Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen: Neues Personalvertretungsgesetz enttäuscht - Mitbestimmung sieht anders aus!

Torsten FelstehausenInnenpolitikWirtschaft und Arbeit

In seiner 118. Plenarsitzung am 15. November 2022 diskutierte der Hessische Landtag anlässlich der Ersten Lesung des Gesetzes zur Novellierung des Hessischen Personalvertretungsrechts. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Vertreterinnen, Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaften!

Die regierungstragenden Fraktionen haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das Hessische Personalvertretungsgesetz zu überarbeiten. Auf Seite 63 heißt es dazu – ich zitiere –:

Wir halten starke Interessenvertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Personalvertretung und Gewerkschaften für wichtige Einrichtungen, um die Interessen der Beschäftigten gegenüber den Dienstherren zu wahren. Wir wollen deshalb das Hessische Personalvertretungsgesetz fortentwickeln und im Dialog mit den Gewerkschaften die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst zeitgemäß ausgestalten.

Sie kündigen also im Koalitionsvertrag konkret drei Dinge an, und heute ist es offensichtlich an der Zeit, das zu überprüfen. Sie kündigen als Erstes an, die Arbeit der Personalräte zu stärken. Als Zweites kündigen Sie den Dialog mit den Gewerkschaften an. Als Drittes kündigen Sie eine zeitgemäße Ausgestaltung des Personalvertretungsrechts an.

(Zuruf: Hört, hört!)

Wenn man sich vor diesem Hintergrund Ihren Gesetzentwurf durchliest, dann scheitern Sie in allen drei Punkten an Ihren eigenen Ansprüchen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Erstens stärken Sie mit dem Gesetz nicht die Arbeit der Personalräte. Dafür wäre eine Rücknahme der kochschen Beschleunigungsgesetze von 1999 erforderlich. Unter Schwarz-Gelb wurden das Initiativrecht der Personalräte eingeschränkt, die Mitbestimmungstatbestände gestrichen, das Letztentscheidungsrecht der Einigungsstellen eingeschränkt sowie schlechtere Freistellungsregelungen umgesetzt. Damit wurden die Bedingungen für die Personalratsarbeit in den Dienststellen verschlechtert und die Rechte der Personalräte, die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen wirksam zu vertreten, abgebaut. Kurzum: Die innerbetriebliche Demokratie in hessischen Dienststellen wurde geschliffen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, wer wirklich Interesse an einer Stärkung der Personalräte hat, muss zunächst den Status quo wiederherstellen. Dazu – Sie haben es gerade angekündigt, Herr Staatsminister Beuth – sind Sie aber nicht bereit. Alles andere sind dann lediglich kosmetische Korrekturen.

(Beifall DIE LINKE)

Zweitens scheinen Sie ein besonderes Verständnis von dem Begriff Dialog zu haben. Für Sie scheinen nicht das Zuhören und Verstehen im Mittelpunkt zu stehen, sondern ausschließlich die eigene Machtausübung. Mit der Macht Ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit setzen Sie sich par ordre du mufti über alle Anregungen und Hinweise der Gewerkschaften hinweg. Trotz vorgeschalteter Regierungsanhörung stießen alle Anregungen der Gewerkschaften auf taube Ohren. Ja, Sie verschließen bewusst die Augen vor der Wirklichkeit in den Dienststellen.

Meine Damen und Herren, die Arbeitsbedingungen in den Dienststellen haben sich in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert: Personalabbau, Arbeitsverdichtung, Umstrukturierungen und höhere Belastungen sind doch an der Tagesordnung.

Um Veränderungen positiv für die Beschäftigten und im Sinne einer hohen Qualität der Aufgabenerledigung für die Bürgerinnen und Bürger zu gestalten, muss ein neues Denken in die Dienststellen einziehen. Mitbestimmung ist eine wichtige Ressource; denn sie hilft, Kompetenzen der Beschäftigten einzubeziehen und sachgerechte, zukunftsund zustimmungsfähige Veränderungen umzusetzen, und ja, sie kann auch vor der einen oder anderen Fehlentscheidung bewahren.

Drittens geht Ihr Gesetzentwurf an den meisten aktuellen Fragen einer sich ändernden Gesellschaft vorbei; er nimmt nicht einmal davon Kenntnis. Der öffentliche Dienst steht nicht zuletzt durch die Digitalisierung – wir haben eben darüber gesprochen – vor einem Paradigmenwechsel. Wichtige Bestimmungsfaktoren der Arbeit wie Zeit und Ort der Arbeitsleistung, aber auch neue Formen der Arbeit und Zusammenarbeit können ohne eine starke Mitbestimmung der Personalräte nicht erfolgreich eingeführt werden. Für diesen wichtigen Bereich die bisherigen unzureichenden Regelungen einfach nur fortzuschreiben, grenzt an Arbeitsverweigerung der Landesregierung.

Es wäre stattdessen Zeit gewesen, das unzureichende

HPVG vom Kopf auf die Füße zu stellen und nicht nur etwas in der Gliederung zu verändern. Aber dieser Verantwortung sind Sie von den regierungstragenden Fraktionen nicht gerecht geworden.

Als LINKE fordern wir im Schulterschluss mit den Gewerkschaften, dass die Mitbestimmung nicht weiterhin auf ein Minimum beschränkt bleibt, sondern Demokratie und die Verwirklichung von Beschäftigteninteressen in den Dienststellen aktiv gefördert werden.

Daher werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Aber wir kündigen gleichzeitig an, hierzu noch einen eigenen Antrag einbringen, um zu dokumentieren, wie ein Personalvertretungsgesetz aussehen könnte, das den Anforderungen einer Arbeitswelt 2020 ff. gerecht wird.

(Zuruf Alexander Bauer (CDU))

Meine Damen und Herren, ich freue mich ähnlich wie Kollege Peter Beuth auf eine spannende Auseinandersetzung in den Ausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))