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Rede

Saadet Sönmez - Verzögerungen bei den Einbürgerungsanträgen am RP Darmstadt sind hausgemacht!

Saadet SönmezMigration und Integration

In seiner 101. Plenarsitzung am 31. März 2022 diskutierte der hessische Landtag unsere Aktuelle Stunde mit dem Titel "Verzögerungen bei der Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen am RP Darmstadt sind untragbar – Landesregierung muss Personal aufstocken, um dem Demokratiedefizit zu begegnen". Dazu die Rede unserer integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Verzögert das RP Darmstadt absichtlich die Einbürgerungsanträge von Migranten?

So lautet der Titel einer Onlinepetition, die bereits von fast 500 Menschen unterzeichnet wurde. Die „Frankfurter Rundschau“ berichtete letzten Freitag hierüber. Der Titel ist natürlich provokant. Aber was ist da dran, und welche Rolle spielt vor allem die Landesregierung hierbei?

Auf der Internetseite des RP Darmstadt steht zum Thema „Einbürgerung von Nicht-EU-Staatsangehörigen“ Folgendes:

Zurzeit beträgt die Wartezeit bis Bearbeitungsbeginn ca. elf bis zwölf Monate ab Antragsübersendung durch die untere Verwaltungsbehörde.

Meine Damen und Herren, wohlgemerkt: Wartezeit bis Bearbeitungsbeginn und nicht bis zur Erledigung der Bearbeitung. Grund hierfür seien Sonderaufgaben in der CoronaPandemie, für die das RP Darmstadt Personal für eine Projektgruppe abgestellt hat. So weit, so gut. Wir haben aber eben nachgefragt, und Herr Innenminister Peter Beuth sagt ganz klar: Bei den Einbürgerungsanträgen von EU-Staatsangehörigen ist kein Personal abgezogen worden. Bei Anträgen von Nicht-EU-Bürgern waren zwischenzeitlich zehn Personen von insgesamt 17 vollen Stellen in die CoronaProjektgruppe beordert worden. – Da scheint es doch klar eine Prioritätensetzung zu geben, und zwar eine wahrlich falsche, wie sich jetzt herausgestellt hat.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das hat jetzt nämlich folgendes Ergebnis: Die Bearbeitung der Anträge ging stark zurück, und das, obwohl die Zahl der eingereichten Anträge gleichzeitig Jahr für Jahr steigt. So wurden 2021 fast 2.000 Anträge weniger bearbeitet als noch im Jahr 2019. Außerdem teilt unser Innenminister auf unsere Nachfrage mit, dass keine Stellenaufstockung für das Einbürgerungsdezernat geplant sei, dies sei nämlich nur im Rahmen der Haushaltsberatungen möglich. Nun, wir haben seit Einrichtung dieser Projektgruppe im Mai 2020 bereits zwei Haushalte verabschiedet. Da ist doch die Frage berechtigt: Warum wurde dieser offensichtliche Mangel dann nicht einfach im Rahmen der Haushaltsberatungen behoben, meine Damen und Herren?

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Für die Betroffenen führt das Desinteresse der Landesregierung zu weitreichenden Einschränkungen und Benachteiligungen in ihrer Lebensführung. Vor allem hindert es sie daran, ihre politischen Vertreterinnen und Vertreter zu wählen. Wir haben in den letzten zwei Jahren eine Bundestagswahl und eine Kommunalwahl hinter uns gebracht. Sie sagen uns tagein, tagaus, wenn wir immer wieder das Wahlrecht für lange hier lebende Ausländerinnen und Ausländer fordern, dass diese sich einbürgern lassen sollen. Ja, und wenn sie es denn tun wollen, dann erschweren Sie es ihnen eben, sich einbürgern zu lassen. Das ist der blanke Hohn gegenüber diesen Menschen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, diesen Missstand abzustellen und endlich genügend Personal einzustellen; denn nicht nur der in den Pandemiejahren entstandene Rückstau muss zügig abgearbeitet werden. Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass die Zahl der Anträge jährlich steigt und weiterhin steigen wird. Auch im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers muss die Landesregierung jetzt – spätestens jetzt – handeln und den Personalstock endlich den tatsächlichen und den absehbaren Bedarfen anpassen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den Tricksereien mit der Erledigungsstatistik. Herr Beuth teilt uns auch mit, dass die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Anträgen für die Pandemiejahre nicht erfasst werden konnte. – Das ist ein bisschen seltsam; denn für die Jahre zuvor liegen diese Zahlen vor. Das wurde wohl elektronisch erfasst. Dass dies für die Jahre 2020 und 2021 nicht ging, liege an der Änderung der Prioritätensetzung bei der Bearbeitung.

(Ulrike Alex (SPD): Der Computer wurde im Gesundheitsamt gebraucht!)

Also, ich bin sicher nicht die Einzige, bei der sich angesichts einer solchen tollpatschigen Antwort der Verdacht aufdrängt, dass Ihnen, Herr Beuth, die Zahlen wohl eher nicht schmeicheln würden, wenn Sie diese vorlegen würden. Man sollte jetzt aber vielleicht auch nichts Böses denken.

Was ist nun also diese geänderte Prioritätensetzung? Laut der zuständigen Regierungspräsidentin werden nun, um die durchschnittliche – wohlgemerkt: die durchschnittliche – Bearbeitungsdauer zu verkürzen, einfach Fälle, die etwas weniger komplex sind, vorgezogen und die komplexen auf die lange Bank geschoben – total unabhängig von der Reihenfolge, in der die Anträge beim Regierungspräsidium eingegangen sind.

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur Augenwischerei, das ist einfach dreist. Jetzt läuft es bei Menschen, bei denen es ohnehin komplexe Verfahren gibt – z. B. bei Menschen aus Somalia –, so, dass diese noch länger warten müssen, weil ihre Anträge aufgrund der Komplexität auf die lange Bank geschoben werden.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Sönmez, Sie müssen zum Schluss kommen.

Saadet Sönmez (DIE LINKE):

Mein letzter Satz, Herr Präsident. – Das alles nur, damit die Landesregierung mit geschönten Statistiken glänzen kann. Statt Ihre Zeit also damit zu verbringen, Zahlen hinzubiegen, sollten Sie endlich in die Zukunft investieren und Personal für diese wichtige Aufgabe rekrutieren.

Meine Damen und Herren, ich überlasse es Ihrem Urteil, ob der Titel der Petition zutrifft, dass Einbürgerungsanträge von Migranten absichtlich verzögert werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)