Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen - Persönlichkeitsrechte müssen in den Sicherheitsbehörden durchgesetzt werden.

Torsten FelstehausenDaten- und VerbraucherschutzInnenpolitik

In der 87. Plenarsitzung des Hessischen Landtags am 10. November 2021 wurde der Bericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten vorgestellt. Für uns noch einmal ein Grund um darauf hinzuweisen: Ob Hessentrojaner, Palantir oder NSU 2.0 - Datenschutz und Persönlichkeitsrechte müssen auch in den hessischen Sicherheitsbehörden durchgesetzt werden. Dazu die Rede unseres Parlamentarischen geschäftsführers und datenschutzpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

 Herr Präsident, ich hoffe, Sie verzeihen die umgekehrte Anrede: Sehr verehrter Herr Prof. Dr. Roßnagel, sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vizepräsident Frank Lortz: Herr Kollege Felstehausen, zweimal „Herr Präsident“ ist ja in Ordnung. (Vereinzelter Beifall – Stephan Grüger (SPD): Ehre dem, dem Ehre gebührt!) Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Genau. – Im Namen meiner Fraktion DIE LINKE möchte ich mich ganz herzlich für die Vorlage Ihres Berichts bedanken und noch viel mehr für die Arbeit, die Sie in den letzten Monaten für uns geleistet haben; denn Sie sind unser Datenschutzbeauftragter. Wir haben Sie in diesem Haus gewählt und mit der Autorität des Landtages ausgestattet, die Aufgaben des Datenschutzes, aber auch der Informationsfreiheit – Sie haben es gerade ausgeführt – in unserem Namen zu überwachen und durchzusetzen. Ich glaube, das sind wichtige Aufgaben und ein wichtiges Amt. Sie beweisen mit dem Bericht, den Sie vorgelegt haben, wo wir die Baustellen haben, nicht nur im Umgang mit bestehenden Systemen, nicht nur in der Umsetzung einer sich ändernden Rechtsprechung, sondern auch, wenn es um neue Aufgaben geht wie: Was passiert eigentlich im Bereich Smart Home und Smart Office? Was ist mit Gesundheits-Apps, welche Regelungen brauchen wir dort eigentlich? Wie gehen wir das Thema Big Data und künstliche Intelligenz an, wenn wir von Persönlichkeitsrechten und von Freiheitsrechten reden? Da geben Sie uns wichtige Orientierung und Hinweise; und das ist sehr gut. Aber Sie gehen natürlich auch konkreten Beschwerden, konkreten Auskunftsersuchen und Beratungsanliegen nach. Das tun Sie über 70-mal pro Tag in Ihrer Behörde. Daran kann man eben sehen, wie groß der Umfang dessen ist, was durch Sie geleistet wird. Ich kann der Kollegin nur zustimmen; denn wir sagen – das unterstützen wir auch –: Diese zunehmenden Aufgaben, die Sie haben, die Sie auch beschrieben haben, quantitativ und qualitativ, müssen sich natürlich auch in der personellen und in der sächlichen Ausstattung Ihrer Behörde widerspiegeln; sonst sind Sie nicht schlagkräftig. (Beifall DIE LINKE und Stephan Grüger (SPD)) Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen, die Sie auch in Ihrem Bericht erwähnt haben. Aber vorweg möchte ich den Leitgedanken formulieren, dem Sie verpflichtet sind, der sich in der DSGVO und auch in Ihrer Arbeit widerspiegelt. Ich will nämlich an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung erinnern. In ihrem Leitsatz steht: Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit … [speichert, verwendet und weitergibt]. Er wird dann versuchen, eben durch genau diese Verhaltensweisen nicht aufzufallen. – Das Bundesverfassungsgericht sagt an dieser Stelle: Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Dafür sind Sie der Wächter, und ich danke Ihnen für die Arbeit. (Beifall DIE LINKE und Stephan Grüger (SPD)) Deshalb möchte ich Ihnen auch dafür danken, dass Sie unseren Blick nicht nur auf das Handeln im privaten Bereich lenken, sondern natürlich auch im staatlichen Bereich; denn auch dort tragen wir Verantwortung. Das heißt für mich auch, dass das Handeln der Sicherheitsbehörden dem vom Landtag bestellten Datenschutzbeauftragten natürlich zugänglich sein muss. Selbstverständlich müssen die Transparenzrechte, die das Bundesverfassungsgericht gefordert hat, die aber auch in der DSGVO gesetzlich normiert sind, auch bei dem Handeln der Sicherheitsbehörden Berücksichtigung finden. Das muss eine Selbstverständlichkeit sein. Sie haben in Ihrem Bericht etliche Fälle meldepflichtiger Sachverhalte aufgeführt. Ich würde nicht sagen, dass wir da ein grundsätzliches Organisationsverschulden haben. Es gibt viele Fälle, in denen der Innenminister dringend nachbessern sollte und auch nachbessern muss; aber natürlich lässt es sich nie ausschließen, dass Einzelne – dann wird von sogenannten Beschäftigtenexzessen gesprochen – Datensysteme so verwenden, wie es eben nicht vorgesehen ist. Uns als LINKEN fehlt jedoch jedes Verständnis für die Argumentation der Verantwortlichen der Polizei und des Innenministers, dass diese Vorfälle erst dann dem Beauftragten für Datenschutz zu melden sind, wenn die Verfahren rechtssicher abgeschlossen sind. Was ist das für ein Bild? Sehr klar sagt die Datenschutz-Grundverordnung, dass das innerhalb von 72 Stunden zu geschehen habe. Wir sind froh, dass Sie mit der Polizei jetzt eine klare Regelung getroffen haben, die dazu führen wird, dass nach Abschätzung von Schadenswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe bei einem Datenmissbrauch für die persönliche Freiheit des Einzelnen eine unverzügliche Meldung an Sie zu erfolgen hat. Wir hoffen, dass sich diese Einsicht jetzt durchsetzt und auch handlungsleitend wird. NSU 2.0 hat gezeigt, wie groß dort die Aufgaben sind. Vizepräsident Frank Lortz: Herr Kollege Felstehausen, Sie müssen zum Schluss kommen. Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Natürlich müssen die Betroffenen dann auch unverzüglich von diesen Datenabfragen erfahren. Wir sind froh, dass wir Sie als Datenschutzbeauftragten des Landes Hessen an der Seite wissen – eben an der Seite der Betroffenen von Datenabfragen –, und dass Sie diese Rechte stark machen. – Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE)