Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Schluss mit den Verwirrspielen um TTIP, CETA und die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen

Marjana Schott
Marjana SchottLandwirtschaft und TierschutzWirtschaft und Arbeit

Rede von Marjana Schott, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag zu

Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend gentechnikfreie Land- und Forstwirtschaft in Hessen unterstützen (Drs 19/330)

- unkorrigiertes Redemanuskript - es gilt das gesprochene Wort! -

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

erst in der letzten Plenarwoche hat die hessische Landesregierung sich zu ihrer Landwirtschaftspolitik erklärt. Die drei substanziellen Punkte aus dem nun vorliegenden Antrag

  • Beitritt zum Europäischen Netzwerk, gentechnikfreie Regionen,
  • Verzicht auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf landeseigenen Flächen
  • und eine Eiweißstrategie

wurden von der Ministerin in ihrer Erklärung bereits alle vorgestellt. Jetzt legen die Fraktionen der Regierungskoalition einen Antrag vor, in dem sie die Regierung auffordern, das zu tun, was sie vorher selbst erklärt hat, was sie tun möchte. Das ist toll – meine Damen und Herren.
Und schon in den Antworten zu der Regierungserklärung wurde deutlich, dass es gegen diese Punkte kaum Einwände gibt, dass sie aber nicht ausreichen, um den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf hessischen Äckern wirklich zu verhindern und eine Agrarwende einzuleiten, wie sie von den Grünen gefordert wird.

Kein Fortschritt, keine Weiterentwicklung der Vorschläge, kein Neuigkeitswert. Was soll mit dieser erneuten Debatte bezweckt werden?
Es ist ein Ablenkungsmanöver – meine Damen und Herren.

Die wiederholte Bekundung, dass man in Hessen zumindest auf den landeseigenen Flächen keine Gentechnik möchte, soll davon ablenken, dass die Bundesregierung auf Geheiß der Kanzlerin für den Einsatz von Gentechnik ist. Die Bundesregierung trägt durch ihr Abstimmungsverhalten im Rat der Europäischen Union am 11. Februar dieses Jahres die Hauptverantwortung dafür, dass der gentechnisch veränderte Mais der Linie 1507 überhaupt zur Zulassung ansteht.

Die Enthaltung Deutschlands hat eine qualifizierte Mehrheit gegen die Zulassung verhindert, meine Damen und Herren. Nun droht eine Zulassung durch die Europäische Kommission und ein möglicher Anbau bereits im kommenden Jahr - auch in Hessen - meine Damen und Herren.
Zurzeit findet in den USA die fünfte Verhandlungsrunde zu dem Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen TTIP statt. Wenn die Verhandlungen zu TTIP nicht gestoppt werden, hilft es auch nichts, wenn Grüne und CDU ihre eigene Landesregierung bitten, sich dafür einzusetzen, Hessens Land- und Forstwirtschaft gentechnikfrei zu halten, wie es im vorliegenden Antrag geschieht.

Wenn TTIP oder das Handelsabkommen CETA mit Kanada so realisiert werden, wie die Konzerne in Europa, den USA und Kanada es sich wünschen, können sie den Anbau von genetisch veränderten Pflanzen einklagen oder Schadensersatz für entgangene Profite in Millionenhöhe kassieren, meine Damen und Herren.

Wenn Grüne und CDU sich ernsthaft für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Hessen einsetzen wollten – und das nicht nur auf den eher bescheidenen Anteil landeseigener Äcker - hätten sie dem Antrag der LINKEN zum Stopp der Verhandlungen des TTIP zustimmen müssen - meine Damen und Herren. Und wenn Ihnen dabei das Blut in den Adern gefriert, weil es ein Antrag der LINKEN ist, hätten sie einen eigenen Antrag mit gleichlautendem Ziel einbringen können – darin hat die CDU ja Übung.

Aber Grüne und CDU sind sich an diesem Punkt alles andere als einig und das ist der zweite Punkt von dem sie mit ihrem nichtssagenden Antrag ablenken möchten. Als „Kompromiss“ brachten GRÜNE und CDU einen Antrag ein, in dem sie das Handelsabkommen TTIP grundsätzlich begrüßen – meine Damen und Herren.

