeiten jetzt an einem eigenen Gesetz. Prüfen Sie jetzt, oder arbeiten Sie schon an einem eigenen Gesetz? Das würde mich interessieren, weil wir bisher von Herrn Minister Klose immer wieder dargelegt bekommen haben, dass der Koalitionsvertrag lediglich die Prüfung eines Landes-Antidiskriminierungsgesetzes abdeckt, und weiter ginge es bisher nicht. Deswegen wäre es schon interessant, zu wissen, ob Sie tatsächlich an einem eigenen Gesetzentwurf arbeiten. Das fände ich schön und positiv.

Wenn es jedoch bei der Prüfung bleiben sollte und keine weiteren Schritte eingeleitet worden sind, muss ich Ihnen auch sagen, dass eine Prüfung weder den Kindern, die aufgrund ihres sozialen und ökonomischen Status in der Schule ungerecht behandelt werden, noch den Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe zum wiederholten Male von der Polizei kontrolliert werden, weiterhelfen wird. Meine Damen und Herren, diese Menschen brauchen sofort Abhilfe.

(Beifall DIE LINKE)

Auch den Beschäftigten der Verwaltungen wäre eigentlich mit einem Landes-Antidiskriminierungsgesetz geholfen; so hätten sie nämlich einen Rechtsrahmen, an dem sie sich auch orientieren könnten, und hätten auch eine gewisse Handlungssicherheit.

Meine Damen und Herren, die Sorge um die Beschäftigten der Verwaltungen können folgende Maßnahmen vielleicht etwas abmildern. In Berlin wurde im Rahmen der Dienstvereinbarung, die es seitens des Landes Berlin und des Hauptpersonalrates gibt, eine Hotline für Bedienstete geschaltet. Bei dieser können sie sich rechtlich beraten lassen, wenn sie sich mit Diskriminierungsvorwürfen konfrontiert sehen. Das wäre auch eine Maßnahme, die wir hier durchaus ergreifen könnten.

Fakt ist, dass die vorhandenen Strukturen – auch wenn das jetzt hier so dargestellt wird – gerade im Bereich der Beratung mehr als ungenügend sind, meine Damen und Herren. Mit 250 € im Jahr kommt man eben auch nicht weit. Eine Handvoll Beraterinnen und Berater an drei Standorten kann eben nur punktuell Abhilfe schaffen. Die Antidiskriminierungsnetzwerke dienen vor allem der Vernetzung und können den Betroffenen oft aufgrund der Komplexität des Antidiskriminierungsrechts nicht beratend zur Seite stehen. Das ist aber auch bekannt. Selbst da, wo Betroffene eine Beratung bekommen, fehlt es schlichtweg an Rechtsgrundlagen, eben auch bei den Beraterinnen und Beratern.

Auf unsere Kleine Anfrage aus dem letzten Jahr hat die Stabsstelle Antidiskriminierung im Sozialministerium auch eingeräumt, dass ihnen als Rechtsgrundlage lediglich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dient und sie lediglich das heranziehen. Dies greift aber bekanntlich nicht im Bereich des öffentlich-rechtlichen Handelns,

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Genau!)

sodass mindestens die 280 Beratungsanfragen, die bis zum letzten Jahr mit Bezug auf Ämter, Polizei, Bildung oder den öffentlichen Nahverkehr bei der Stabsstelle eingegangen sind, ins Leere gelaufen sind, meine Damen und Herren, weil es schlichtweg keine Beratungsmöglichkeiten bzw. keine Rechtsgrundlage gab.

Abschließend: Herr Klose und auch Herr Martin, Sie haben jetzt wieder Ihr Integrationsgesetz so als Erfolg vor sich hergetragen. Erstens ist Ihr Integrationsgesetz eigentlich nichts anderes, als das, was Sie bisher mit Ehrenamtlern und Freiwilligkeit usw. auf den Weg gebracht haben, eben noch einmal in ein Gesetz zu gießen.

Wir wissen, dass das, was bisher auf den Weg gebracht wurde, nicht ausreichend war. Da hilft es auch nichts, das jetzt ins Gesetz zu gießen. Das dürfte – auch wenn Sie sagen, es ist ein Diskriminierungsverbot in diesem Integrationsgesetz festgeschrieben – trotzdem kein Ersatz sein für ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz. Aber ich glaube, das wissen Sie eigentlich auch selbst. Also nutzen Sie noch einmal diese letzte Gelegenheit, und stimmen Sie unserem Gesetz zu.

(Vereinzelter Beifall DIE LINKE) Noch eine Bemerkung an Herrn Pürsün.

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Sie denken bitte an die Zeit.

Saadet Sönmez (DIE LINKE):

Ein Satz noch. – Herr Pürsün, eine Rechtsgrundlage wäre eben auch ein Mittel zur Stärkung der Betroffenen. Das wollte ich Ihnen auch noch einmal auf den Weg geben, wenn Sie von Stärkung der Betroffenen reden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)