Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Steuergerechtigkeit ist notwendig: Wer betrügt, wird bestraft

Willi van Ooyen
Willi van Ooyen

- unkorrigiertes Redemanuskript, es gilt das gesprochene Wort -

Frau Präsidentin!, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der Antrag der SPD hat bereits eine Liegezeit von vor Ostern und ist sicherlich nicht mehr ganz aktuell. Dennoch bleibt das Anliegen richtig, auch wenn die Schweizer Behörden inzwischen einen anderen Druck auf Steuerbetrüger ausüben, um ihre Reputation nicht  weitere zu verspielen. Es geht nach wie vor darum, dass die Reichen nicht weiterhin die Gesellschaft betrügen.

Mir geht es insbesondere um die Frage, wie wir die strafbefreiende Selbstanzeige künftig regeln wollen. Wollen wir als Staat solche Straftaten nicht mehr ahnden? Damit entsteht sogar der Eindruck, als würde der Staat alles tun, um insbesondere Vermögende vor einer Strafverfolgung zu schützen. Das ist jedenfalls der Eindruck, der draußen im Land entsteht. Wie sonst ist es erklärbar, dass man bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung, Beispiele Alice Schwarzer und Hoeneß, durch Selbstanzeige einer eindeutigen Straftat   zu der man sich selbst auch noch bekannt hat einer Strafe entgehen kann?  Wie sonst ist es erklärbar, dass eine Strafverfolgung unterbleibt, selbst dann, wenn der hinterzogene Betrag 50 000 Euro übersteigt und damit nach dem Gesetz eigentlich eine Straffreiheit ausgeschlossen wäre - wenn der Betrüger nach § 398 a der Abgabenordnung doch noch seine Steuern zahlt plus, sagen wir, 5 Prozent Freikaufgebühr?

Bei den Bürgern muss doch der Eindruck entstehen: Aha, wer Kohle hat, der kann sich irgendwie freikaufen, wenn man ihn fast erwischt hatte.
Stellen Sie sich vor: ein erwischter Ladendieb würde so großzügig und nachsichtig behandelt. Nicht bei uns, wo den Hartz IV – Empfängerinnen in jede Kontoentwicklung nachgestellt wird. Warum ist Ladendiebstahl eine Straftat und hat gegebenenfalls gravierende Folgen, während ein Steuerhinterzieher oft nicht einmal vorbestraft ist, obwohl er zigtausend Euro hinterzogen hat?

Meine Damen und Herren, die Argumente des Finanzministers sind mir bekannt. Herr Schäfer, Sie sagen: Durch die Selbstanzeige wird dem Staat letztendlich die Möglichkeit gegeben, Millionen in seine Kassen zu bekommen, die er sonst nicht erhalten würde. - Aber, Herr Schäfer, ist es wirklich die Möglichkeit der Selbstanzeige, die zu Steuerehrlichkeit führt, oder ist es nicht vielmehr die Angst desjenigen, der die Steuern hinterzogen hat, entdeckt zu werden, weil der Staat inzwischen, jedenfalls einige Länder, Gott sei Dank und richtigerweise Steuer-CDs kaufen?

Ich kann Ihr Argument nicht ernst nehmen, weil Sie auf der einen Seite sagen, dass der Staat Geld einnehmen soll, sich auf der anderen Seite aber immer vehement dagegen gewehrt haben, dass der Staat Steuer-CDs aufkauft. Herr Schäfer, Sie müssen sich entscheiden, was Sie wollen: Wenn Sie die Kohle wollen, dann müssen Sie auch dafür sorgen, dass die Kohle reinkommen kann. Mit dem Ankauf von Steuer-CDs erreichen wir bei weitem mehr als durch die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung, die Sie immer noch verteidigen.

Ähnlich ist es mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz; Herr Schäfer, auch das muss ich sagen. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Sie wirklich an das Geld herankommen wollten. Bei dem Steuerabkommen mit der Schweiz ging es aber um nichts anderes als darum, die Anonymität der Straftäter zu wahren. Wir unterscheiden offensichtlich Straftäter im Steuersystem mit entsprechenden Einkommen von allen anderen Straftätern. Das ist nicht akzeptabel, Herr Schäfer.

Die strafbefreiende Selbstanzeige gehört abgeschafft

Deshalb möchte ich hier noch einmal eindeutig sagen: Die strafbefreiende Selbstanzeige gehört abgeschafft. Gleichzeitig muss geregelt werden, dass Bagatelldelikte   die gibt es ja auch; die sind jetzt auch in dieser Regelung enthalten   ausgenommen bleiben, sodass wir nicht den Kleinen erwischen, sondern die Großen, die von der strafbefreienden Selbstanzeige Gebrauch machen.

Der Bundesrepublik gehen nach Angaben der Deutschen Steuer-Gewerkschaft jährlich circa 50 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung verloren.
Das ist ein Sechstel des Bundeshaushalts. Eine Klimaveränderung ist notwendig: Es muss klar sein, dass Steuerhinterziehung kein Bagatelldelikt ist. Das wird insbesondere dadurch erreicht, dass man den Straftatbestand der Steuerhinterziehung als solchen wertet und die Steuerbetrüger nicht mit allen möglichen Tricks letztendlich straffrei stellt. Das kann nicht sein.

Steuergerechtigkeit ist notwendig: Wer betrügt, wird bestraft. Auch wenn dieser Grundsatz gilt, sieht das Strafrecht die Möglichkeit zur Unterscheidung vor. Ein Richter kann natürlich unterscheiden: Ist der Täter geständig? Macht er freiwillig Angaben? Das kann der Richter beim Strafmaß berücksichtigen. Aber rechtlich festzulegen, dass ein solcher Täter prinzipiell straffrei bleibt, obwohl er den Straftatbestand erfüllt hat, das geht meines Erachtens überhaupt nicht.

Was wir brauchen, sind mehr Steuerfahnder, Herr Schäuble. Wir wissen, dass jeder Steuerfahnder ungefähr das Zwanzigfache von dem hereinbringt, was er kostet.  Wo bleibt die Initiative dieser Landesregierung, damit wir durch mehr Steuerfahnder ein wenig von den 50 Milliarden Euro hereinholen, die uns jährlich verloren gehen? Kein Steuerflüchtling soll sich sicher fühlen. Deshalb brauchen wir mehr Steuerfahnder und mehr Steuer-CDs. Das ist besser als jede Befreiung von der Strafverfolgung.