Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen - Beamtenbesoldung: Schwarzgrün hält verfassungswidrigen Zustand aufrecht

Torsten FelstehausenInnenpolitikWirtschaft und Arbeit

In seiner 118. Plenarsitzung am 15. November 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Gesetzentwurf von CDU und Grünen zur Besoldungsanpassung von Beamt:innen. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ich möchte Heike Hofmann ausdrücklich für diese klaren Worte danken und mich denen in weiten Teilen auch anschließen.

Die Landesregierung bringt hier über die Fraktionen von CDU und GRÜNEN einen Gesetzentwurf ein, von dem sie selbst eingesteht, dass er dazu führt, dass damit ein verfassungswidriger Zustand im Ergebnis länger anhält. Das können Sie wörtlich nachlesen in der Vorbemerkung zu dem Gesetz, das sie vorgelegt haben.

Als LINKE sagen wir, es steht Ihnen nicht frei, die Höhe nach Haushaltslage für die Beamtinnen und Beamten so zu regeln. Sie müssen sich an Recht und Gesetz halten. Wenn ein Verfassungsgericht sagt, dass die Besoldung so niedrig ist, dass sie verfassungswidrig ist, dann ist das beschämend. Es ist beschämend, und Sie müssen eine neue Regelung schaffen, die diesen verfassungswidrigen Zustand beendet, und nicht einen, der zwar etwas weniger schlimm ist, aber immer noch verfassungswidrig.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Dass Sie hier ernsthaft einen Gesetzentwurf vorlegen, von dem Sie wissen, dass er nicht den Anforderungen der Gerichte entspricht, und es dann auch noch als Erfolg verkaufen wollen, das ist schon dreist. Und das alles tragen Sie auf dem Rücken der Beamtinnen und Beamten aus, die hier tagein und tagaus dafür arbeiten, dass dieses Land, dieses Hessen, am Laufen gehalten wird. Meine Damen und Herren, das ist wirklich ein respektloser Umgang mit diesen Landesbediensteten.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Sie begründen Ihr Vorgehen damit, dass kein Geld da sei, um die Beamtinnen und Beamten und die Richterinnen und Richter rechtmäßig zu bezahlen. Ja, meine Damen und Herren, es ist richtig, wir haben herausfordernde Zeiten. Wir haben mehrere Krisen gleichzeitig, die Klimakrise, die Folgen der Pandemie, den Ukraine-Krieg, die steigende Inflation. Natürlich reden wir in vielen Bereichen über immense Mehrkosten. Aber die Antwort kann doch nicht sein, dass wir unsere hessischen Beamtinnen und Beamten nicht rechtmäßig bezahlen. Die Antwort muss doch heißen: Die Schuldenbremse muss weg an dieser Stelle. – Das ist doch die Antwort, die wir jetzt brauchen.

(Beifall DIE LINKE)

Was Sie nicht vergessen dürfen: Die Beamtinnen und Beamten und ihre Familien sind doch ebenso betroffen von der Inflation und von den Mehrkosten für Energie, Gas und Lebensmittel. Es geht hier nicht in erster Linie um Spitzenbeamte. Im Kern geht es doch um die vielen Beamtinnen und Beamten der unteren Besoldungsstufen, um Polizeiwachtmeisterinnen, um Vollzugsbeamte usw.

(Michael Reul (CDU): Die haben wir doch gar nicht mehr!)

Meine Damen und Herren, Sie wissen es, einer von ihnen hat geklagt, ein seit Jahren im Justizwachdienst stehender Mann, Entgeltgruppe 6, Erfahrungsstufe 8. Mit seiner Klage hat er geltend gemacht, dass mit seiner Besoldung die Untergrenze der Besoldung unterschritten sei, weil der Mindestabstand zur Grundsicherung nicht eingehalten wird. Auch wegen seiner Klage musste das hessische Besoldungsrecht reformiert werden; denn das Gericht hat festgestellt – ich zitiere –:

Die Verfassungswidrigkeit der Alimentation des Klägers ergibt sich daraus, dass der Abstand zum Grundsicherungsniveau nicht eingehalten ist.

