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Rede

Torsten Felstehausen - Den Dialog mit Klimaschützer*innen darf man nicht mit Wasserwerfern führen

Torsten Felsehausen
Torsten FelstehausenInnenpolitikUmwelt- und KlimaschutzVerkehr

In seiner 62. Plenarsitzung am 10. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Polizeieinsatz im Dannenröder Forst. Dazu die Rede unseres umweltpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe entschlossene Klimaaktivistinnen und -aktivisten!

Es wird Sie nicht verwundern: Wir bedanken uns an dieser Stelle auch ausdrücklich bei den vielen jungen Menschen, die in den letzten Wochen und Monaten im Danni friedlich ein deutliches Signal gesetzt haben.

(Zurufe)

Noch einmal zum Mitschreiben: Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei den vielen jungen Menschen, die in den letzten Wochen und Monaten im Danni friedlich ein deutliches Signal gesetzt haben. Damit machen wir deutlich, wem unser Dank an dieser Stelle gilt.

(Beifall DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Unser Respekt gilt all den Menschen, die durch ihren Protest, teils unter hohen persönlichen, mentalen und körperlichen Strapazen, einer fehlgeleiteten Politik über viele Wochen die Stirn geboten haben. Dieser Protest gehört eben auch zu unserem demokratischen Rechtsstaat. Wer meint, diesen Protest in einer grundsätzlichen Art zu kriminalisieren, soll sich noch einmal Gedanken über sein Verhältnis zu unserem Rechtsstaat machen. Um es auch ganz deutlich zu sagen: Jeder Verletzte – egal auf welcher Seite – ist einer zu viel.

(Zuruf: Was für eine Gleichsetzung!)

Stahlkugeln und Steine gehören für uns genauso in eine Sackgasse wie ein polizeiliches Handeln, das die Verletzungen von Aktivistinnen und Aktivisten billigend in Kauf nimmt.

(Zuruf: Unverschämtheit!)

Wir stehen hinter den Menschen, die mit Mitteln des zivilen Ungehorsams gegen eine falsche Entscheidung protestieren, und wir haben deshalb auch immer wieder zur Deeskalation aufgerufen.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Robert Lambrou (AfD))

Aber klar ist auch: Der Bau einer neuen Autobahn ist weder nachhaltig noch zukunftsfähig. Im Antrag der FDP heißt es, die Polizeieinsätze im Herrenwald, im Maulbacher Forst und im Dannenröder Forst seien „wichtig und erforderlich“ gewesen.

(Zuruf: Jawohl!)

Nein, meine Damen und Herren, hier wären ein Nachdenken und eine Umkehr in der Verkehrspolitik wichtig und erforderlich gewesen.

(Beifall DIE LINKE)

Tausende junge Menschen haben sich im Danni versammelt und ihre Entrüstung zum Ausdruck gebracht, dass es heute noch möglich ist, ein intaktes Ökosystem zu planieren und eine Autobahn in einem Planungsstand des letzten Jahrhunderts zu bauen.

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Nein, lasse ich nicht. – Beteiligt haben sich an diesem Protest Umweltverbände und Umweltgruppen wie die jungen Menschen von „Fridays for Future“, denen Sie vor einem Jahr noch Beifall für ihr Engagement geklatscht haben. Es waren kirchliche Gruppen, die aus Verantwortung für die Schöpfung in den Wald gegangen sind. Es waren Musikerinnen und Musiker, genauso wie Menschen, die über 60 Jahre alt sind. Die Bürgerinitiativen aus der Region, die seit Jahrzehnten gegen die Autobahn kämpfen, standen Seite an Seite mit den Aktivistinnen und Aktivisten von „Ende Gelände“, „Extinction Rebellion“ und „Sand im Getriebe“.

All diesen Gruppen möchten wir dafür danken, weil auch sie einen wichtigen Beitrag geleistet haben.

(Beifall DIE LINKE)

Der Widerstand gegen den Autobahnbau ist richtig und wichtig, und ich habe einen großen persönlichen Respekt vor den Menschen, die nächtelang bei Minusgraden auf Bäumen ausgeharrt haben, in der Hoffnung, den Autobahnbau noch stoppen zu können.

(Zurufe CDU)

– Ja, meine Damen und Herren, da können Sie grölen und johlen, so viel Sie wollen. Sie werden das Beklettern von Bäumen hier nicht zur Straftat umdeuten können.

(Beifall DIE LINKE)

Wir steuern auf Kipppunkte des Klimawandels zu – das haben wir hier ausreichend diskutiert –, nach denen es keine Umkehr mehr geben wird. Wer heute noch Autobahnen baut, ist ein klimapolitischer Geisterbahnfahrer.

Autobahnen stehen nämlich nicht mehr für Fortschritt. Die Zukunft – das ist klar, nicht nur im Danni – wird nicht aus Asphalt und Beton gemacht. Unsere Zukunft wird klimaneutral sein, oder sie wird gar nicht sein.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe AfD)

Diese feste Überzeugung, die längst wissenschaftliche Tatsache ist, bringt eben die Menschen zum Protest. Ein solcher Protest ist in unserem demokratischen Rechtsstaat nicht nur selbstverständlich, er ist auch notwendig.

