Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024
Rede
SPD-Antrag: Lehrkräfte am Limit – Landesregierung muss ihrer Fürsorgepflicht endlich nachkommen
Rede von Gabi Faulhaber am 24.Mai 2018 im Hessischen Landtag
– Es gilt das gesprochene Wort –
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
Die Wiederholung ist die Seele der Pädagogik. Das ist offensichtlich das lobenswerte Motto des Kollegen Degen. In diesem Jahr gab es bisher kaum eine Plenarwoche, in der nicht die Überlastung der Lehrkräfte in irgendeiner Form angesprochen worden ist. In vielen Briefen berichten die Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen über ihre Belastungen. Aus dem Kultusministerium kommt aber keine angemessene Reaktion. Herr Lorz antwortete auf die Frage, wie viele Überlastungsanzeigen beim Kultusministerium eingegangen seien kürzlich: zwei Überlastungsanzeigen.
(Die Rednerin hält ein Schriftstück hoch.)
Hier sind die Ausdrucke der Briefe aus diesem Jahr. Die vom letzten Jahr habe ich erst gar nicht mitgebracht. Das sind die, die auch ich erhalten habe. Ich nehme an, es gibt noch ein paar mehr, die im Kultusministerium gelandet sind. Ich bin Sonderpädagogin. Ich kann Ihnen Nachhilfeunterricht geben, um einen Zahlenbegriff zu implementieren. Das mache ich gerne, meine Damen und Herren.
(Heiterkeit bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der LINKEN)
Aber nun ganz ernsthaft, Herr Lorz: Was muss eigentlich noch passieren, damit Erfahrungen und Belastungen der hessischen Lehrkräfte von Ihnen beachtet werden? – Egal, was probiert wurde: Sie ignorieren die Bemühungen der Lehrkräfte bestenfalls. Ich sage bewusst „bestenfalls“, denn teilweise grenzt das arrogante Verhalten des Kultusministers schon an Verhöhnung. Ich denke da nur an die Aussage, die Grundschullehrkräfte sollten sich nicht über ihre Bezahlung beschweren, sie würden ja nicht am Hungertuch nagen. – Mittlerweile dementieren Sie, so etwas gesagt zu haben. Man kann Aussagen aber schlecht zurücknehmen. Vielleicht sollten Sie gegenüber der Presse etwas vorsichtiger
sein und sorgsamer auf Ihre Wortwahl achten.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun zum Antrag der SPD. Wir unterstützen ihn selbstverständlich. Viele der Forderungen haben wir in der Vergangenheit selbst gestellt. Daher kann ich jetzt auch schon eine – vielleicht gar nicht so unrealistische – Prognose abgeben, was mit diesem Antrag passieren wird.
(Heiterkeit bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)
Aber die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt. Ehrlich gesagt, verstehe ich Ihre Taktik nicht, meine Damen und Herren von der Regierung. Was ist so schlimm daran, als Regierung ein realistisches Bild der hessischen Bildungspolitik zu zeichnen? Eine klare Einschätzung, eine Bedarfsanalyse wäre doch die Voraussetzung für die Weiterentwicklung unserer Schulen. Dann würden die Kolleginnen und Kollegen auch ernster genommen, als das derzeit der Fall ist.
Meine Damen und Herren, wir reden hier doch nicht über eine Bosheit der Opposition. Herr Schwarz, nicht wir haben die Lehrerinnen und Lehrer angestachelt, sich beim Kultusminister über die untragbaren Arbeitsbedingungen zu beschweren. Auch wir haben diese Zustände durch die Schreiben der Lehrkräfte und Rektoren sowie durch Besuche und Gespräche an den Schulen erst in Erfahrung gebracht. Der große Unterschied zwischen der Opposition und der Regierungsbank ist jedoch, dass wir ernst nehmen, was wir sehen und was uns geschildert wird, und dass wir nicht den Mantel des Schweigens ausbreiten und stattdessen Märchen erzählen, wie gut es an unseren Schulen doch ist und wie schlecht die Opposition alles macht.
(Beifall bei der LINKEN)
Leider muss man gar nicht viel problematisieren; denn vieles ist eben problematisch. Die Studien, die zu den Themen Arbeitsbelastung und Gesundheitsgefährdung von Lehrkräften vorliegen, bestätigen dies.
