Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Saadet Sönmez - Integrationsmaßnahmen dürfen nicht auf Ehrenamtliche abgewälzt werden

Fraktion im Hessischen LandtagAbgeordneteSaadet SönmezThemenInnenpolitikMigration und IntegrationSoziales

In seiner 122. Plenarsitzung am 07. Dezember 2022 diskutierte der Hessische Landtag zu den Haushaltsjahren 2023 und 2024. Dazu die Rede unserer migrations- und integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Frau Präsidentin!

Herr Richter, der Umstand, dass Rentnerinnen und Rentner Flaschen sammeln müssen, hat nichts, aber auch gar nichts mit Flüchtlingen oder deren Asylverfahren zu tun, sondern das hat etwas damit zu tun, dass jahrelang eine verfehlte Rentenpolitik in diesem Lande betrieben wurde.

(Beifall DIE LINKE)

Da Sie aber auch in dem Bereich entweder überhaupt nichts zu sagen haben oder aber auf Privatisierung setzen, versuchen Sie jetzt, das den Menschen in einer Weise zu erklären, dass Sie schwache Menschen gegen noch schwächere ausspielen. Das ist schäbig, Herr Richter. (Beifall DIE LINKE – Zurufe AfD)

Meine Damen und Herren! Auch in diesem Jahr sehen wir, dass, wie im letzten Jahr, wichtige Integrationsmaßnahmen in großem Stil auf Ehrenamtliche abgewälzt werden. Das hat sich auch in diesem Jahr nicht geändert. Das ist die seit Jahren bekannte, perfide Strategie der Landesregierung. So wurde zwar eine neue Förderlinie für die Koordinierung der Arbeit von Ehrenamtlichen in den Kommunen geschaffen, aber beispielsweise wurde das Budget für die hauptamtliche Rechtsberatung in Erstaufnahmeeinrichtungen um keinen Cent erhöht, obwohl die Zahl der Asylsuchenden in diesem Jahr wieder stark gestiegen ist. Da muss man sich doch fragen: Wie sollen die vier Kolleginnen, die in diesem Bereich tätig sind, dieser Aufgabe noch Herr werden? In wie viele Teile sollen sich die Kolleginnen teilen, um eine Erstberatung durchzuführen? Es ist uns unverständlich, warum hier vonseiten der Landesregierung nicht endlich gehandelt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Das war aber bislang gängige Praxis, und ich denke, Sie wollen diese Praxis beibehalten. Sie wollen die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände hierfür weiterhin zur Kasse bitten und sie für diese Aufgabe einspannen. Man kann natürlich auch sagen: Menschen, die ihre Rechte nicht kennen, lassen sich viel leichter abschieben. – So würde sich der Kreis zu Ihrer Politik im Umgang mit den Menschen schließen, die hierher geflüchtet sind.

Ein weiteres Beispiel für die Ausbeutung von Ehrenamtlichen in diesem Bereich sind die Laiendolmetschenden, die pro Einsatz eine Aufwandsentschädigung von maximal 20 € bekommen, egal, wie lange dieser Einsatz dauert oder wie weit die Anfahrtswege sein mögen. Meiner Meinung nach ist das ebenfalls ein Musterbeispiel dafür, wie man alles auf das Ehrenamt abwälzen und sich billige Arbeitskräfte für diese Aufgabe besorgen kann.

Deshalb bleibt es in diesem Bereich bei einem Budget von nur 200.000 €. Sie wissen, dass eine professionelle Sprachmittlung um einiges mehr kosten würde. Wir haben zu diesem Thema einen Antrag eingereicht; da können Sie sich ein ungefähres Bild davon machen, wie viel das wirklich kosten würde. Schauen Sie sich unseren Änderungsantrag zur Sprachmittlung im medizinischen Bereich an, da haben Sie ein Beispiel dafür, wie viel Geld Sie tatsächlich in die Hand nehmen müssten.

Sprache ist der Schlüssel zur Integration, das wird hier oft genug beteuert. Auch Ihre mangelnden Bemühungen, Sprachkurse unter die Leute zu bringen – das spricht eigentlich Bände für Ihre Haltung.

Laut einer Mitteilung des Verbandsdirektors des Hessischen Volkshochschulverbandes – diese Mitteilung dürfte der Landesregierung vorliegen – fehlen in Hessen 200 Erstorientierungskurse. Es fehlen also etwa 4,2 Millionen €, um dort das Finanzloch für das kommende Jahr zu schließen. Wir haben auch diesbezüglich Änderungsanträge eingereicht, schauen Sie sich die bitte an. Unser dringender Appell: Beschäftigen Sie sich auch damit; denn, wie Sie es auch der Mitteilung des Verbandsdirektors des Hessischen Volkshochschulverbandes entnehmen können, ist es dringend nötig.

Vizepräsidentin Karin Müller:

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass bereits vier Minuten der angemeldeten Zeit um sind.

Saadet Sönmez (DIE LINKE):

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Was die Antidiskriminierung angeht, die Sie immer vor sich hertragen und mit der Sie sich schmücken, will ich Sie nur noch einmal daran erinnern: Wenn Sie wirklich vernünftige Antidiskriminierungsarbeit machen möchten, dann nehmen Sie den Entwurf für das Antidiskriminierungsgesetz, den wir eingereicht haben, ernst, und befürworten Sie ihn; denn nur dann können Sie sich auch wirklich damit schmücken und sagen: Wir betreiben vernünftige Antidiskriminierungsarbeit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall DIE LINKE)