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Rede

Saadet Sönmez - Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte muss ermöglicht werden

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In seiner 122. Plenarsitzung am 07. Dezember 2022 diskutierte der Hessische Landtag zu den Haushaltsjahren 2023 und 2024. Dazu die Rede unserer migrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

 

Danke sehr, Frau Präsidentin.

Ich war etwas übereifrig. – Das letzte Wort meines Kollegen Felstehausen ist quasi der Beginn von meinem Beitrag.

(Unruhe)

Nach sehr viel Polizei und Sicherheit will ich zur Sicherheit bzw. zum Sicherheitsgefühl von Menschen mit Migrationshintergrund in diesem Lande kommen.

Meine Damen und Herren! Blickt man auf den Bereich Ausländerwesen, wie dies im Fachjargon des Einzelplans 03 genannt wird, lassen sich die migrationspolitischen Prioritäten der Landesregierung wieder einmal deutlich anhand weniger Zahlen erkennen. Nicht die Integration und die Ermöglichung von Teilhabe stehen im Vordergrund, sondern Abschiebung und Ausweisung. Von den 19 neu geschaffenen Stellen an den Regierungspräsidien sind 13 für den Bereich freiwillige Ausreise, Rückführung und Ausweisung vorgesehen und lediglich drei Stellen für die Einbürgerungsabteilung beim Regierungspräsidium Darmstadt. Das ist wirklich ein Skandal.

(Beifall und Zurufe DIE LINKE)

Wir werden auf das Thema Einbürgerung morgen noch zu sprechen kommen. Aber erlauben Sie mir an dieser Stelle folgende Frage, meine Damen und Herren der Landesregierung: Ist das die Antwort auf jahrelangen Stillstand bei der Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen, und das bei der größten Einbürgerungsbehörde Deutschlands? Das ist wirklich ein Skandal, es ist unerträglich, wie Sie mit dieser Problematik umgehen.

(Beifall DIE LINKE)

Da fragt man sich natürlich: Sind das die geeigneten Maßnahmen zur Förderung der Einbürgerung, die in Ihrem Integrationsgesetz stehen? Ich glaube nicht, dass das zur Förderung der Einbürgerung geeignete Maßnahmen sind.

Es kann natürlich auch sein, dass sich aus der Prioritätensetzung bei der Schaffung neuer Stellen nicht der Wunsch herauslesen lässt, einzubürgern sowie Integration und Partizipation zu gewährleisten. Vielleicht geht es darum, die Abschiebehafteinrichtung besser zu füllen. Denn wir wissen, dass von den nunmehr 80 Haftplätzen, die die Einrichtung in Darmstadt zum drittgrößten Abschiebegefängnis Deutschlands macht, selten mehr als 20 Haftplätze belegt sind. Das ist wirklich sehr viel Geld dafür, dass man da gerade einmal 20 Plätze belegen kann.

Das liegt nicht daran, dass Sie das nicht wollen. Vielmehr liegt es daran, dass die Inhaftierungen in den letzten Jahren rechtswidrig waren und die Inhaftierungen deshalb nicht stattfinden konnten. Daran liegt es. (Beifall DIE LINKE)

Jetzt versuchen Sie mit der Aufstockung des Personals usw., das dem Steuerzahler gegenüber zu legitimieren und zu verbergen, dass die Abschiebehafteinrichtung eine Fehlinvestition ist.

Der Gedanke dabei ist natürlich, dass man, wenn man abschieben kann, kein Geld für Integrationsmaßnahmen in die Hand nehmen muss. Das geschieht, obwohl wir seit mehreren Monaten immer wieder hinsichtlich des Fachkräftemangels usw. schwadronieren und sagen, wir bräuchten mehr Fachkräfte. Wir brauchen mehr Fachkräfte. Da wäre es doch sinnvoller, dass man das Geld für Integrationsmaßnahmen, Sprachkurse und die berufliche Qualifikation der Menschen in die Hand nimmt, die schon hier sind, als dass man die Abschiebewut immer wieder zur Geltung kommen lässt.

(Beifall DIE LINKE)

Hinsichtlich der politischen Teilhabe und der Integration ist in dem Entwurf dieses Haushaltsplans zu erkennen, dass für Menschen mit Migrationshintergrund wieder nicht wirklich Geld für die politische Teilhabe erübrigt werden soll. Das merkt man daran, dass die Unterfinanzierung der Ausländerbeiräte fortgeführt werden soll.

Trotz der massiven Einwände aus der Community gegen diese Integrationskommission bestehen Sie darauf, dass die Integrationskommission eingeführt wird und die Ausländerbeiräte über kurz oder lang abgeschafft werden. Deshalb wird es wahrscheinlich auch die Unterfinanzierung der Ausländerbeiräte geben. Wie gesagt, wenn man von Partizipation, gesellschaftlicher Teilhabe und Integration redet, dann sollte man zumindest auf dem Weg über die Förderung der Ausländerbeiräte dafür Sorge tragen, dass eine, wenn auch geringe, politische Partizipation der Menschen mit Migrationshintergrund gewährleistet ist.

(Beifall DIE LINKE – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Unsinn!)

– Das ist kein Unsinn. Angesichts der Förderung und bei dem Zustand der Ausländerbeiräte, die teilweise noch nicht einmal ein Kopiergerät oder einen Drucker zur Verfügung haben, ist es kein Unsinn, wenn ich sage, dass die Ausländerbeiräte unterfinanziert sind und die politische Teilhabe nicht gewährleistet ist.

(Beifall DIE LINKE – Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Sagt er das auch bei Männern?)

So einfach ist das. Reden Sie einmal mit den Mitgliedern der Ausländerbeiräte.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Unsinn!)

Hören Sie sich einmal die Sorgen der Mitglieder der Ausländerbeiräte an, wie sie an einer vernünftigen politischen Arbeit gehindert werden.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Waren Sie denn am Wochenende bei den Ausländerbeiräten? Wo waren Sie denn bei dieser Veranstaltung?)

Präsidentin Astrid Wallmann:

Frau Sönmez, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

Saadet Sönmez (DIE LINKE):

Ich komme noch einmal auf den Haushaltsplan zurück. Sie haben es sich dieses Mal wieder nicht nehmen lassen, Fördermittel aus dem Einzelplan 08, die für die Integration ausgeschrieben sind, dafür zu verwenden, um Ausweisungen und Abschiebungen voranzutreiben. 1 Million € haben Sie sich dafür vorbehalten. Das können Sie dann für Abschiebungen einsetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)