Das Gericht stellte eine Vergleichsrechnung an. Berechnungsgrundlage ist eine Familie mit zwei Kindern mit einem mittleren Einkommen. Es kommt dabei zu dem Schluss: Davon ausgehend ergibt die Berechnung, dass der Mindestabstand von 15 % zum Grundsicherungsniveau in dem Jahr 2016 in der Besoldungsgruppe A 9 und in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 sogar in der Besoldungsgruppe A 10 unterschritten ist. Meine Damen und Herren, unterschritten in fast der Hälfte der Besoldungsgruppen, das ist unglaublich. Da sagen wir als LINKE, so dürfen wir mit unseren Beamtinnen und Beamten nicht umgehen.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Wenn ich dann höre, wie Herr Staatsminister Beuth bei allen möglichen und unmöglichen Anlässen sich hinstellt und von Respekt vor der Leistung der Beamtinnen und Beamten redet, dann kann ich doch nur sagen, Applaus und warme Worte reichen an dieser Stelle nicht. Die Beamtinnen und Beamten haben ein Recht auf eine vernünftige Alimentation. Das ist das, was wir jetzt an dieser Stelle auch fordern.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Sie schreiben selbst in Ihrem Gesetzentwurf, dass das Gesetz nicht darauf abziele, die Schließung der vom Verwaltungsgerichtshof für Hessen festgestellten Alimentationslücke bis zum Jahr 2024 bereits vollständig zu erreichen, sondern dass es eben nur erste Maßnahmen sind, die Sie hier ergreifen.

Aber wir sagen ganz klar, so geht das nicht. Wir brauchen jetzt ein Gesetz mit verfassungskonformen Regelungen. Die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Regelung ist Ihnen seit Jahren bekannt. Seit Jahren spart das Land Milliarden, weil es nichts an diesen verfassungswidrigen Regeln ändern will.

(Tobias Eckert (SPD): Das war die CDU-geführte Landesregierung!)

Nicht nur der Inhalt ist ungenügend. Auch die Form entspricht doch nicht den üblichen Vorgängen. So wurde der DGB, der für die Beamtinnen und Beamten die größte Gewerkschaft ist, bis zur Einbringung dieses Gesetzes völlig außen vor gelassen. Die gesetzlich verankerten Beteiligungsrechte haben Sie umgangen, indem Sie daraus kein Gesetz der Landesregierung gemacht haben, sondern die Fraktionen vorschieben, dieses Gesetz einzubringen. Das zeigt doch sehr deutlich, dass Sie genau wissen, was Sie hier tun, dass Sie nämlich den nächsten Verfassungsbruch vorbereiten. Das wollen Sie sich als Landesregierung nachher nicht an den Kittel schmieren lassen.

Meine Damen und Herren, der DGB hat in einer ersten Pressemitteilung deutlich seine erste Einschätzung zu dem Gesetz abgegeben. Das darf ich zitieren. Der DGB schreibt:

Das ist ein Skandal in Form und Inhalt. Die Alimentation ist nach der Reform genauso verfassungswidrig wie vor der Reform. Das ist fortgesetzter Verfassungsbruch und nicht hinzunehmen.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Meine Damen und Herren, die Pressemitteilung des DGB endet mit einem Satz, über den Sie wirklich einmal nachdenken sollten. Der DGB schreibt:

Die Beamtinnen und Beamten müssen sich an Recht und Gesetz halten, das erwarten wir [zu Recht] auch vom Dienstherrn.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Meine Damen und Herren, dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen.

Ich möchte zum Schluss kommen. Dieses Gesetz, das Sie hier vorgelegt haben, sollte so, wie Sie es hier eingebracht haben, gleich wieder mitgenommen werden. Es ist kaum etwas dran, was ernsthaft beraten werden kann. Die wesentlichen Fragen beantworten Sie nicht: Wie kommen wir zu einer verfassungsgemäßen Bezahlung der Beamtinnen und Beamten? Wie gehen wir mit dem um, worauf die Beamtinnen und Beamten in der Vergangenheit schon verzichtet haben, und wie schaffen wir es eigentlich, im Zeichen der anstehenden Inflation von 10 % mit einer solchen Regelung nachher auch etwas zu haben, was uns nicht wieder um die Ohren gehauen wird?

Meine Damen und Herren, im Grunde genommen bleibt mir nur zu sagen: Wissen Sie, Herr Beuth, worüber Sie wirklich froh sein können? Sie können wirklich froh sein – sonst wäre es nämlich anders –, dass Beamtinnen und Beamte nicht streiken dürfen. Ich glaube, sonst würde dieser Staat nicht mehr funktionieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))