Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Saadet Sönmez zur Migrationspolitik

Saadet SönmezMigration und Integration

In seiner 111. Plenarsitzung am 14. Juli 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Migrationspolitik. Dazu die Rede unserer migrations- und integrationspolitischen Sprecherin Saadet Sönmez.

Herr Präsident, meine Damen und Herren und im Speziellen die Damen und Herren der AfD! Herr Lambrou, jetzt hat man es Ihnen, glaube ich, viermal sachlich erklärt, wie die Situation ist und wie sich die Situation darstellt. Immer noch rufen Sie rein: Das befördert illegale Migration.

(Robert Lambrou (AfD): Ich habe es Ihnen auch erklärt in meiner Rede!)

Das ist echt lächerlich, Herr Lambrou. Wie gesagt, es wurde Ihnen jetzt schon oft gesagt. Ich sage es Ihnen noch einmal:

(Robert Lambrou (AfD): Das macht es aber nicht richtiger!)

Es ist lächerlich schon aus dem Grund, weil es eben diese Stichtagsregelung gibt. Es betrifft keinen einzigen Menschen. Für keinen einzigen Menschen, der jetzt noch einreist, ist dieses Gesetz von irgendeiner Relevanz,

(Robert Lambrou (AfD): Wir wissen doch, wie es läuft!)

weil es eben diese Stichtagsregelung gibt. Kommen Sie jetzt endlich davon ab. Man hat es Ihnen jetzt oft genug erklärt, dass das einfach nicht stimmt, dass es die Unwahrheit ist, was Sie da sagen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und René Rock (Freie Demokraten) – Robert Lambrou (AfD): 2015 hieß es auch, nicht alle bleiben!)

Genau diese Stichtagsregelung ist Gegenstand unserer Kritik, weil wir sagen: Das Gesetz wird jetzt im Herbst in Kraft treten, wenn es gut läuft. In dieser Zeit, wenn das Gesetz in Kraft getreten ist, werden wieder mehr Menschen über fünf Jahre in Deutschland leben. Für diese Menschen gibt es leider keine Lösung.

(Robert Lambrou (AfD): Da findet Frau Faeser etwas!)

Die werden weiterhin in Kettenduldungen ausharren müssen. Deshalb sagen wir: Um das eben zu vermeiden, dass weitere Menschen in Kettenduldung hier leben müssen und sich vor Abschiebung fürchten müssen, braucht es ein Gesetz ohne diese Stichtagsregelung, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Auch an anderer Stelle ist es leider so, dass das Gesetz eben nicht jeden mit Chancen beschenkt, will ich einmal sagen, weil weiterhin die Voraussetzungen des gültigen Passes und des Identitätsnachweises bestehen. Wir wissen aber aus der Praxis, dass z. B. Somalierinnen und Somalier große Schwierigkeiten bei der Passbeschaffung und bei der Klärung ihrer Identität haben. Das hat in der Vergangenheit schon dazu geführt, dass sie eben ihre Identität nicht nachweisen konnten. Das hat nichts mit illegalem Aufenthalt, Verschweigen, Verheimlichen oder falschen Angaben zur Identität zu tun, sondern es klappt schlicht und ergreifend aufgrund des Herkunftslandes nicht, dass diese Menschen ihre Identität nachweisen können. Für diese Menschen stellt es natürlich ein Problem dar, dass es Voraussetzung ist, dass sie ihre Identität klären müssen.

Das hat die Koalition auf Bundesebene eigentlich auch erkannt und hat in den Koalitionsvertrag auch hineingeschrieben, dass da eine Versicherung an Eides statt vorgesehen ist, nur umgesetzt wird es jetzt in dem neuen Gesetz wohl nicht.

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Genau!) Das ist eigentlich nicht wirklich gut.

(Beifall DIE LINKE)

Es lässt einige Menschen zurück, auf die ich jetzt in der Kürze der Zeit nicht im Einzelnen eingehen kann; dennoch ist das Gesetz natürlich ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Das begrüßen wir und freuen uns natürlich auch für die Menschen, die jetzt von diesem Gesetz profitieren können.

