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Rede

Torsten Felstehausen - Reform der Sicherheitsgesetze ist nicht ausreichend

Torsten FelstehausenInnenpolitik

In seiner 100. Plenarsitzung am 30. März 2022 diskutierte der Hessische Landtag über die Reform einiger Sicherheitsgesetze zu Polizei und Datenschutz. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist festzustellen, wer eigentlich bei diesem Gesetz die mühevolle Kleinarbeit gemacht hat und wer dafür verantwortlich ist.

(Beifall Günter Rudolph (SPD))

Wir werden es in den folgenden Beratungen feststellen. Ich gehe eher davon aus, dass es doch eine mühevolle Auftragsarbeit war, die Sie gerade vorgelesen haben.

(Beifall Heike Hofmann (Weiterstadt) und Günter Rudolph (SPD))

Meine Damen und Herren, es ist überraschend, dass unter einem CDU-geführten Innenministerium eine Novelle der Sicherheitsgesetze damit begründet wird, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus gestärkt werden muss. Ich halte das zwar für Rhetorik, aber an den Punkten, an denen es wirklich darauf ankommt, halte ich den Gesetzentwurf doch nicht für gelungen. Bemerkenswert ist diese Einlassung am Anfang und in der Begründung des Gesetzestextes aber schon.

Das Zweite ist: Schwarz-Grün greift zahlreiche Punkte in diesem Gesetzentwurf auf, die Schwarz-Grün 2017/2018 selbst vermurkst hat. Ihre damaligen Sicherheitsgesetze waren auf erbitterten Protest bei Bürgerrechtlern, Datenschützern, Sachverständigen und natürlich auch in der Opposition gestoßen. Sie haben die Kritik damals im Gesetzgebungsverfahren vollständig ignoriert. Das Ganze liegt bis heute noch beim Bundesverfassungsgericht, Stichwort: Staatstrojaner.

Allein die vielen redaktionellen Änderungen in dem vorgelegten Gesetzentwurf – ich muss vielmehr hierhin schauen –,

(Der Redner wendet sich an Minister Peter Beuth.) in dem v o n I h n e n vorgelegten Gesetzentwurf zeigen doch, wie schlecht die damals erlassenen Gesetze in Wirklichkeit waren.

(Beifall DIE LINKE und Karin Hartmann (SPD))

Die aktuellen Vorschläge haben ganz überwiegend mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus schlicht und ergreifend nichts zu tun, z. B. die von Ihnen geplante Umbenennung und Umorganisation der hessischen Bereitschaftspolizei. Das wird mit Sachverständigen und mit der Gewerkschaft zu diskutieren sein. Da sind wir als LINKE offen für gute Argumente und auch für Gegenargumente. Aber alleine ein Auswechseln des Türschildes wird die skandalösen Verhältnisse, die Sie selbst beim SEK vorgefunden haben, nicht ändern. Ich glaube, da braucht es ganz andere Maßnahmen, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Meine Damen und Herren, ein großes Problem der Sicherheitsgesetze ist doch zudem, sie sind in weiten Teilen selbst für Kenner der Materie kaum zu verstehen. Auch das ist 2017/2018 explizit in den Anhörungen gesagt worden. Da muss man sich schon fragen, wie sich denn Bürgerinnen und Bürger an Gesetze halten oder ihr Recht einklagen können, wenn Gesetze selbst für Fachleute kaum begreifbar sind. Bei den Sicherheitsgesetzen, bei denen es immerhin um Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger geht und die zum Teil durch diese Gesetze massiv eingeschränkt werden, scheint es geradezu Prinzip zu sein, dass es kaum eine Normenklarheit gibt.

Ich habe einmal durchgezählt. Es gibt einzelne Paragrafen, die Sie ändern, in denen in einer Kette von insgesamt vier verschiedenen Gesetzeswerken auf einen Tatbestand verwiesen wird, bis am Ende klar ist, welche Rechte eigentlich für Bürgerinnen und Bürger gelten und welche nicht.

Meine Damen und Herren, das kann und muss anders und besser gemacht werden, damit Gesetze auch verständlich sind, damit sich Menschen auch daran halten bzw. ihre Rechte wahrnehmen können.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Dort, wo in dem zweiten Gesetzentwurf immerhin deutlich wird, wohin die Reise geht, sind wir auf die Beratungen und die Anhörung im Ausschuss tatsächlich gespannt. An vielen Punkten werden Dinge aufgegriffen, die andere schon lange vor Ihnen gefordert hatten, was bei Ihnen aber bisher auf taube Ohren gestoßen ist.