Da hilft es auch nichts, wenn Grüne und CDU in ihrem hessischen pro-TTIP Antrag die Europäische Kommission dazu auffordern „für größtmögliche Transparenz über den Verhandlungsprozess zu sorgen“. Das ist eine Lachnummer. Transparent für das falsche zu sein ist immer noch falsch. Und im Europawahlkampf sich mit der deutlichen Mehrheit der Menschen in Deutschland gegen das Handelsabkommen zu stellen, auf Landesebene aber – um den Koalitionsfrieden mit der CDU nicht zu gefährden – die eigene Programmatik auf den Kopf zu stellen – ist mehr als falsch. Das ist Betrug – meine Damen und Herren. Betrug gegenüber den Wähler_innen, die die GRÜNEN aufgrund ihrer ökologischen Programmatik gewählt haben und Betrug gegenüber den Wähler_innen, die sie für ihren Einsatz für mehr Mitbestimmung und Demokratie gewählt haben.

Sven Giegold, einer der Spitzenkandidaten der Grünen für die Europawahl wirbt für einen STOPP der Verhandlungen. Auf der Wahlkampfseite „Grüne.de“ ist als Topmeldung zu lesen: „SPD stimmt für Freihandelsabkommen“. Im Anschluss wird zu Recht das Doppelspiel des SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz scharf kritisiert.

Ich zitiere: „Öffentlich gibt sich Martin Schulz als kritischer Beobachter der Verhandlungen zwischen EU und USA. Dabei verschweigt er, dass die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament bereits den Weg für das Handelsabkommen (TTIP) freigemacht haben.“

Inhaltlich ist das richtig. Aus hessischer Perspektive ist das einfach alles nur verlogen - meine Damen und Herrn. Grüne wie SPD täuschen hier die Wählerinnen und Wähler nach Strich und Faden und werben gleichzeitig um Vertrauen in ihre Politik. Da ist mir die CDU lieber. Die ist einfach für das Handelsabkommen. Gentechnik auf hessischen Äckern wird sie damit aber nicht verhindern können.

Um eine Zulassung des Genmais‘1507 und anderer gentechnisch veränderter Pflanzen, die auf Europäischer Ebene zur Zulassung anstehen noch zu verhindern, brauchen wir eine grundlegende Reform des EU-Zulassungsverfahrens – meine Damen und Herren. Eine übereilte Verabschiedung einer mangelhaften Änderung der Freisetzungsrichtlinie, wie sie der griechische Ratspräsident derzeit plant, muss verhindert werden. Würde diese Freisetzungsrichtlinie verabschiedet, wäre mit der zeitnahen Anbau-Zulassung einer ganzen Reihe von gentechnisch veränderten Pflanzen in Europa zu rechnen.

Das liegt im Interesse der Europäischen Kommission und der Kanzlerin- meine Damen und Herren. Denn der derzeitige „Zulassungsstau“ auf europäischer Ebene behindert die Verhandlungen mit den USA über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP).
Um diese Zulassungswelle zu verhindern, hat die Fraktion DIE LINKE gestern - zusammen mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - auf Bundesebene einen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht. Unter anderem wird darin eine grundlegende Reform der EU-Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen gefordert, wie dies auch bereits vom Europäischen Parlament am 5. Juli 2011 und vom Bundesrat am 11. April 2014 gefordert wurde.

Bis die Überarbeitung des Zulassungsverfahrens vollständig umgesetzt ist, wollen wir – also DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - ein Zulassungs-Moratorium. Der Königsweg zu einer tatsächlich flächendeckenden und dauerhaften Gentechnikfreiheit des Pflanzenbaus in Deutschland – also nicht nur auf den hessischen Staatsdomänen, wie es die Landesregierung anstrebt - führt über die Europäische Union – meine Damen und Herren.

Es ist eine absurde Situation: Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten im Rat und auch das Europäische Parlament lehnt die Zulassung des Genmais‘ 1507 ab. Auch eine durch mehrere aktuelle Umfragen bestätigte Mehrheit von über 80% der deutschen Bevölkerung lehnt diese Zulassung ab. Trotzdem hat die Europäische Kommission angekündigt, noch in diesem Jahr zulassen zu wollen und nach ihrer Rechtsauffassung auch zu müssen. Zum wiederholten Male stellt sich die Frage der demokratischen Legitimation solcher Entscheidungen. Mit verantwortlich für diese Situation sind die Verwirrspiele von CDU, GRÜNE und SPD. Diese müssen aufhören.

Hören sie auf, in Hessen solche Scheinanträge zu stellen. Nehmen sie den bekundeten Willen der Menschen in Hessen, in Deutschland und vielen europäischen Ländern endlich ernst und ermöglichen sie eine gentechnikfreie Landwirtschaft. Hören sie auf, mit dem Handelsabkommen eine Hintertür für den Einsatz von Gentechnik auf den Äckern zu öffnen. Hören sie auf, die Menschen zu belügen.