Nur muss man jetzt – das wurde auch schon angesprochen – natürlich schauen, dass in Hessen Menschen, die einen Anspruch auf ein Chancen-Aufenthaltsrecht hätten, nicht quasi vor der Verabschiedung im Bundestag noch kurzerhand aus Hessen abgeschoben werden. Deshalb braucht es die schon benannte Vorgriffsregelung.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Wagner, Sie haben das auch in der Pressemitteilung angekündigt. Leider wissen wir jetzt aber nicht, ob es bereits einen Erlass dazu gibt. Was in diesem Erlass stehen soll, wissen wir auch nicht. Die Menschen, die davon betroffen sind, wissen es ebenfalls nicht.

(Robert Lambrou (AfD): Die schwarz-grüne Landesregierung macht Politik, die der LINKEN gefällt!)

Deshalb wäre es natürlich schön, wenn Sie hier ein wenig für Klarheit und Transparenz sorgen würden – in unserem Sinne, vom Rest des Parlaments, aber hauptsächlich im Sinne der betroffenen Menschen, um die es auch tatsächlich geht.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Schluss, Herr Lambrou, möchte ich noch einmal sagen: Eigentlich müsste dieses Gesetz in Ihrem Sinne sein.

(Robert Lambrou (AfD): Nein!)

Es sorgt dafür, dass große Konzerne jetzt wieder auf einige Niedriglöhner Zugriff haben werden, die sie dann aber auch problemlos wieder loswerden können.

(Robert Lambrou (AfD): Den Fachkräftemangel lösen Sie damit nicht!)

Weil diese Menschen innerhalb eines Jahres dafür sorgen müssen,

(Robert Lambrou (AfD): Das ist doch Salamitaktik von Frau Faeser!)

dass sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, werden sie ihre Arbeitskraft natürlich billig zu Markte tragen. Das ist doch klar. Wie soll das sonst gehen?

(Beifall Elisabeth Kula (DIE LINKE) – J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU): Ach du liebe Zeit!)

Das dürfte doch ganz in Ihrem Interesse sein, weil das eigentlich ein Vorteil für Ihre Klientel ist, für die Sie sich einsetzen, Herr Lambrou.

(Andreas Lichert (AfD): Das geht zulasten Ihrer Klientel! Der kleine Mann muss das ausbaden – Zuruf J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU) – Glockenzeichen)

Deshalb verstehe ich jetzt gar nicht, warum Sie hier so ein Aufheben machen. Zur Wahrheit gehört auch: Herr Hering hat angesprochen, dass man Pull-Faktoren vermeiden und da vorsichtig sein muss.

(Robert Lambrou (AfD): Das ist ein Riesen-PullFaktor!)

Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass Deutschland immens an diesen Pull-Faktoren beteiligt ist, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Deutschland ist beteiligt daran, die Herkunftsländer dieser Menschen ökonomisch zu vernichten und kaputt zu machen. Deshalb machen sich diese Menschen auf den gefährlichen Weg hierher.

(Zuruf J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU))

Dann würde ich Ihnen anraten: Setzen Sie sich doch einmal dagegen ein, dass sogenannte Entwicklungshilfe im Konzerninteresse und Arbeitsplatzvernichtung – –

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Sönmez, Sie müssen zum Schluss kommen.

Saadet Sönmez (DIE LINKE):

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Setzen Sie sich dafür ein, dass eben diese Situation, die Ausbeutung des globalen Südens, endlich beendet wird. Dann würden sich die Menschen auch nicht auf diesen gefährlichen Weg hierher zu uns machen.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Sie können Fluchtursachen nicht beseitigen!)

In dieser Situation mit einer angeblichen „Massenmigration“ Angst zu schüren,

(Robert Lambrou (AfD): Millionen Menschen seit 2015 sind Masseneinwanderung!)

das ist nicht nur Nonsens, das ist nicht nur die Unwahrheit sagen, sondern das ist ignorant und gefährlich zugleich, meine Damen und Herren der AfD.

(Beifall DIE LINKE)