Vizepräsidentin Heike Habermann:
Kollegin Faulhaber, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gabriele Faulhaber (DIE LINKE):
Nein. – Realitätsverleugnung und Schönfärberei helfen nicht. Ihre Taktik geht zulasten derer, für die Sie verantwortlich sind, Herr Lorz. Da seitens des Kultusministeriums nichts dafür getan wird, die massiven Überlastungen der Lehrkräfte an den hessischen Schulen abzubauen, werden sich die Unzufriedenheit und der Lehrkräftemangel weiter verstärken. Die Probleme verschwinden ja nicht durch Ignoranz, sondern dadurch, dass man etwas gegen sie tut.
(Beifall bei der LINKEN)
Da Wiederholungen offensichtlich zu keinem Lernerfolg im Kultusministerium führen, freue ich mich, dass Lehrerinnen und Lehrer Aktionen vorbereitet haben und trotz des Streikverbots für Beamte auf die Straßen gehen, weil sie so nicht mehr weitermachen können und wollen.
(Armin Schwarz (CDU): Wollen Sie das Berufsbeamtentum abschaffen? Sagen Sie das doch!)
– Darüber sprechen wir heute nicht. Sie haben bei Ihrer Rede das Thema verfehlt.
(Beifall bei der LINKEN – Armin Schwarz (CDU): Würden Sie das Berufsbeamtentum abschaffen?)
– Ich würde es machen.
(Armin Schwarz (CDU): Das steht jetzt im Protokoll!)
Das tun die Lehrerinnen und Lehrer trotz der Gefahr, dass jedem Einzelnen ein Disziplinarverfahren droht, da der Kultusminister zwar die Streikgründe ignoriert, nicht aber die Streiks selbst. Das hat uns die Vergangenheit gelehrt: 2015 streikten über 4.000 verbeamtete Lehrkräfte, weil ihre Arbeit mit einer tariflichen Nullrunde „belohnt“ wurde, statt ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Daraufhin wurden Juristen eingestellt, aber keine Lehrkräfte. Schon das sagt doch alles über diese Bildungspolitik. Dieses traurige Kapitel Ihrer Amtszeit, Herr Lorz, ist beispielhaft dafür, wie Sie in der Bildungspolitik Prioritäten setzen.
DIE LINKE steht jedenfalls solidarisch an der Seite der Kolleginnen und Kollegen, die sich heute und morgen Gehör verschaffen werden. Sie haben die Aktionen unter den Titel „Bildung braucht bessere Bedingungen“ gestellt. Wie recht die Lehrerinnen und Lehrer mit diesem Slogan haben, zeigt eine kurze Bilanz Ihrer Politik, Herr Lorz. Ganztagsschulausbau? – Gescheitert. Inklusion? – Wird wieder zurückgefahren. Lehrermangel? – Erst geleugnet, jetzt ein Dauerproblem. Gerechte Bezahlung der Grundschullehrkräfte? – Bestenfalls Hohn aus dem Kultusministerium. Pakt für den Nachmittag? – Hochgejubelt, aber wenig Resonanz, nur etwa 20 % der Schulen beteiligen sich. Zufriedenheit mit der hessischen Bildungspolitik? – Bei den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften kaum vorhanden. Unterrichtsausfall? – Wird ignoriert. Herr Lorz, in Ihrem Zeugnis würde stehen: Klassenziel verfehlt.
(Beifall bei der LINKEN)
Aus aktuellem Anlass zum Schluss noch ein paar Worte zu dieser Bundeswehr, die Herr Schwarz hier noch anbringen musste.
(René Rock (FDP): Unserer Bundeswehr!)
– Die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber. Deshalb kann man nicht so tun, als ob man dort ein Praktikum machen oder Schüler dort einfach hinschicken könnte.
(René Rock (FDP): Die Bundeswehr ist ein Teil unserer Gesellschaft!)
Soldaten werden für das Austragen bewaffneter Konflikte ausgebildet. Das nennt man landläufig Krieg. Darüber hinaus schafften wir auf der Welt Elend und Fluchtursachen, keinen Frieden und keine Stabilität.
(Zuruf des Abg. Armin Schwarz (CDU) – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Würden Sie das Geld, das Sie für die Bundeswehr ausgeben – auch am Hessentag –, in die Bildung stecken, dann hätten wir alle mehr davon.
(Beifall bei der LINKEN)