Ohne diese Form des demokratischen Widerspruchs gäbe es keine gesellschaftliche Veränderung. Ohne die Studentenbewegung hätten wir nicht unter die Talare, unter denen sich der Muff von Tausend Jahren versammelt hatte, druntergeschaut.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Der kommt gerade wieder!)

Ohne die Anti-AKW-Bewegung hätte es auch die GRÜNEN vermutlich nie gegeben.

Heute, 40 Jahre nach den Brokdorf-Demonstrationen, an denen Hunderttausende von Menschen teilnahmen, ist unbestritten: Der Weg in den Atomstaat war ein strahlender Irrweg, und Gorleben, Wackersdorf und Co. sind Geschichte. Es dauerte weitere 40 Jahre, bis eingesehen wurde, dass diese Menschen recht hatten. Auch sie besetzten den Wald in Gorleben am Bohrloch 1004. Sie bauten Hütten, und sie bauten Baumhausdörfer. Sie sind ein Gründungsmythos der GRÜNEN. Sich jetzt hierhin zu stellen und zu sagen, dieser Protest in dieser Form müsse in Gänze kriminalisiert werden, ist nicht redlich.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf SPD)

Als kleiner Funfact am Rande ein Hinweis an die SPD: Es war im Übrigen Gerhard Schröder, der am 31. Mai 1980 zu den Besetzerinnen und Besetzern in Gorleben ging und dort seine Solidarität bekundete. Das nur zur Einordnung, wer da eigentlich wo stand.

Was musste sich diese Bewegung nicht alles anhören: Es waren „Ökospinner“, es waren „Kommunisten“, es waren „Weltverbesserer“, ja, und es war immer wieder der Generalverdacht der Gewalt, der immer dann laut wurde, wenn die Räumung bevorstand.

(Zurufe SPD)

Das gehörte und das gehört leider heute noch immer zu den Abwehrkämpfen eines Systems, das an seine Grenzen gekommen ist.

Meine Damen und Herren, wer ausschließlich auf die Macht der Staatsmacht setzt, der verliert den Respekt dieser jungen Menschen. Damit gefährden wir unseren

Rechtsstaat,

(Zuruf Robert Lambrou (AfD))

weil die Polizei nach Monaten der Fahrzeugkontrollen, der Ingewahrsamnahmen, der polizeilichen Überwachung von Friedensgebeten nicht mehr als Sicherheitspartner angesehen wird. Dieses Einsatzkonzept hat das Vertrauen in der Region nachhaltig zerstört.

Meine Damen und Herren, wer Vertreterinnen und Vertreter der Presse bei ihrer Arbeit behindert und körperlich angreift, der muss sich auch Kritik gefallen lassen. Ja, so ist das. Und wer Schneebälle und Spruchchöre als Anlässe dafür nimmt, Wasserwerfereinsätze bei Minusgraden zu fahren, der verspielt das Vertrauen und damit die Grundlage jeden Dialogs.

(Zurufe: Oh!)

Diese jungen Menschen haben Verantwortung übernommen für die Zukunft – für ihre Zukunft und auch für unsere Zukunft. Sie fordern uns als Politikerinnen und Politiker auf, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Wir stehen vor einer der größten Herausforderungen der Menschheit, und diese Herausforderung muss vor allem von den Menschen bewältigt werden, die am meisten von der Ressourcenverschwendung profitiert haben, die den größten ökologischen Fußabdruck haben.

(Zuruf Robert Lambrou (AfD))

Ja, das sind wir. Wir müssen die Verantwortung für Jahrhunderte ungebremsten Wirtschaftswachstums übernehmen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es so wütende Reaktionen darauf gibt. Daran erinnern uns genau diese Aktivistinnen und Aktivisten.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Sie fahren auch heute Abend mit dem Auto nach Hause! – Weitere Zurufe)

Wer aber hofft, dass mit der Rodung des letzten Baums auf der Trasse jetzt alles gut ist, der wird enttäuscht werden. Nein, die Klimabewegung ist nach dem Danni stärker denn je. Und sie wird sich lauter und immer lauter zu Wort melden.

(Zurufe Robert Lambrou (AfD) und Freie Demokraten)

Im Danni und an den weiteren 850 km Autobahnneubauten, die noch in Planung sind, an den Kohlekraftwerken, an Flughäfen, da werden sie sich nicht überzeugen lassen von Greenwashing, Grünbrücken und einem grün angestrichenen Kapitalismus. Davon werden sie sich nicht täuschen lassen. Das macht mir persönlich Hoffnung – Hoffnung für die Zukunft dieser jungen Menschen und Hoffnung für uns alle. Deshalb wird es auch weiter heißen: „Danni bleibt“. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)