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Rede

Torsten Felstehausen - Landesregierung muss den Kampf gegen Klimawandel intensivieren

Torsten FelstehausenInnenpolitikUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 111. Plenarsitzung am 14. Juli 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal. Dazu die Rede unseres Parlamentarischen Geschäftsführers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Hilfsorganisationen! Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei der CDU bedanken, dass Sie diesen Punkt heute an dieser Stelle aufgerufen haben, dass Sie allen hier im Landtag vertretenen Parteien die Gelegenheit geben, noch einmal den Dank auszusprechen, der den Helferinnen und Helfern nach der Katastrophe im Ahrtal gebührt.

Damit geben Sie uns vielleicht gemeinsam einen Impuls, zu überlegen: Was haben wir eigentlich daraus gelernt? Was müssen wir tun? Wo gibt es in Hessen Punkte, aus den Ereignissen zu lernen, bei denen über 180 Menschen – das wurde schon gesagt – ihr Leben verloren haben, wo ein Schaden von über 33 Milliarden € entstanden ist, wo viele Menschen ihr Hab und Gut und ihre Heimat verloren haben? Wie können wir dazu beitragen, dass sich solche Ereignisse in Hessen nicht wiederholen?

Ja, es ist sehr positiv – und ich glaube, das müssen wir auch hervorheben –, dass es nach der sogenannten Jahrhundertflut auch eine große Welle der Hilfsbereitschaft gab: in den ersten Stunden durch die vielen ehrenamtlichen Kräfte der Hilfsorganisationen, über Tage und Wochen bis heute, aber auch durch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung.

An der Stelle möchte ich mich einmal an die AfD wenden. Wissen Sie, was mich begeistert hat, wenn ich mit Menschen gesprochen habe, die in diesen Gebieten leben:

Denen war es völlig egal, welche Religion, welche Hautfarbe oder sonst irgendetwas vorhanden war. Man hat sich gegenseitig geholfen. Und dass Sie diese Aktuelle Stunde nutzen wollen, um die Menschen gegeneinander auszuspielen – Geflüchtete gegen Hilfsorganisationen –, ist eine Schande.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, vereinzelt CDU und Freie Demokraten – Dr. Frank Grobe (AfD): Die AfD war auch da! – Weitere Zurufe AfD: Wir waren vor Ort!)

Aber, meine Damen und Herren, was heißt Jahrhundertflut? Wir wissen bei diesen Begrifflichkeiten, dass da im wahrsten Sinne des Wortes tatsächlich etwas ins Rutschen gekommen ist. Unser Versagen in der Klimakrise hat heute schon dazu geführt, dass wir uns gleich doppelt anstrengen müssen. Wir müssen natürlich weitermachen bei der Bekämpfung der Ursachen der Klimakrise, des ungedrosselten Ausstoßes von CO2, der weiteren Versiegelung von Flächen durch Autobahnbau und Zersiedelung und des Festhaltens an einer Utopie eines ungebremsten Wirtschaftswachstums. Wir müssen weitermachen bei der Klimafolgenanpassung, nämlich genau an der Stelle, weil wir die Warnungen der Wissenschaft nicht ernst genommen haben: Vegetationsbrände, Hochwasser, Schlammlawinen, Dürren, Hitzewellen mit ihren gravierenden Folgen – all das sind Vokabeln, mit denen wir uns, aber auch die Hilfsorganisationen sich in Zukunft immer mehr auseinandersetzen müssen.

Dafür brauchen wir die Helferinnen und Helfer der Hilfsorganisationen. Und dazu müssen sie gut ausgestattet sein mit Material, Gerät und all dem, was sie brauchen, damit sie ihre Arbeit machen können. Ja, da liegt noch vieles im Argen. Der bundesweite Alarmtag, bei dem die Alarmierung der Bevölkerung gerade getestet werden sollte, ist wieder verschoben worden, um sich die Peinlichkeit von 2020 zu ersparen. Dass die Landesregierung weiterhin fast ausschließlich auf Warn-Apps und SMS-Warnungen setzt, zeigt doch, dass die Lernkurve eher flach ist. Der Großteil der Opfer in den Katastrophengebieten war älter als 60. Sie verfügen zum großen Teil nicht über eine digitale Kompetenz, sie haben keine Smartphones und nutzen keine sozialen Medien. Das müssen wir in unsere Planungen einbeziehen und können an der Stelle nicht sagen: Wir gehen ausschließlich in den Bereich von Warn-Apps. – Ich bin da völlig bei der Kollegin: Wir brauchen auch ein funktionierendes, autarkes System an Sirenen, um die Bevölkerung zu warnen.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Es gibt viele Praxisbeispiele, auf die man hier eingehen könnte. Das ist die Zuweisung von Fahrzeugen für den Katastrophenschutz ohne wirkliche Rücksprache mit den Einsatzkräften vor Ort. Die Kameradinnen und Kameraden freuen sich da sicherlich über jede Unterstützung. Aber wenn sie zurückmelden, sie hätten ein Fahrzeug zugewiesen bekommen und wüssten jetzt gar nicht, wo sie es abstellen sollten, weil niemand gefragt habe, ob es da die entsprechenden Plätze gebe, dann ist das etwas, wovon man sagt: Da ist Nachbesserung erforderlich.

Ja, der Teufel steckt häufig im Detail, und da reicht es nicht, nur hier im Landtag zu diskutieren. Da müssen wir den Hilfskräften vor Ort zuhören, was sie brauchen, um die zunehmenden Einsatzlagen zu bewältigen. Hier gibt es eine Menge Hinweise. Das beginnt bei der mangelhaften Einsatzleitung, bei den Schwierigkeiten bei Übungseinsätzen und der Gewinnung von Ehrenamtlichen. Diese Dinge – Herr Beuth, ich will das ausdrücklich sagen – liegen nicht nur in der Verantwortung der Landesregierung. Aber die Aufgabe und die Verantwortung der Landesregierung sind es, die Kommunen so auskömmlich zu finanzieren, dass bei klammen kommunalen Kassen nicht der Brandund Katastrophenschutz gegen die berechtigten Interessen – beispielsweise des Sports, der Daseinsvorsorge oder der Kultur – ausgespielt wird. Da müssen wir nachbessern; denn sonst haben wir diesen Konflikt vor Ort.

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Herr Kollege, bessern Sie bitte bei der Zeit nach.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Das werde ich tun. Ich schaue noch einmal, ich bin etwas drüber. – Ich komme zum Schluss. Ja, ich möchte mich im Namen der Fraktion DIE LINKE auch bei den 70.000 Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, des THW und der vielen anderen Hilfsorganisationen mit ihren ehrenamtlichen Helfern bedanken. Ich wünsche allzeit einen Einsatz, der gut verläuft. – Kommt bitte gesund an Körper und Psyche aus den Einsätzen zurück. Wir brauchen Sie, und wir brauchen Ihre Bereitschaft, für uns da zu sein. – Vielen Dank, dass Sie uns heute hier mit Ihrem Besuch beehrt haben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)