Ich nenne ein paar Beispiele. In Art. 1 Nr. 9 a wollen Sie anscheinend auf das Problem eingehen, dass Akten von relevanten Neonazis in der Vergangenheit schon nach fünf Jahren gelöscht wurden, obwohl ein Untersuchungsausschuss dazu lief, Stichwort: der Lübcke-Mörder Stephan Ernst und zahlreiche Neonazis in Hessen.

Es lag aber überhaupt nicht an dem Gesetz, dass die Akten von Stephan Ernst und anderen Neonazis schon nach fünf Jahren gelöscht wurden. Wir haben doch aufgedeckt, was in diesen Akten war und dass selbst diejenigen, die damit befasst waren, vermerkt haben, dass diese Menschen brandgefährlich sind. Nein, sie mussten auch nach bestehender Gesetzeslage nicht gelöscht werden.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ein Skandal, dass das passiert ist. Dass Sie jetzt das Gesetz an dieser Stelle ändern, zeigt doch einfach, dass Sie nicht verstanden haben, wo das eigentliche Problem lag, nämlich in dem Versagen der Behörden in diesen Fällen.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))

Der einzige Sinn wäre, wenn es in Zukunft verboten wäre und Konsequenzen hätte, derartige Akten überhaupt zu löschen. Aber das sieht Ihre Vorschrift gar nicht vor, sondern dort steht nur, in der Regel sind Akten jetzt erst nach zehn Jahren zu löschen. Aber – da schaue ich einmal in Richtung der Juristen – was heißt denn „in der Regel“? „In der Regel“ heißt, davon kann es auch Abweichungen geben. Diese sind dann wiederum in diesem Gesetz nicht definiert, also insofern auch dort wieder ein ziemlich stumpfes Schwert. In der Sache ändern Sie mit diesem Gesetz gar nichts. Es ist ein reines Placebo.

(Beifall DIE LINKE)

Nehmen wir die Kennzeichnungs- und Ausweispflicht der Polizei, die jetzt Eingang in das Gesetz finden soll. Wir halten das ausdrücklich für richtig. Aber Sie formulieren dieses Gesetz so, dass das Konkrete nicht in dem Gesetz steht, sondern das Konkrete dann dem Vorbehalt des Innenministers überlassen ist, das Ganze dann in einem Regelwerk, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Das bedeutet wiederum, es wird der Kontrolle dieses Hauses entzogen.

Meine Damen und Herren, vieles scheint darauf getrimmt zu sein, einen guten Anschein zu erwecken. Was sich aber wirklich dahinter verbirgt, ist aus unserer Sicht an vielen Stellen fragwürdig und an einigen Stellen auch bewusst irreführend.

Was Sie nämlich in der Diskussion bei der Einbringung des Gesetzes nicht erwähnt haben, möchte ich noch einmal aufzählen, womit wir uns also beschäftigen müssen. Wir sprechen über die Ausweitung der Videoüberwachung in Sportstätten, in Einkaufszentren und in Packstationen, wo künftig keine Prüfung mehr stattfinden soll. Sprich: Jede Sportstätte in jedem Ort kann künftig videoüberwacht werden, und das anlasslos.

Wir sprechen von der Kennzeichenüberwachung, mit der Sie beim Bundesverfassungsgericht eine klare Niederlage erlebt haben.

Die Auskunftsrechte von Betroffenen sollen eingeschränkt werden. Auf das Polizeipräsidium Einsatz bin ich schon eingegangen. Dort wollen Sie die Schilder austauschen.

Meine Damen und Herren, in diesem Gesetzentwurf sind durchaus Punkte, zu denen wir sagen, es geht in die richtige Richtung. Aber Sie packen gleichzeitig Verschärfungen und Tatbestände in dieses Gesetz, zu denen wir sagen, das müssen wir aus Gründen des Datenschutzes, aber auch der bürgerlichen Freiheitsrechte vehement ablehnen.

Ich freue mich auf eine interessante Anhörung, die wir sicherlich dazu haben werden, und die Beratung in den Ausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))